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Aufsichtsratsvorsitzender und OB Gerhard Möller ... - Bilder: Max Colin Heydenreich

...hier im Fuldaer Stadtschloss ...

21.09.06 - Fulda

"Reformprozesse im Klinikum auch ein Stück Risiko" - OB MÖLLER exklusiv

Die vergangenen Wochen waren für das Fuldaer Klinikum als Krankenhaus der Maximalversorgung nicht leicht. Da war der lange Ärztestreik der Spuren hinterlassen hat, da war die Trennung nach nur zwei Jahren vom Medizinischen Vorstand Prof. Goerig und da sind keine einfachen Pläne: in den nächsten sechs Jahren will das Klinikum als gemeinnützige Aktiengesellschaft (im Besitz der Stadt Fulda) mit Investitionen von rund 100 (einhundert) Millionen Euro "zukunftsfähig" werden. Dazu braucht es nicht nicht nur alle Kraft an der Spitze bei Vorstand und neunköpfigem Aufsichtsrat, sondern auch das medizinische Personal von der Krankenschwester bis zum Chefarzt muss diese Veränderungen und neuen Strukturen wollen. Keine leichte Aufgabe also, das Schiff "Klinikum gAG" auf Kurs zu halten und dabei auch noch "Gewinne" für den notwendigen 50-Millionen-Eigenanteil für die Investitionen zu erzielen. Was also passiert im Klinikum und wie beurteilt der Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Möller die Lage. Der Redakteurin von "Osthessen-News", Dorit Gutowski, hat er für ein Exclusiv-Interview zur Verfügung gestanden.

Wurde inzwischen darüber entschieden, ob und mit wem die Position des Medizinischen Vorstandes neu besetzt wird?

Nein, wir sind im Augenblick dabei, eine ganze Reihe von Gesprächen zu führen. Wir haben uns im internen Kreis darüber Gedanken gemacht, wie wir mit der Verankerung des medizinischen Sachverstandes umgehen wollen. Klar ist, dass wir in der jetzigen Phase keine Außenbesetzung vornehmen werden. Wir sind im Gespräch mit einer ganzen Reihe Klinikdirektoren und ich gehe davon aus, dass wir hier eine tragfähige Binnenlösung erreichen können. Wann die Entscheidung endgültig fallen wird? Da will mich nicht auf ein Datum festlegen. Ende Oktober/Anfang November wäre meine eigene Zielsetzung.

Prof. Goerig hat in seinen zwei Jahren Amtszeit neue Strukturen geschaffen. Kann man darauf aufbauen oder muss man komplett neu beginnen?

Es sind eine ganze Reihe von Reformschritten umgesetzt oder eingeleitet worden. Es kommt jetzt sicherlich darauf an, das Haus noch stärker unter dem Gesichtspunkt der Einheit zu sehen. Das heißt, wir müssen gucken, wie wir die Synergien im eigenen Haus noch besser nutzen. Wir haben ja viele Zentraleinrichtungen, die wir unter dem Druck der Kosten und der nicht beliebig steigerbaren Entgelte so nutzen können, um Reserven zu mobilisieren.

Wir müssen Antworten finden, was die einst relativ strikte Trennung zwischen ambulant und stationär angeht. Da wird es Entwicklungen zugunsten des ambulanten Bereiches geben – wie es etwa durch die Gründung des Medizinischen Versorgungszentrums bereits passiert ist.

Im Zuge der MVZ-Gründung hatte es Irritationen bei den niedergelassenen Ärzten gegeben. Ich selber habe mit den Niedergelassenen ein erstes längeres Gespräch geführt und denke, dass die Bereitschaft zur Kooperation da ist. Für die Zukunft müssen wir uns wetterfest machen unter dem Gesichtspunkt der Einnahmesituation und einige Phantasie entwickeln, wie wir die Verzahnung zwischen ambulant und stationär noch besser hinbekommen.

Zukünftig also mehr Kooperation statt Spezialisierung?

