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Zum Thema "Existenzgründung gibt es Hilfen und Informationen unter anderem bei der Agentur für Arbeit, der IHK oder der START Agentur der FH Fulda. - Fotos (6): Max Colin Heydenreich

17.05.06 - Fulda

„Schmetterlinge beim Bergwandern“ - Existenzgründung als Perspektive

Der Schritt in die Selbstständigkeit will wohl überlegt sein. Denn für ein eigenes Unternehmen braucht es mehr als eine Idee. Eine gute Vorbereitung, sportlicher Ehrgeiz – nicht nur beim Überspringen bürokratischer Hürden – und eine anständige Portion Mut gehören zur Existenzgründung dazu. Carl Heatley aus Tann und Ursula Pfeiffer-Müller aus Ebersburg sind zwei der knapp 1400 Arbeitslosen im Landkreis Fulda, die in den Jahren 2004/2005 den Schritt in die Selbstständigkeit wagten. Unterstützung erhielten sie durch die Agentur für Arbeit Fulda. Dabei ging die Hilfe der Behörde über die finanzielle Förderung hinaus. Verschiedene Seminare und ein Coach, der beiden „Jungunternehmern“ über mehrere Monate zur Seite stand, halfen beim Start.

Woran man nicht alles denken muss, wenn man sich selbstständig machen will: Businessplan, Finanzierung, Rechtsform, Versicherungen, Kostenrechnung, Buchführung - auf den ersten Blick ein Fass ohne Boden, das enthusiastischen Unternehmern von morgen schon mal den Wind aus den Segeln nehmen kann. „Bei mir hat es vom ersten Gedanken an die Selbstständigkeit etwa ein Jahr bis zur Umsetzung gedauert“, erzählt Carl Heatley. Er ist Engländer, lebt seit 16 Jahren in Deutschland und seit fünf Jahren in Tann. Gelernt hat er zwei Berufe: Elektronik-Ingenieur und Pastor. In beiden Branchen war er jahrelang tätig, doch 2004 wurde Heatley arbeitslos.

Gründerseminar und ein Coach, der bei den praktischen Dingen hilft

Ein kurzes Intermezzo in 2005 bei einer Maschinenfabrik bestätigte die Erkenntnis: „Ich bin ein >Menschen-Mensch<. Technik allein macht mich nicht glücklich.“ So reifte bei Heatley der Gedanke, aus den Erfahrungen als Pastor und seinem grundsätzlichen Interesse, Menschen zusammenzubringen, das Geschäft "AHH! – A Helping Hand" zu entwickeln. Seit dem 1. März dieses Jahres bringt Heatley Partner, die das Reden miteinander verlernt haben, wieder ins Gespräch. Seit Mai gibt der Mann, der die Ehe als Investition versteht, auch so genannte „Ehe-Kurse“. „Ich fühle mich auf dem richtigen Weg“, sagt Heatley. Auch weil seine Frau und die drei Kinder die Entscheidung aus vollem Herzen mittragen. Besonders froh ist er über die Hilfe, die er von der Agentur für Arbeit bekommen hat. „Ich habe die Gründerseminare besucht und Coach Achim Weber aus Eichenzell hat mir bei den praktischen Dingen unter die Arme gegriffen.“

Außerdem erleichterte das Überbrückungsgeld, das die Agentur für Arbeit sechs Monate an Existenzgründer zahlt, Heatleys Start. Im Landkreis Fulda haben nach Angaben der Agentur für Arbeit in den Jahren 2004 und 2005 insgesamt 694 Personen Überbrückungsgeld erhalten. Den Existenzgründerzuschuss (Ich AG) bekamen 665 Antragsteller. Diese Form der Förderung, die über den Zeitraum von drei Jahren gezahlt wurde, läuft zum 30. Juni 2006 aus. Erst gestern einigten sich Union und SPD auf ein Zweistufen-Modell zur Weiterführung des Existenzgründerzuschusses. In der ersten Phase setze sich die Förderung aus dem Arbeitslosengeld und einer zusätzlichen Pauschale von 300 Euro pro Monat zusammen. Diese Förderung sei angelegt auf neun Monate. Die Pauschale kann für weitere sechs Monate gezahlt werden, wenn sich das Geschäftskonzept als solide erweist.

Konzepte mit Herz, Hirn, Hand und Fuß gefragt

„Auf jeden Fall, so Waldemar Dombrowski, Chef der Arbeitsagentur Fulda, ist die Selbstständigkeit ein Weg aus der Arbeitslosigkeit. Nicht risikoarm, aber ein Weg voller Chancen.“ Die aktuellen Zahlen der Agentur sind zumindest recht ermutigend. Fast 90 Prozent der Existenzgründer haben das erste Jahr der Selbstständigkeit ohne „Rückfall“ in die Arbeitslosigkeit überstanden. Dabei funktioniert es im Dienstleistungssektor im Moment noch am besten. Achim Weber, einer der Coaches, die für die Agentur arbeiten, konstatiert: “Von Gründungen im Multilevel-Marketing und im Handel kann ich nur abraten. In diesen Bereichen läuft es so gut wie gar nicht.“ Mit guten, bodenständigen Geschäftsideen im Dienstleistungsbereich hat man laut Weber derzeit noch die besten Karten. „Man braucht definitiv ein Konzept mit Herz, Hirn, Hand und Fuß“, sagt er.

