Archiv

Das Beratungsteam (v.l.) : Inge Rost-Reichert, Monika Jurkowitsch, Kerstin Birkenstock und Gabriele Karl-Böcher.

11.07.07 - VB

Personalwechsel bei der Jugend- und Drogenberatungsstelle - Team stellt sich vor

VOGELSBERGKREIS.Der Monat Juli bringt jährlich Veränderungen mit sich – meist bei Gebührensätzen oder Gesetzen. Bei der Vogelsberger Jugend- und Drogenberatung hat sich weder Gebühr noch Gesetz verändert, sondern das Personalkarussell gedreht: Nach langjähriger Tätigkeit als ehrenamtliche Suchtkrankenhelferin verlässt Kerstin Birkenstock (Foto: 3.v.l) wegen Umzugs nach Bayern das Team der Beratungsstelle. Ihre Nachfolgerin Gabriele Karl-Böcher (Foto: rechts) übernimmt ab sofort die Aufgaben der 37-jährigen Arzthelferin und ist nun ehrenamtliche Ansprechpartnerin für Betroffene von Essstörung sowie deren Angehörige.

Kerstin Birkenstock suchte selber vor rund zehn Jahren Hilfestellung bei der Beratungsstelle des Vogelsbergkreises. Mit Hilfe von Einzelgesprächen, einer stationären Psychotherapie und Selbsthilfegruppen fand sie einen Weg aus ihrer Magersucht und gleichzeitig eine neue Aufgabe und Herausforderung: Auf Vorschlag der Beratungsstelle absolvierte die junge Frau über ein halbes Jahr eine berufsbegleitende Ausbildung zur „Ehrenamtlichen und betrieblichen Suchtkrankenhelferin“ in der Fachstelle für Sucht des Diakonischen Werkes in Gießen. „Wir arbeiten in der Beratungsstelle mit vielen ehemals Selbstbetroffenen zusammen“, erklärt Monika Jurkowitsch (Foto: 2.v.l.), die für den Bereich Essstörungen innerhalb der Beratungsstelle verantwortlich ist. „Die Selbstbetroffenheit der Ansprechpartner macht die besondere Qualität unserer Beratung aus. Die Hemmschwelle wird niedriger, Betroffene trauen sich eher, sich zu öffnen und sehen, dass es einen Ausweg gibt. Keiner versteht die Hilflosigkeit und die Ängste so gut, wie diejenigen, die selbst darunter gelitten haben.“

Eine Essstörung entsteht über einen längeren Zeitraum und bleibt oft lange Zeit unbemerkt. Oftmals geht der Einstieg mit einer Diät einher. „Aber nicht alle, die Gewicht reduzieren wollen, fasten oder eine Diät machen, bekommen eine Essstörung“, klärt die Sozialpädagogin auf, die falschen Vorurteilen damit gleich entgegentreten möchte. Eine Essstörung ist keine Ernährungsstörung. Sie hat nichts mit Appetitmangel zu tun oder kommt „angeflogen“, wenn man ein paar Kilo abnehmen möchte. Essen beziehungsweise Nichtessen bei einer Essstörung hat nichts mit Hunger beziehungsweise Sattsein zu tun, sondern wird zum Stimmungsbarometer und Maßstab für die eigene Wertigkeit und Selbstzufriedenheit. Bei einer solchen psychosomatischen Erkrankung mit Suchtcharakter wird der Körper zum Dreh- und Angelpunkt, zum Schlachtfeld, auf dem alle seelischen Probleme ausgetragen werden.

„Eine Essstörung kann man nicht alleine an Unter-, Normal- oder Übergewicht festmachen, sie muss vielmehr immer im Zusammenhang mit Gedanken, Gefühlen und Verhalten verstanden werden“, so die 42-Jährige. Hinter jeder Essstörung ständen große seelische Not und tief liegende persönliche Probleme. So könne die Essstörung beispielsweise Ersatz für verdrängte Bedürfnisse und Gefühle sein, eine Reaktion auf unbefriedigende Lebensverhältnisse darstellen, Hilflosigkeit, Flucht, Protest, Verweigerung ausdrücken, oder sie erfülle in einem Familiensystem eine bestimmte Funktion.

Betroffene zu beraten, über Hilfsmöglichkeiten zu informieren, ihnen Hilfestellung bei der Ursachenforschung zu geben oder sie auf dem Weg aus der Sucht zu begleiten, ist ein Ziel, dass sich die Jugend- und Drogenberatung – Suchthilfe im Vogelsbergkreis gesteckt hat. Als Zuständige für den Bereich Essstörungen kann Monika Jurkowitsch inzwischen auf ein eingespieltes Team an ehrenamtlichen Suchtkrankenhelferinnen zurückgreifen. „Kerstin Birkenstock war die erste Ehrenamtliche in diesem Bereich, die mich unterstützte“, erinnert sich die die Diplom-Sozialpädagogin. Neben der monatlichen Sprechstunde, in der Betroffene und Angehörige den ersten Kontakt mit der Beratungsstelle aufnehmen können, unterstützte Kerstin Birkenstock das Team auch bei der Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit.

