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Umzug vor dem Gemeindehaus, in der Bildmitte die neue Torarolle

- Alle Fotos: Martin Angelstein

19.03.07 - Fulda

Seltenes Fest und großer Tag für jüdische Gemeinde: neue Torarolle erhalten

Es war ein ganz und gar ungewöhnliches Ereignis, das sich am gestrigen Sonntagnachmittag im jüdischen Gemeindezentrum abspielte. Und die Anwesenheit von etwa 100 Mitgliedern der Gemeinde, auswärtigen Besuchern sowie des katholischen Bischofs Heinz Josef Algermissen und des evangelischen Dekans Bengt Seeberg machten dies umso deutlicher: Gefeiert wurde die Übergabe und Vollendung einer neuen Torarolle. Diese "Gebetsrolle" aus Pergament enthält den Text für fünf Bücher Mose und gilt als der wertvollste Besitz jeder jüdischen Gemeinde. Eigens aus Strassburg reiste ein Rabbiner an, der die neue Tora-Rolle "fertig schrieb" und damit "vollendete".

Diese "Vollendung" ist ganz genau vorgeschrieben und dauerte fast eine Stunde, denn die Tora wird "unfertig" gebracht. Was fehlte waren die letzten zwölf Buchstaben des 5. Buch Mose. Und diese müssen exakt geschrieben werden, die Schreibweise jedes einzelnen Buchstabens mit einem richtigen Gänsekiel ist genau festgelegt. Der kleinste Schreibfehler würde die betroffene Rolle für den rituellen Gebrauch untauglich machen. Übrigens: die zwölf Buchstaben ergeben die Worte: "Vor den Augen von ganz Israel". Ein solcher Anlass ist nicht nur sehr selten, sondern eine Tora-Rolle kostet ca. 12.000 Euro. Ermöglichst wurde die Anschaffung dieser dritten Tora-Rolle für Fulda durch die Fuldaer Rotarier, die kürzlich eine Spende von 10.000 Euro machten (Osthessen-News berichtete).

Als Zeichen der großen Verehrung der Juden für das Wort Gottes werden die Tora-Rollen mit üppiger Pracht verziert und ausgestattet. Die Tora-Rolle wird auf zwei Stäbe aufgewickelt, ein solcher Stab wird als Baum des Lebens (Ez Chajim) bezeichnet. Die Rolle selbst ist mit einem speziellen Tuch (Mappa) umhüllt, darüber deckt sich der reichbestickten Mantel (Me'il), auf dem die Worte "Höre Israel - mit großer Liebe hast du uns geliebt" zu lesen sind.

Geschmückt werden die Tora-Rollen mit einem Schild (Tass), beliebte Motive darauf sind der Löwe, das Symbol des Stammes Juda, und die beiden Säulen Boas („in ihm ist Kraft“) und Jachin („er steht fest“), die an der Vorhalle des Ersten Tempels standen. Der Deuter (Jad), ein Stab, an dessen Ende sich eine kleine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger befindet, dient als Lesehilfe. Außerdem wird auf diese Weise vermieden, daß die kostbaren Handschriften vom Finger des daraus Vorlesenden berührt und nach längerem Gebrauch beschädigt werden. Zum weiteren Schmuck der Rollen dienen eine Krone (Kether) oder – je nach Anlaß – ein Aufsatz (Rimonim = Granatäpfel) von unterschiedlichster Ausführung, meist versehen mit Glöckchen – als Reminiszenz an die Kleidung der Hohenpriester, die ebenfalls mit Glöckchen verziert war.

Tass, Jad, Kether und Rimonim sind meist aus Silber gefertigt. Zur Herstellung der etwa ein Meter hohen Tora-Rollen dürfen vom Schreiber (Sofer) nur speziell für diesen Zweck von Hand gefertigte Pergamente aus der Haut rituell reiner Tiere, Gänsekiele und Tinten ohne metallische Zusätze verwendet werden. Die Tora-Lesung (hrv{h [ayrq, Keriat ha-Tora) geschieht viermal wöchentlich: am Schabbat im Schacharit- (Morgen) und Mincha- (Mittag) –Gebet, sowie am Montag und Donnerstag beim Morgengebet. Hinzu kommen auch noch die hohen Fest- und Feiertage, an denen ebenfalls aus der Tora gelesen wird.

Und nach dem feierlichen Akt in der viel zu kleinen Synagoge im 1. Stock zogen die Gemeindemitglieder um das jüdische Gemeindezentrum, sangen und klatschten vor Freude. Die neue Tora-Rolle wurde dabei "wie eine Braut" zweimal um das Haus getragen.

"Ich wünsche mir, dass es die jüdische Gemeinde noch lange gibt" sagte Linde Weiland, die vor wenigen Wochen nach nach über 20-jähriger Tätigkeit das Amt der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde abgegeben hat. Grüße des jüdischen Landesverbandes überbrachte auch Esther Haß (Kassel), die von einem "neuen Schatz Israels" sprach, der jetzt seinen Platz im Fuldaer Tora-Schrein finde. (ma) +++

















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