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25.08.06 - Friedberg

Scharfe OVAG-Kritik an Minister: "Die seltsamen Methoden des Dr. RHIEL"

In ungewöhnlich scharfer Form hat heute der Vorstand der - auch für den Vogelsberg zuständigen - ovag Energie AG, Rainer Schwarz (bild links), den Hessischen Wirtschaftsminister Dr. Alois Rhiel (CDU) kritisiert und massive Vorwürfe erhoben. "Dr. Rhiel schadet den kommunalen Unternehmen“ sagte er und kündigte gleichzeitig an, dass auch im jahre 2007 für die Verbraucher der Strompreis steigen werde. „Der hessische Wirtschaftsminister Dr. Alois Rhiel hat bis zum heutigen Tag keine seiner Ankündigungen wahr gemacht, in Sachen Tarifpreisgenehmigung 2006 eine sachgerechte Entscheidung zu treffen“, erklärte Rainer Schwarz, Vorstand der ovag Energie AG, jetzt bei einem Gespräch mit Pressevertretern in Friedberg. Stattdessen erwecke der Minister weiterhin in der Öffentlichkeit den Eindruck, als habe er in Hessen einen „Preisstopp bis 2006“ durchgesetzt. Diese Art von Populismus könne unter keinem denkbaren Gesichtspunkt toleriert werden, sagte Schwarz.

Das Anliegen jedweder Politik müsse das gestalterische Element sein, was wiederum aktives Handeln voraussetze. Der „hessisches Strompreisstopp“ hingegen sei das genaue Gegenteil – nämlich die Verweigerung einer Entscheidung durch Unterlassen. Rainer Schwarz: „Kommunalen Energieversorgern fügt eben dieses Unterlassen großen Schaden zu. Daneben führt das nicht nachvollziehbare Verhalten zu einer deutlichen wettbewerblichen Schieflage in Hessen“

Diese Art „hessischer Energiepolitik“ könne die ovag Energie AG nicht länger hinnehmen und werde folgerichtig eine Untätigkeitsklage gegen das Wirtschaftsministerium erheben, gab Rainer Schwarz bekannt. Wenn man bewusst acht Monate einen Antrag, der zum 1. Januar 2006 hätte entschieden sein müssen, einfach liegen lasse, bleibt keine andere Wahl, so der Vorstand der ovag Energie AG. Die Vorgehensweise des hessischen Wirtschaftsministers habe aber sehr wohl Methode, was an seiner Regierungserklärung im Hessischen Landtag vom 20. Juni 2006 festgemacht werden könne. „Von rechtsstaatlichem Handeln kann hier nicht mehr gesprochen werden.“

"Nichts abgelehnt, sondern nur nicht bearbeitet"

Einige Punkte der Regierungserklärung seien daher besonders herauszuheben. In besagter Erklärung spreche Dr. Rhiel - bis heute - beispielsweise davon, er habe „rund die Hälfte der Strompreise abgelehnt“. Dazu Rainer Schwarz: „Dies ist falsch. Das Ministerium hat die Anträge von allen 50 hessischen Energieversorgern innerhalb der gesetzlichen Dreimonatsfrist einfach nicht bearbeitet. Dieses Verhalten ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schwer in Einklang zu bringen und hat dazu geführt, dass bisher von den Energieversorgungsunternehmen kein effektiver Rechtsweg beschritten werden konnte, der die Diskussion in den gebotenen sachlichen Rahmen hätte bringen können. Stattdessen lasse sich der Staatsminister als „Strompreis-Stopper“ feiern.

„Vom hessischen Strompreisstopp (sic) 2006 profitieren...kleine Gewerbetreibende“, so Dr. Rhiel im Juni im Landtag. Genau das Gegenteil sei richtig, erklärte Schwarz: Die „rechtswidrige Nichtbearbeitung“ der Strompreisanträge bei den tariflichen Kunden (in diesem Kundensegment übt das Ministerium nur noch bis Juli 2007 eine Art Kontrollfunktion aus) belaste gerade die kleineren und mittleren Unternehmen überproportional, weil die enorm gestiegenen Beschaffungskosten nur noch bei diesen Kunden marktkonform weiterbelastet werden können. Somit stehe fest, dass die Verweigerung einer Entscheidung über rechtzeitig gestellte Anträge dazu führe, dass insbesondere die kleineren und mittleren Unternehmen in unserer Region Nachteile befürchten müssen.