„Ich war zusammen mit Monika Jurkowitsch in vielen Schulklassen“, erzählt Kerstin Birkenstock. „Dort haben wir Filme gezeigt, ich habe meine Geschichte erzählt, wir haben über die Krankheit aufklärt. Aber mehr noch, wir waren beispielsweise bei den Landfrauen oder sonstigen Frauengruppen zu Vortragsabenden eingeladen, haben zusammen eine Fortbildungsreihe für Lehrer und Eltern angeboten, uns an der Gesundheitswoche oder Frauenwoche beteiligt – überall, wo das Thema eben reinpasste.“

In der Sprechstunde hat Kerstin Birkenstock jahrelang Anrufer bzw. spontane Besucher ins Thema einführend informiert: „Es kommen dann Fragen, was Essstörungen eigentlich sind, was für Störungen es gibt und woran man sie erkennt“, so Kerstin Birkenstock, „Angehörige fragen oft, was sie machen können, wenn ihr Kind nicht mehr isst, immer dünner wird oder heimlich erbricht. Betroffene wollen wissen, ob sie wirklich magersüchtig sind oder welche Hilfsmöglichkeiten es für sie gibt.“

Kerstin Birkenstock hat in den letzten Jahren eine Weiterbildung in Tanz- und Ausdruckstherapie absolviert, die sie auch in ihre ehrenamtliche Arbeit einfließen lassen konnte: So bot sie beispielsweise eine Tanztherapiegruppe für betroffene Frauen und Mädchen an. Mit dem Weggang von Kerstin Birkenstock nach siebenjähriger Tätigkeit in der Beratungsstelle hinterlässt sie eine große Lücke. Allerdings hat Monika Jurkowitsch bereits einen qualifizierten Ersatz gefunden: Gabriele Karl-Böcher übernimmt ab sofort die Aufgaben von Kerstin Birkenstock.

Die Gesundheits- und Krankenpflegerin aus Homberg/Ohm hat als ebenfalls ehemalig Betroffene die Ausbildung zur „Ehrenamtlichen und betrieblichen Suchtkrankenhelferin“ absolviert und in den letzten drei Monaten zusammen mit Kerstin Birkenstock gearbeitet, um einen Einblick in den Beratungsalltag zu bekommen und sich auf die neuen Herausforderungen gut vorzubereiten.

Abgerundet wird das Angebot der Jugend- und Drogenberatungsstelle innerhalb des Bereichs „Essstörungen“ durch das Engagement von Inge Rost-Reichert (Foto: links) aus Mücke-Sellnrod. Die 49-Jährige ist von Berufswegen Ernährungswissenschaftlerin und Ernährungspsychologin. Im Laufe ihrer Berufstätigkeit kam sie – beispielsweise innerhalb von Fastengruppen – immer wieder mit Essstörungen in Kontakt, so dass sie sich irgendwann entschloss, im „Frankfurter Zentrum für Essstörungen“ eine Weiterbildung zu absolvieren.

Nach einer weiteren Zusatzqualifizierung, ebenfalls beim Diakonischen Werk in Gießen, arbeitet sie seit zwei Jahren ehrenamtlich – als einzig nicht ehemals Betroffene – mit Monika Jurkowitsch im Bereich Essstörung zusammen. „Ich übernehme bei Bedarf die Ernährungsberatung bei Betroffenen, die bei Frau Jurkowitsch in der Beratung sind.“ So erstellt sie beispiesweise fachlich fundierte Esspläne für Magersüchtige, während sich Monika Jurkowitsch, ausgebildet in systemischer Familientherapie, mit familiären Hintergründen befasst.

Mit der neuen Zusammensetzung des Beratungsteams, ändert sich die Zeit für die monatliche Sprechstunde. Statt mittwochs findet die Sprechstunde in der Beratungsstelle Alsfeld im Zeller Weg 2 nun an jedem 1. Montag im Monat von 18 bis 19 Uhr statt. (Telefon 06631/919740). Alle Hilfesuchenden und am Thema Interessierten können sich aber wie bisher auch von Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr telefonisch unter der Telefonnummer 06631 / 1566 an die Jugend- und Drogenberatung – Suchthilfe im Vogelsbergkreis wenden.+++

Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön