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- Archivfotos: Hans-Hubertus Braune

25.11.10 - BAD HERSFELD

Arbeiten beim Internet-Händler AMAZON: Knochenjob oder Zukunftschance?

Mit nur wenigen Klicks ist das neue Buch oder die Waschmaschine bestellt: Internethändler wie das amerikanische Kaufhaus Amazon, der Grossist Libri und andere machen es möglich. Häufig erhält der Kunde schon am nächsten Tag seine Ware. Diese bequeme Auswahl- und Bestellmethode nutzen inzwischen immer mehr Menschen. Um die Kunden schnellstmöglich bedienen zu können, sind neben der entsprechenden Software vor allem riesige Lager an zentralen Orten wichtig. Am Stadtrand von Bad Hersfeld hat Amazon bereits zwei Logistikzentren errichtet. Mehrere tausend Menschen - wieviele es genau sind, kann oder will niemand sagen - arbeiten dort rund um die Uhr, um all die Bestellungen zu bearbeiten.

Allein 3.000 saisonalen Mitarbeitern bietet Amazon in Bad Hersfeld die Chance, zumindest für einige Monate einen Job zu finden. Gerade vor Weihnachten boomt das Geschäft - im Moment stellt der Internetriese nach Agenturangaben rund 500 Leute ein. "Bewerber können sich ohne Voranmeldung jeden Tag in der Zeit von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr im neuen Logistikzentrum (Obere Kühnbach/Amazonstraße, 36251 Bad Hersfeld) vorstellen", erklärte das Unternehmen auf Anfrage von osthessen-news. "Viele der Mitarbeiter kommen bereits zum wiederholten Mal als Saisonmitarbeiter zu uns", so Amazon. Um die große Anzahl von Mitarbeitern rekrutieren zu können, bietet Amazon seiner Belegschaft Prämien an, wenn diese neue Kollegen werben. Nach unbestätigten osthessen-news-Informationen gibt es dafür einen 44-Euro-Einkaufsgutschein.

Allerdings gibt es offentsichtlich nicht nur positive Rückmeldungen. Immer wieder wird von schlechter Bezahlung, Stress, vielen Überstunden und unbezahlten Pausen berichtet. Dies bestätigt auch Mechthild Middeke, Generalsekretärin für den Bereich Handel bei der Dienstleistungsgewerkschaft verdi: "Es ist schon heftig, unter welchen Bedingungen die Beschäftigten dort arbeiten müssen. Und das bei einem Einstiegsgehalt von 8,56 Euro." Das schlechte Lohnniveau - zwar in dieser Branche üblich, jedoch sei Amazon als "Platzhirsch" ein Indikator - und die Ungewissheit, ob nach dem Zeitvertrag eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis folgt, sorgten nicht gerade für Mut und positive Zukunftsgedanken. Inzwischen liegt der Einstiegslohn bei 9,10 Euro - brutto (30 Minuten Pause täglich wird nicht bezahlt).

Das Ziel von Amazon sei es, möglichst viele von den erfolgreichen saisonalen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu übernehmen. Je nach Geschäftsentwicklung können dies mehrere Hundert sein, die im Anschluss an das Weihnachtsgeschäft weiterhin beschäftigt werden könnten, erklärte Amazon dazu auf Nachfrage von osthessen-news.

Zum Thema Lohn sieht Amazon sich selbst durchaus als guter Arbeitgeber: "Mitarbeiter erhalten bei Amazon eine konkurrenzfähige und leistungsbezogene Bezahlung, die aus verschiedenen Komponenten besteht; neben dem Stundenlohn beinhaltet die Bezahlung einen Bonus – auch für saisonale Mitarbeiter. Langfristige Mitarbeiter erhalten neben Lohn und Bonus auch Mitarbeiteraktien. Nicht zuletzt dadurch, dass wir Mitarbeiter durch Aktien zu Miteigentümern machen, sodass sie direkt am Unternehmenserfolg partizipieren, stärken wir das positive Arbeitsumfeld – und das große Interesse unserer befristeten Mitarbeiter, bei uns in langfristige Beschäftigungsverhältnisse übernommen zu werden, belegt dies", so die Amazon-Presseabteilung.

Auch den Vorwurf, den ehemalige Amazon-Mitarbeiter gegenüber osthessen-news äußersten, dass Frauen schwere körperliche Arbeit erledigen müssten, wollte das Unternehmen so nicht stehen lassen. "Für welche Tätigkeiten die Mitarbeiter jeweils eingesetzt werden, wird individuell bereits während des Vorstellungsgesprächs und kontinuierlich im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses besprochen. Wir unterstützen unsere Mitarbeiter dabei, sie ihren Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechend einzusetzen. Wir möchten hier auch betonen: Paletten werden in unseren Logistikzentren grundsätzlich nur mit Hilfe von Gabelstaplern bewegt. Wir schulen unsere Mitarbeiter außerdem in ergonomisch optimalen Hebeweisen", erklärte der Internethändler.

Ein Novum am Standort in Bad Hersfeld ist die angegliederte Kindertagesstätte "Amazonia", welche vor wenigen Tagen den Betrieb aufnahm. Diese Einrichtung wurde von der Stadt Bad Hersfeld zu eigenen Lasten gebaut. Da es keine Förderungen gebe, sind die Gebühren für Eltern, die ihr Kind in das Amazonia-Land bringen, vergleichsweise hoch. Wohl auch deshalb ist das Interesse von Amazon-Mitarbeiter bisher gering. Ein Grund dürften allerdings auch die vielfach befristeten Verträge sein. Wer bringt schon seinen Nachwuchs in eine Kindestagesstätte nah am Arbeitsplatz, wenn er nicht weiß, ob er in wenigen Wochen auch noch dort arbeitet?

Amazon macht keine Angaben zur aktuellen Mitarbeiterzahl. Nach osthessen-news-Informationen arbeiten knapp 1.900 Menschen im Jahresdurchschnitt bei Amazon. Das Unternehmen ist damit einer der größten Arbeitgeber in der Region um Bad Hersfeld und trägt nicht unwesentlich zum Rückgang der Arbeitslosenzahlen bei. Die Agentur für Arbeit ist mit Amazon zufrieden. "Bisher haben wir nur positive Rückmeldungen von Mitarbeitern, die zu Amazon vermittelt wurden", erklärte die Agentur auf Nachfrage von osthessen-news.

Für viele Menschen ist Amazon ein Notnagel, der zumindest auf Zeit eine Jobperspektive bietet. Amazon baue auf die Kommunikation mit seinen Mitarbeitern, heißt es in dem - osthessen-news vorliegendem - Statement von Michael Bauer, dem General Manager am Standort in Bad Hersfeld. "Darüber hinaus bieten wir Gesprächsrunden zu verschiedenen Themen an und ermöglichen mit „Kaizens“, einer aus Japan importierten, bei Amazon weltweit eingesetzten Arbeitsphilosphie der ständigen, kleinen Verbesserungen eine direkte Zusammenarbeit von Management und Mitarbeitern sowie die Möglichkeit, Verbesserungen unabhängig vom Verantwortungslevel mit zu beeinflussen. Viele solcher Veränderungen sind inzwischen von Mitarbeitern in ihrem direkten Arbeitsumfeld herbeigeführt worden", so Amazon.

Ein verbessertes Lohnniveau und gute Übernahmeaussichten - das würde sicher vielen Menschen noch mehr helfen. Denn der Freude des schnellen Online-shoppen steht das Leid derjenigen gegenüber,die im Internet einen neuen Job suchen müssen. (Hans-Hubertus Braune) +++






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