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23.11.11 - REGION

WARNUNG: Enkeltrick klappt immer wieder - Vorsicht vor falscher Cousine

Die alte Dame muss ziemlich aufgeregt gewesen sein, als sie gestern am Kassenschalter ihrer Hausbank ihre Ersparnisse in Höhe von 23.000 Euro in bar abhob. Kurz zuvor hatte ihre angebliche Cousine die Seniorin angerufen und ihr irgendeine Räuberpistole aufgetischt: wegen einer Notlage und zur Überbrückung eines „Liquidi-tätsengpasses“ brauche sie ganz dringend Geld, die Verwandte müsse ihr unbedingt helfen.

Nachdem die 71-Jährige bereitwillig zur Bank gefahren war, übergab sie – wie am Telefon verabredet – die komplette Summe an eine Fremde - angeblich von der Cousine geschickt. Die kannte sie zwar nicht, richtete aber Grüße aus – und bedankte sich noch für die schnelle Hilfeleistung.

Später Vorwürfe, Scham und Reue

Nicht auszudenken, wie hart die Seniorin die folgende Erkenntnis getroffen haben muss, dass sie - und ihre Barschaft Opfer eines gemeinen Tricks geworden war: das Geld ist unwiederruflich weg. Die Vorwürfe, die die Frau sich mit Sicherheit selbst macht - und die Schelte ihrer Angehörigen über ihren sträflichen Leichtsinn dazu - es wird bestimmt keine schöne Adventszeit für die Betroffene. Und mit welchem Misstrauen sie ihren Mitmenschen künftig begegnet, mag man sich gar nicht ausmalen. Immer wieder warnt die Polizei in den Medien und eigenen Präventionsschulungen detailliert vor der gemeinen Abzocke mit dem „Enkeltrick“. Vor allem ältere Mitbürger werden vor zuviel Gutgläubigkeit und den gewieften Trickbetrügern gewarnt.

Mindesten ein bis zweimal in der Woche wird in Hessen – und bundesweit - diese seit Jahren bekannte Masche erfolgreich praktiziert, sind sich Experten der Kriminalpolizei einig. Der für die Täter fast risikolose Trick hat sich etabliert. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil Betrugsdelikte nur in der Gesamtsumme statistisch erfasst und auch nicht nach dem Alter der Geschädigten separiert werden. Gar nicht mitgerechnet sind bei dieser großen Zahl diejenigen Fälle, in denen die Methode am Misstrauen - oder dem Geldmangel - der angerufenen Senioren scheitert. Solche missglückten Versuche werden selten bei der Polizei angezeigt – und vermutlich auch nicht einmal jeder gelungene Betrug. Auf eins zu zehn wird das Verhältnis der angezeigten Betrügereien zu den aus Scham verschwiegenen geschätzt.

In manchem Fall merkten das später höchstens mal die Erben. Und es gibt auch jene ältere Herrschaften die bis heute davon überzeugt sind, ein wirklich gutes Werk am Enkel vollbracht zu haben – und von raffiniertem Trickbetrug nichts hören wollen. Die machen sich dann wenigsten nicht noch Vorwürfe, unfreiwillig Kriminelle finanziert zu haben.

Auswahl der Opfer anhand "altmodischer" Vornamen im Telefonbuch

Die Rekrutierung der Opfer erfolgt nach zwei Kriterien: Von den Tätern ausgeguckt werden Träger altmodischer Vornamen wie Heinrich, Berta oder Elfriede, die womöglich noch an der Adresse im Telefonbuch als Bewohner einer Senioreneinrichtung zu erkennen sind. Und den Namen des Enkels verraten die Angerufenen meist ohne Argwohn von ganz allein, wenn sie hören: “Hallo Oma, rate mal wer hier spricht?!“