Ein Konzept, das Ursula Pfeiffer-Müller aus Ebersburg hat. Sind Herz und Hirn doch Bestandteile ihrer täglichen Arbeit, denn sie bietet psychologische Beratung an, genauer: Lebenshilfe, Krisen-, Ehe- und Erziehungsberatung. Die Kündigung ihres früheren Arbeitgebers, einer Mutter-Kind-Kurklinik die schließen musste, kam der 45-jährigen Diplom Sozialpädagogin eigentlich gar nicht so ungelegen. „Ich habe den Gedanken der Selbstständigkeit schon sehr lange in mir getragen. Die Kündigung war wie ein Sprungbrett“, sagt sie. Und so hatte Pfeiffer-Müller bereits drei Monate nach dem Besuch des Existenzgründerseminar alles Notwendige für die Eröffnung einer eigenen Praxis in die Wege geleitet. „Nach dem Seminar im Mai letzten Jahres wusste ich, dass ich es schaffen kann.“ Inzwischen liegt die Auslastung ihrer Praxis bei 50 Prozent – Tendenz steigend. Auch für sie war das Überbrückungsgeld in den ersten Monaten eine gute Hilfe. „Und mein Mann, der berufstätig ist, gibt mir Rückendeckung, so dass ich mich fortbilden und die Praxis weiter ausbauen kann.“

Selbstständigkeit ist kein Spaziergang

Ursula Pfeiffer-Müller gehört zu den wenigen Frauen, die sich das (zu)-trauen. Laut Agentur für Arbeit ist nur ein Drittel der Existenzgründer weiblich. Dombrowski mutmaßt: „Frauen sind vorsichtiger und stecken oft auch noch in den alten Rollen. Familie, Haushalt, Selbstständigkeit – das alles unter einen Hut zu bekommen, schreckt manche vielleicht ab.“ Aber Achim Weber weiß: „Frauen denken länger über diesen Schritt nach, entscheiden später, halten dafür aber auch länger durch.“ Im Moment scheint das Interesse der weiblichen Welt am Unternehmerinnendasein jedoch nicht sehr ausgeprägt zu sein. Die IHK Fulda, die kürzlich ein Seminar für Existenzgründerinnen angekündigt hatte, musste die Veranstaltung absagen. „Wir hatten nur zwei Anmeldungen“, berichtet Sabrina Kümmel, die für die Organisation zuständig war. Zehn hätten es sein sollen. Woran es lag? „An den Inhalten sicher nicht.“

Fazit: Der Weg in die Selbstständigkeit ist kein Spaziergang, vielmehr eine anstrengende Bergwanderung. Aber wenn fachliches und unternehmerisches Know-how stimmen, das Konzept wasserdicht ist, die Familie den Rücken stärkt, die Finanzierung steht und Ängste überwunden sind, dann kann Selbstständigkeit auch beflügeln. Carl Heatley jedenfalls hat „Schmetterlinge im Bauch“ und Ursula Pfeiffer-Müller fühlt sich „einfach toll“, denn ihr Selbstwertgefühl hat nach eigenen Aussagen „in den letzten Monaten einen regelrechten Kick bekommen“. Beiden hat die Arbeitslosigkeit eine neue Perspektive eröffnet. Und Achim Weber bescheinigt ihnen „eine reelle Chance auf Erfolg“. Wenn das kein guter Anfang ist… +++ (Dorit Gutowski)

Übrigens: Seit dem 1. Februar 2006 können sich Selbstständige auch gegen Arbeitslosigkeit versichern. In diesem Jahr gilt eine Übergangsregelung, nach der sich jeder Selbstständige freiwillig versichern kann, der vor dem 01.01.2006 gegründet hat. Der Antrag muss bis zum 31.12.2006 eingereicht sein. Für Unternehmen, die nach dem 01.01.2006 gegründet wurden bzw. werden, gilt: der Antrag muss spätestens einen Monat, nachdem die selbstständige Tätigkeit aufgenommen wurde, bei der Agentur für Arbeit eingegangen sein. Der Beitrag liegt bei 39,81 € monatlich. Weitere Auskünfte erteilt die Agentur für Arbeit.

Zum Thema Existenzgründung gibt es Hilfen und Informationen unter anderem bei der IHK Fulda, der Agentur für Arbeit, bei der START Agentur der Fachhochschule Fulda oder beim Gründerportal Fulda.

http://www.ihk-fulda.de/

http://www.arbeitsagentur.de/vam/?content=/content/supertemplates/Content.jsp&navId=1563

http://www.fh-fulda.de/index.php?id=890&L=http%3A%2F%2Fbusca.uol.com.br%2Fuol%2Findex.html%3F

http://www.gruenderportal-fulda.de/






Carl Heatley (li.) bringt Ehepaare wieder miteinander ins Gespräch - Bilder: privat

Ursula Pfeiffer-Müller berät u.a. bei Krisen, Erziehungsproblemen und Persönlichkeitsdefiziten

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