Wiederholt spreche Dr. Rhiel davon, dass es keinen Wettbewerb gebe, dass „künftig“ neue Stromanbieter „diskriminierungsfrei Zugang zu allen Stromnetzen erhielten“. Dies sei eine Unterstellung und völlig aus der Luft gegriffen. „Heute, und gerade darauf weisen insbesondere die Massenmedien und populäre Fernsehsendungen verstärkt hin – ist es so einfach wie noch nie, den Stromanbieter zu wechseln. Das funktioniert mit einer Postkarte und per Mausklick am Computer“, stellte Rainer Schwarz richtig. Den Behauptungen des Dr. Rhiel widersprächen allein schon die Zahlen: Seit der Marktöffnung im April 1998 haben rund zwölf Millionen Haushalte deutschlandweit günstigere Stromverträge abgeschlossen. Etwa zehn Millionen Haushaltskunden wählten ein günstigeres Produkt ihres bisherigen Stromlieferanten. Schließlich: In der Industrie haben bereits alle Kunden neue Verträge. Auch hier lässt die Wechselquote eindeutig einen funktionierenden Markt erkennen.

Wenn einem regionalen und kommunalen Unternehmen wie der ovag Energie AG, das sich dauerhaft Marketing-Aktionen anderer Anbieter ausgesetzt sieht, ein Großteil seiner Kunden treu bleibt, müsse die Prädikatisierung „fehlende Konkurrenz“ in den Bereich der Fabel verwiesen werden. Man könne viel mehr davon ausgehen, dass diese Kunden ganz einfach zufrieden sind, führte Rainer Schwarz aus.

Die Preise für 2007 stehen längst fest

Völlig daneben liege Dr. Rhiel auch, wenn er sich argumentativ auf die Strombörse berufe und erkläre durch kurzfristig sinkende Preise bestünde „Potenzial für sinkende Strompreise“, die 2007 realisiert werden müssten. Rainer Schwarz: „Einerseits müsste das Ministerium doch wissen, dass die Beschaffungszeiträume längerfristig und nicht kurzfristig angelegt sind und ein ’Drei-Tagestief’ an der Strombörse bei 362 ’Hochtagen’ nun wirklich nicht Preis bestimmend sein kann. Die für 2007 erforderliche Strommenge ist nach bestimmten Risikogesichtspunkten für die meisten Kunden zu einem Großteil schon lange vorher bestellt worden und damit auch für die Preisbildung 2007 maßgeblich. Trotz der sehr erfolgreichen Beschaffungspolitik seien die Strombeschaffungskosten der ovag Energie AG im Vergleich zu 2001 um 70 Millionen Euro in die Höhe geschossen. „Wie wir diesen Anstieg als regionaler Versorger ohne jegliche Preisanpassung verkraften sollen – das weiß nur Dr. Rhiel“, so Schwarz.

Nicht sachgerecht sei es, wenn Dr. Rhiel wiederholt die regionalen Vertreter mit dem von der Politik geschaffenen Oligopol der Energieerzeuger (RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall) in einen Topf werfe. „Der regionale Energieversorger hat keine oder vergleichsweise geringe Erzeugungskapazitäten. Er ist deshalb nahezu vollständig auf den Einkauf von Vorlieferanten oder den Stromhandelsplattformen angewiesen. Damit besteht für die regionalen Energieversorger nur eine sehr begrenzte Einflussnahme auf die Beschaffungskosten“, korrigiert Rainer Schwarz. Dennoch tituliere Dr. Rhiel, die regionalen Stromversorger als „Abzocker“. „Solche Formulierungen von Amtspersonen sprechen eigentlich für sich“, urteilte Rainer Schwarz. Objektivität einer Behörde könne man das jedenfalls nicht nennen.

In einem viel zu geringen Umfang sei Dr. Rhiel in seiner Regierungserklärung auf jene staatlichen Beiträge eingegangen, welche den Strompreis massiv belasteten. „Das sind immerhin 40 Prozent. Die indirekt entstandenen Mehrkosten durch die staatliche Einführung des Handels mit CO2 - Zertifikaten ist hier noch nicht einmal eingerechnet. Dann kommt man locker auf über 50 Prozent.“ Das sei eine von der „Politik beeinflussbare Größe“. Was nur selten publiziert werde: „Die Netto-Strompreise ohne staatliche Belastung waren auch 2005 um zwölf Prozent niedriger als 1998 im Jahr der Liberalisierung.“

Entgegen besseren Wissens wolle Dr. Rhiel nach wie vor Glauben machen, über den Strompreis finanzierten die „Kommunalen“ den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). „Das ist eine grobe Irreführung“, so Schwarz. „Der Strompreis ist ein Marktpreis, so dass die Energieversorger immer nur diesen Preis am Markt durchsetzen können. Dies müsse eigentlich jedermann einleuchten. Würden wir die Busse tatsächlich über den Strompreis subventionieren, explodiere der Strompreis derart, dass wir nicht mehr wettbewerbsfähig wären.“ Dr. Rhiel verwechsle in diesem Zusammenhang die Begriffe Gewinnerzielung mit Gewinnverwendung. Die kommunalen Eigentümer (mithin die Landkreise Wetterau, Vogelsberg und Gießen) finanzieren nämlich mit den erhaltenen Dividenden den ÖPNV, also mit originären Kreisgeldern. Lediglich ein staatlich gewollter zusätzlicher Steuervorteil komme zur Finanzierung des ÖPNV dem öffentlichen Aufgabenträger zu Gute - das habe mit den Strompreisen aber nicht im Entferntesten zu tun. Unabhängig davon schreibe der Zweckverband Oberhessische Versorgungsbetriebe (ZOV) alle seine Verkehre aus, habe bereits sehr früh die europaweit geltenden Vorschriften umgesetzt, ganz im Sinne eines modernen Unternehmens.