Das muss sich nicht ausschließen, denn die Krankenhauslandschaft ist in Bewegung und sie wird in Bewegung bleiben. Sie verlangt von uns, dass wir die nötige Flexibilität noch weiter entwickeln. Wir werden in der Medizin eine weitere Spezialisierung erleben und wir müssen natürlich sehen, dass wir in einer Wettbewerbsgesellschaft leben. Bei der Spezialisierung ist die Frage, ob sie finanzierbar und mit den personellen Ressourcen darstellbar ist. Dann haben wir die örtlichen Nachbarkrankenhäuser mit denen wir zum Teil kooperieren, aber auch konkurrieren. Darüber hinaus gibt es die Unikliniken in Marburg, Würzburg, Gießen und Frankfurt. Wir haben den Anspruch, weiterhin ein spezialisiertes medizinisches Angebot, für die Menschen der Region vorzuhalten. Möglich ist, dass wir aufgrund von auslaufenden Ermächtigungen für unsere Spezialdisziplinen Angebote im MVZ vorhalten, die bisher im Klinikum vorgehalten waren.

Der Streik hat viel Geld gekostet, der „Fall Goerig“ auch - Wie ist das Klinikum denn finanziell aufgestellt?

Wir haben bislang schwarze Zahlen geschrieben. Das ist unser Ziel, das ist unser Auftrag. Der Erstauftrag ist natürlich die medizinische Versorgung, aber sie ist nur dann möglich, wenn das Haus wirtschaftlich gesund bleibt. Wirtschaftlich gesund bleibt es nur dann, wenn wir uns auch für die Zukunft so gut aufgestellt wissen, dass wir die Rendite, die wir erwirtschaften, wieder in das eigene Haus investieren können.

Der Streik hat uns Geld gekostet, in welchem Umfang - das wird sich jetzt erst zeigen. Im Moment sind die Spezialisten dabei zu klären, wie sich der Tarifvertrag in der Umsetzung auswirken wird. Zu den finanziellen Auswirkungen der einvernehmlichen Regelung mit Prof. Goerig: Auch da wird man sehen, welche Nachfolgeregelung wir jetzt zum med. Vorstand bekommen. Wir haben ja auch noch Anspruch auf eine Beratungsleistung von Prof. Goerig – wenn wir sie für notwendig halten und auch selbst anfordern. Von daher geht es nicht nur darum, dass Geld ohne Gegenleistung gezahlt wird.

Will man denn einen Rat von Prof. Goerig überhaupt noch hören?

Das kommt ganz darauf an. Die Frage der Trennung hat ja nicht etwa ihre Kernursache im Konzept oder der Analyse, sondern ausschlaggebend waren die massiven Kommunikationsprobleme, die es vor allem in der Umsetzung schwierig gemacht haben und wo in absehbarer Zeit ein Erfolg nicht zu erwarten war.

Jemand, der einen Reformprozess anstoßen soll, analytisch und zahlenverliebt ist, von dem erwartet man nicht unbedingt ein Maximum an menschlicher Wärme. Man macht vielleicht eher Abstriche in punkto sozialer Kompetenz - wenn die Analyse stimmt. Ist Prof. Goerig falsch eingeführt worden?

Im Nachhinein betrachtet kann man sich natürlich fragen: "Gibt es da Punkte, wo man es vielleicht anders hätte machen können?" Das bringt allemal wenig. Eines steht fest: Wenn man ein Krankenhaus von einem Eigenbetrieb in eine gemeinnützige AG überführt und den Anspruch hat, als AG im Markt agieren zu können, dann gibt es immer wieder die Gefahr bestimmter Bruchpunkte. Und wenn man einen med. Vorstand von außen holt, hat man immer ein Stück Risiko vor dem Hintergrund des reformerischen Anspruchs. Es kann hier und da Schwierigkeiten geben oder aber auch Dinge, die sich fest fressen können.

Im Übrigen ist in der Wirtschaft die Trennung von Vorständen nichts Außergewöhnliches. Das soll kein sanftes Ruhekissen darstellen, nach dem Motto: „Es war gar nicht so schlimm“; es soll nur einen relativierenden Blick darauf werfen, dass wir hier einen schwierigen Reformprozess haben. Und dass ein solcher Anspruch, mit dem wir angetreten sind, auch ein Stück Risiko in der Umsetzung beinhaltet. Von da aus gesehen: bedauerlich allemal, aber wiederum kein Riesenunglück für das Haus. Es geht jetzt darum, nach der begreifliche Aufregung und der Unruhe auch durch den Streik, wieder in etwas ruhigeres Fahrwasser zu kommen.

Von gewachsene, liebgewonnene Strukturen trennt man sich nicht gern. Wie ist es denn um die Veränderungsbereitschaft der Klinikbelegschaft bestellt?

