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16.03.07 - Unterfranken

"Ethisch unverantwortlich": Interview mit Moraltheologe SCHOKNECHT

Fluch oder Segen? In wenigen Tagen soll in Unterfranken auf einigen Feldern erstmals gentechnisch veränderter Mais, so genannter Bt-Mais ausgesät werden. Dabei handelt es sich um eine Pflanze, die durch Gentechnik ein Gen aus dem Bodenbakterium Bacillus thuringiensis (Bt) eingepflanzt wurde. So produziert der Mais ein Gift, das den Maiszünsler, einen kleinen braunen Schmetterling tötet. Dessen Larven richten oft erhebliche Schäden im Mais an. Sebastian Schoknecht, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Moraltheologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg, beurteilt im folgenden Interview mit dem Bistum Würzburg Chancen und Risiken der neuen Technologie und bewertet die Rolle der Kirche in der aktuellen Diskussion.

Frage: Wie ist der Einsatz von genmanipuliertem Saatgut aus moraltheologischer Sicht zu bewerten?

Schoknecht: Erst einmal, und das dürfte sicher manchen überraschen, ist gegen Gentechnik aus moraltheologischer oder - sagen wir besser - theologisch-ethischer Perspektive prinzipiell nichts einzuwenden.

Frage: Tatsächlich?

Schoknecht: Wenn wir uns ein fundiertes Urteil erlauben wollen, dann von den Folgen her, die eine neue Technologie mit sich bringt. Was heißt das für genmanipuliertes Saatgut auf fränkischen Äckern? Die sozialen Konsequenzen werden schon jetzt spürbar, obwohl die Aussaat noch gar nicht erfolgt ist. Dorfgemeinschaften werden gespalten und der soziale Friede so gefährdet. Andere Folgen sind aus Nachbarstaaten bekannt und stimmen nachdenklich: Wie soll eine Koexistenz von Biohöfen und benachbarten "Genfeldern" funktionieren? Wind und Bienen werden keinen Bogen um die gentechnisch veränderten Pflanzen machen. Und dann landen die Gene unter Umständen auch im Ökolandbau und sogar in Wildpflanzen.

Frage: Welche Folgen könnte das haben?

Schoknecht: Was das genau bedeutet, ist kaum zu überschauen. Schon heute werden Grenzwerte lanciert, weil man weiß, dass die gentechnisch veränderten Organismen überall auftauchen werden. Auch für die Gesundheit von Mensch und Tier, das haben jüngst französische Studien wieder gezeigt, kann Sicherheit nicht garantiert werden. Eine Güterabwägung zeigt recht deutlich, dass es zwar Chancen der "Grünen Gentechnik" gibt, aber die Risiken bei weitem überwiegen. Aus ethischer Sicht ist es also nicht zu verantworten, gentechnisch veränderte Pflanzen aufs Feld zu bringen.

Frage: Was ist der entscheidende Unterschied zwischen normalen Züchtungen und genmanipulierten Pflanzen?

Schoknecht: Befürworter der "Grünen Gentechnik" behaupten immer wieder, dass es schlicht die Fortsetzung der Züchtung mit modernsten Mitteln sei. Das stimmt aber nicht. Züchtung, wie sie von unseren Landwirten seit Jahrhunderten betrieben wird, ist ein langsamer Prozess, der von Erfahrungen und Austausch lebt. Pflanzen konnten durch Kreuzung immer besser an die jeweiligen Bedingungen einer Region und an deren Böden angepasst werden. Die Gentechnik macht es nun möglich, einzelne Gene und damit ganz neue Eigenschaften zu beeinflussen. Im so genannten Bt-Mais findet sich nun das Gen eines Bakteriums, das ein Insektengift erzeugt und die Pflanze so vor dem Fraßschädling schützen soll.

Frage: Eine Art eingebaute Giftspritze?

Schoknecht: Wenn Sie so wollen. Derartige Kombinationen von Pflanze und Tier sind mit herkömmlicher Züchtung unmöglich. Ausgangspunkt der Gentechnik ist die Erkenntnis, dass allem Leben ein gleichartiger Code, die DNA, zu Grunde liegt. Erbanlagen von Pflanzen, Tieren und Menschen lassen sich analysieren und manipulieren und neu kombinieren. Die Fantasie scheint da kaum noch Grenzen zu kennen.

Frage: Was kann der Verbraucher gegen die Gefahren der "Grünen Gentechnik" unternehmen?

Schoknecht: Erst einmal ist es wichtig, dass die Verbraucher umfassend über Chancen und Risiken der "Grünen Gentechnik" aufgeklärt werden. Das braucht Transparenz seitens der Forschung und Politik sowie ein reges Interesse auf Seiten der Konsumenten. Sie sind es letztlich, die mit dem Geldbeutel und ihrem Gewissen entscheiden, was im Einkaufskorb und auf dem heimischen Teller landet. Wir brauchen dringend eine neue Einstellung zu Lebensmitteln. Gleichzeitig sollten die Menschen der Politik ins Gewissen reden, sich nicht von falschen Versprechungen, sondern vom Willen der Bürger leiten zu lassen. Weit über 70 Prozent wollen die "Grüne Gentechnik" in unserem Land nicht und dennoch wird sie mit Milliarden gefördert. Auf der anderen Seite kann der ökologische Landbau die Nachfrage an Lebensmitteln nicht befriedigen, weil es nicht genügend Biobauern gibt. Da stimmt doch etwas nicht.

Frage: Welche Rolle sollte Ihrer Meinung nach die Kirche in der öffentlichen Diskussion einnehmen?

Schoknecht: Ich bin sehr froh darüber, dass die Kirchen das Thema "Bewahrung der Schöpfung" seit einigen Jahren sehr ernst nehmen. Das war nicht immer so. Die Kirche kann meines Erachtens mehrere Rollen in der aktuellen Debatte übernehmen. Sie ist im ländlichen Raum immer noch ein Pfeiler sozialen Friedens und sollte das Gespräch mit den Landwirten suchen, die mit dem Anbau von Bt-Mais liebäugeln. Wir wissen noch viel zu wenig, was Landwirte wirklich bewegt, welche Sorgen und Nöte sie haben und warum sie tatsächlich in die "Grüne Gentechnik" einsteigen wollen. Kirche ist eine weltumspannende Gemeinschaft. Sie weiß, welche negativen Folgen die "Grüne Gentechnik" in Indien, Asien und neuerdings auch in Afrika gebracht hat. Das muss den Leuten hier gesagt werden.

Frage: Ist die Kirche in Bayern als traditionell landwirtschaftlich geprägtem Land besonders gefordert?

Schoknecht: Gerade in Bayern verfügen die Kirchen über viele Ländereien, die zum Großteil verpachtet sind. Denkbar wäre eine vertragliche Regelung, die den Anbau gentechnisch manipulierter Sorten aus Rücksicht auf Natur und Umwelt untersagt. Gleichzeitig - und das liegt mir natürlich besonders am Herzen - muss die Bildungsarbeit in Sachen "Behutsamer Umgang mit Gottes Schöpfung" in unseren Pfarreien intensiviert werden. Die geplante Aussaat von Gen-Mais in unserer Region wäre ein geeigneter Anlass, solche Prozesse erneut in Gang zu setzen.+++

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