Wenigstens ab und an gelingt es einem aufmerksamen Bankangestellten, dieser speziellen Sorte falscher Enkel die Tour zu vermasseln. „Wir kennen ja unsere Kunden und deren Gewohnheiten, deren „Profil“ - wie es branchenintern heißt“, sagt Helmut Sauer von der Sparkasse in Fulda. „Wenn jemand plötzlich eine fünfstellige Summe abheben will, der sonst nur kleine Beträge braucht, fällt das schon auf.“ So verhinderte zum Beispiel die Kassiererin einer Filiale in Bebra, dass sich eine Seniorin für ihre vermeintlichen Nichte das komplette Sparguthaben auszahlen ließ – und ersparte der alten Dame so einen herben Verlust. Zur verabredeten Übergabe erschien zwar die Polizei - die falsche Nichte blieb aber spurlos verschwunden. „Das ist ein gutes Gefühl, wenn man jemanden vor einer solch teuren Dummheit bewahren konnte“, sagt die Angestellte, die sich vorbildlich verhalten hat, aber bescheiden ungenannt bleiben will.

Warum kann diese fürsorgliche Nachfrage beim Kunden nicht verbindlicher Standard für alle Angestellten von Geldinstituten sein? Am Geldautomaten bekommt man keine fünfstelligen Summen, der persönliche Kontakt zu einem Kundenberater ist dafür notwendig. Eine höfliche Nachfrage des Angestellten – und der Hinweis, dass es zudem gefährlich ist, so viel Bargeld spazieren zu tragen, wäre aktiver Dienst am Kunden. Könnten nicht mehr Enkeltrickbetrügereien verhindert werden, wenn alle Banken entsprechende Vorgaben an ihre Mitarbeiter herausgäben?

Prävention keine Aufgabe von Kreditinstituten?

Aber: " Prävention ist Sache der Polizei und gehört nicht zu den originären Aufgaben von Banken". So begründet der Sparkassen- und Giroverband mit Sitz in Berlin seine ablehnende Haltung gegenüber einer generellen „Dienstanweisung“. Pressesprecherin Michaela Roth verweist auf eine vielfach stattfindende Kooperation zwischen Sparkassen und Kripo, doch der Kunde könne eine entsprechende Frage, was er denn mit soviel Bargeld wolle, als unerwünschte Einmischung empfinden: „Das ist ein hochsensibler Bereich - schließlich ist jeder Bankkunde voll geschäftsfähig und entscheidet selber, was er mit seinem Geld macht..“ Auch könnten Kreditinstitute nicht die Verantwortung für falsches Kundenverhalten übernehmen und es gebe eine Pflicht zur Diskretion.

Ganz so ängstlich wegen möglicher Einmischung reagieren die Bankangestellten vor Ort nicht. „Wir sehen ein vorsichtiges Nachfragen nicht als Belästigung – eher als Fürsorge im Sinne unserer Kunden an“, sagt Helmut Sauer von der Sparkasse. Zumal große Geldbeträge nie vor aller Augen, sondern diskret in einem Nebenraum ausbezahlt würden. „Da ergibt sich leicht ein Gespräch, weil Barauszahlungen nicht so häufig vorkommen.“ Im gestrigen Fall in einem Fuldaer Stadtteil hat dieses System aber offensichtlich versagt: die 71-Jährige bekam ihre 23.000 Euro offenbar ohne Nachfrage ausgehändigt - um sie dann an eine Kriminelle weiterzugeben.

"Es wäre so leicht, etwas dagegen zu unternehmen.."

Ein täglich mit dem Enkeltrick konfrontierter Polizist kann nicht verstehen, warum die Geldinstitute nicht beweglicher in Sachen Prävention agieren. "Es würde doch völlig genügen, wenn jeder Kunde bei der Kontoeröffnung ein Formular ausfüllen müsste, in dem steht: wenn ich mehr als tausend Euro in bar abheben will, sprechen Sie mich bitte auf die damit möglicherweise verbundenen Gefahren an." Es könnte so einfach sein - aber vermutlich fürchten sich die Herren in den Vorstandsetagen der Banken vor möglichen Regressforderungen gegen unaufmerksame Schaltermitarbeiter. Schade um die verschenkte Chance. Denn jeder Betrug - ob an alten oder jungen Menschen - ist einer zuviel.+++ Carla Ihle-Becker

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