Was an Veränderungen notwenig ist, ist nicht immer unmittelbar einsehbar. Das ist in allen Bereichen so. Ich glaube, dass alle beteiligten Gruppen im Klinikum wissen, dass Veränderungsbereitschaft einfach notwendig ist. Die Frage ist, wie ist das Maß dessen, was umsetzbar und erfolgversprechend ist. Und was einerseits im Interesse des Patienten notwendig ist, was aber auch zur wirtschaftlichen Sicherung des Klinikums beiträgt.

Aus den Gesprächen, die ich führen konnte, habe ich doch den ganz festen Eindruck, dass man weiß, dass man zusammenstehen muss, dass man den Blick nach vorn richten und auch bereit sein muss, Veränderungen nicht nur hinzunehmen, sondern aktiv zu gestalten. Ich glaube, dass es dazu eine gute Chance gibt.

In welche Richtung muss sich das Klinikum verändern, um zukunftsfähig zu sein?

Wir haben die immer stärkere Spezialisierung der Medizin, die Veränderung der Demographie und die Politik mit dem Druck, die Kosten einzudämmen. Das alles hat Auswirkungen auf die stationären Einrichtungen, die nicht mehr davon ausgehen können, dass jährliche Steigerungsraten in den Geldverhandlungen mit den Krankenkassen zu erzielen sind. Das heißt, dass alles, was wir an Lohnsteigerungen und allgemeinen Kostensteigerungen haben, erwirtschaftet werden muss. Wenn das nicht mehr durch die Addition besserer Fallpauschalen möglich ist, dann muss man sich um neue Marktsegmente bemühen – also expandierend und auch in Kostenstrukturen denken. Das ist eine gewaltige Herausforderung, die nicht so leicht zu bestehen ist. Ich denke, dass es darauf ankommt, dass der Vorstand und die Geschäftsleitungsebene mit dem Aufsichtsrat diese Perspektive in der Strategie des Klinikums mit entwickelt.

Und es stehen einige bauliche Veränderungen an...

Ja, wir haben gewaltige Modernisierungsnotwendigkeiten. Das ist ein Riesenprogramm zu dem es eine Kooperationsvereinbarung mit dem Land gibt. Die Vereinbarung wurde im Dreiecksverhältnis „Klinikum - Herz-Jesu-Krankenhaus – Land Hessen“ geschlossen und beinhaltet Zahlungsversprechen des Landes.

Die künftigen Investitionsmaßnahmen beim Klinikum sind gewaltig. Wir können trotz der Finanzierungszusage des Landes für bestimmte Projekte nicht davon ausgehen, dass es eine 100-Prozent-Finanzierung ist. Das heißt, es müssen entweder Eigenmittel aufgebracht oder Darlehen aufgenommen werden, die aber dann im Tilgungs- und im Zinsziel zu bedienen sein werden. Hier kommt also noch eine zusätzliche Last auf uns zu, um das Haus in moderner Fassung fit zu halten.

Sie glauben aber an die Zukunftsfähigkeit des Klinikums und der Verkauf an einen privaten Träger steht nicht zur Debatte?

Das wird natürlich im gesamten Medizinsektor diskutiert. Und es gibt Entscheidungen von Trägern, die in diese Richtung gehen. Ich habe, als ich als Oberbürgermeister antrat und wir die Rechtsform vom Eigenbetrieb zur gAG vorangebracht haben, bei der Entscheidung im Stadtparlament gesagt, dass nach meiner persönlichen Auffassung das Haus in kommunaler Trägerschaft eine gute Zukunft hat - unter der Grundsatzbedingung, dass das Haus weiterhin auf gesunden Füßen steht. Wenn es hier Entwicklungen gäbe, die das Ganze ins Rutschen kommen ließen, muss man natürlich um andere Lösungen bemüht sein. Aber ich sehe diese Entwicklungen in einem überschaubaren Zeitraum nicht, von daher glaube ich an die Zukunftsfähigkeit des Hauses in kommunaler Trägerschaft. +++


....stand er zur Zukunft des Klinikums Fulda

... der ON-Redakteurin Dorit Gutowski zur Verfügung


Ein Thema: die Trennung vom Medizinischen Vorstand Prof. Goerig vor kurzem ...




Rund 100 Millionen Euro werden in den nächsten sechs Jahren im Klinikum zum Ausbau investiert


Möller sieht die Zukunft des Klinikums optimistisch...

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