Binsenweisheit

„Klassischer Populismus“ gelte für einen weiteren Punkt, welcher augenscheinlich Emotionen wecken und die Menschen gegen die kommunalen Energieversorger aufbringe:. „Geringverdiener und Familien trifft die überhöhte Stromrechnung aber viel stärker als Haushalte mit besserem Einkommen.“

Abgesehen davon, dass es sich bei diesem Zitat aus der Regierungserklärung um eine pure Binsenweisheit handele, verweist Rainer Schwarz abermals darauf, dass die ovag Energie AG für 2006 eine Preisanpassung von lediglich 4,4 Prozent beantragt habe; die Heizölpreise im selben Jahr hingegen um 34 Prozent, die Erdgaspreise durchschnittlich um 29 Prozent gestiegen seien. „Ich frage mich allen Ernstes, wie solche ’amtlichen Äußerungen’ mit den Prinzipien unserer geltenden Wirtschaftsordnung zu vereinbaren sind. Diese Bemerkung Dr. Rhiels trifft im Übrigen auf alle Produkte des freien Wettbewerbs zu.“

Die Unterstützung sozial benachteiligter Menschen sei ausschließlich die Aufgabe des Staates über das vorhandene fein gewobene „soziale Netz“. Besonders pikant daran sei, dass gerade diese soziale Aufwendungen überwiegend von der „kommunalen Familie“ geschultert werden müssen. Dies durch „politische Eingriffe“ in den geregelten Strommarkt realisieren zu wollen, sei ein abenteuerliches Unterfangen.

Abschließend hielt Rainer Schwarz fest:

- „Die Politik von Dr. Rhiel stärkt das Oligopol des Strommarktes, schwächt die regionalen und kommunalen Versorger vor Ort.“

- „Niedrigere Ausschüttungen führen zu höheren Kreisumlagen und damit zu einer Schwächung der Kommunalfinanzen.“

- „Die wirtschaftliche Basis von kommunalen Energieversorgern ist in hohem Maße gefährdet.“

- „Dr. Rhiel weckt falsche Hoffnungen bei den Menschen auf fallende Strompreise. Die Strompreise haben eine nationale und europäische Dimension und die Preise werden weder in Wiesbaden noch in Friedberg bestimmt.“

- „Die hier betriebene Politik ist nicht sachlich und führt damit zwangsläufig zu einem großen Vertrauensverlust aller Beteiligten.“

- „Wettbewerb wird nicht gefördert, sondern geradezu verhindert. Denn die ‚staatlich verordneten’ Strompreise sind nicht kostendeckend und führen zwangsläufig zu einseitigen Belastungen aller übrigen Kunden, die nicht Haushaltskunden sind, denn mit Verlusten wird niemand auf Dauer Strom verkaufen.“

- „Die derzeit eingeschlagene Politik des Ministers belaste vor allem auch kleinere und mittlere Unternehmen, weil die ’beabsichtigte Subvention für Tarifkunden’ zwangsläufig bei den anderen Kundengruppen zu veränderten Marktpreisen führt.“

- „Die Absenkung der C02-Zertifikate auf 85 Prozent von 2008 bis 2012 lässt eine weitere staatlich verordnete Preisexplosion befürchten.“

- „Auch bei der EEG-Abgabe (erneuerbare Energien) ist der Staat Preistreiber. Die Belastung der Kunden wird sich von gegenwärtig 4,4 Milliarden Euro auf 8,8 Millionen Euro im Jahr 2011 verdoppeln. Diese Subvention ist höher als die gegenwärtige Steinkohle-Subvention.“

- „Deshalb wollen wir unseren Kunden ‚reinen Wein’ einschenken.“

- „Niemand kann bei den derzeitigen energiepolitischen Rahmenbedingungen auf fallende Preise setzen“. Daran ändere auch nichts die Regulierung der Netznutzungsentgelte. Das Gegenteil ist der Fall. Allein die Mehrwertsteuer – eine Verbrauchssteuer – „beschere zum 1. Januar 2007 definitiv eine 3 % ige Belastung der Privathaushalte.“

- „Die ovag Energie AG kann aber eines: im wettbewerblichen Umfeld seinen Kunden die ‚besten Preise’ anbieten. Wir haben das nötige Handwerkszeug, um uns besser als der Durchschnitt am Beschaffungsmarkt, ganz im Interesse unsere Kunden, einzudecken.“ +++

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