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Medien und Wahrheit... - Fotos: Daniel Kister

... über dieses Thema diskutierten gestern Abend der Soziologie-Professor von der Fuldaer Hochschule Prof. Dr. Erich Ott...

04.09.08 - Fulda

Anzeigenkunden, Äffchen & Einflüsse - attac-Podium zu Wahrheit in Medien

„Es bleibt Ihnen überlassen, mir zu glauben oder nicht“, sagt der Journalist, der für sich in Anspruch nimmt, sich seiner beruflichen Verantwortung bewusst zu sein. „Es gibt koordinierte Aktivitäten von Anzeigenkunden, um die Medien gefügig zu machen. Unternehmen wirken auf den Verlag ein“, konstatiert der Professor. „Ich mache schon gar kein Fernsehen mehr an, weil ich eh nichts mehr glauben kann“, berichtet eine Zuhörerin.

Drei Zitate aus einer Diskussion, die gestern Abend in der Red Corridor Gallery in Fulda gesagt wurden. Zwischen den drei Zitaten sprachen Journalist und Professor mit dem Publikum rund zweieinhalb Stunden über das Thema „Medien und Wahrheit“. Der Journalist ist Thorsten Peters, Leiter des hr-Fernsehstudios in Kassel, Erich Ott Soziologieprofessor an der Hochschule Fulda und die Zuhörerin war eine von rund 50 Interessierten, die gestern zu der Diskussionsveranstaltung der Fuldaer attac-Gruppe gekommen waren.

In einer Theatereinlage problematisierten attac-Mitglieder zu Beginn das Thema Pressefreiheit. Professor Ott leitete mit einem Referat zur Geschichte in die Diskussion ein. Nach der gleichgeschalteten Presse in der Nazizeit werde heute die Pressefreiheit in der Verfassung garantiert. Das Verbot der Zensur sei aber ein „sehr verengtes Element“, weil es sich bloß auf die staatliche Zensur beschränke.

„Nach dem zweiten Weltkrieg griffen die Alliierten in die deutsche Presselandschaft ein“, erklärte der Soziologieprofessor. Sie hätten Lizenzen vergeben, ohne die keine Zeitung veröffentlicht werden durfte. Als Deutschland 1949 selbstständig wurde, sei die „große Stunde der Zeitungsverleger gekommen“. Ihr Primärziel sei der Gewinn gewesen – „wie bei einer Socken- oder Autofabrik“. Ab diesem Punkt habe das Übel der privaten Medienlandschaft begonnen, das sich in der Folgezeit konzentriert habe.

Innere Pressefreiheit ...

Die Studentenbewegung habe diesen Zuammenhang erstmals problematisiert. Der äußeren Pressefreiheit - wie sie im Grundgesetz garantiert ist - müsse eine innere Pressefreiheit folgen. Diese innere Pressefreiheit meint - so Ott - die Freiheit der Journalisten von den Verlagen. „In Redaktionsstatuten wurde diese inhaltliche Freiheit und die Unabhängigkeit vom Verleger ausgehandelt“, erklärte Professor Ott. Er sprach von einer „revolutionären Bewegung“, die heute allerdings kaum noch Bedeutung habe. Die heute noch gültigen Redaktionsstatuten bestünden nur deshalb, weil sie rechtlich nicht auszuhebeln seien.

... „heute nur noch punktuell vorhanden“

„Die innere Pressefreiheit haben wir nur noch punktuell“, lautete die ernüchternde Einschätzung des Professors. Von einer weitgehenden Gleichschaltung will Ott aber nicht sprechen, „weil es kritische Journalisten gibt“. Diese hätten aber unter Druckmitteln zu leiden. Die Werbeanzeigen in den Printmedien seien zum zentralen Element der Finanzierung geworden. „Unternehmen dulden keine Kritik an sich“, sagte Ott. Und: „Es gibt koordinierte Aktivitäten von Anzeigenkunden, um die Medien gefügig zu machen. Unternehmen wirken auf den Verlag ein.“ Daraus entwickele sich leicht ein „Automatismus der Anpassung“.

„Jeder ist verführbar“

„Man muss sich darüber im klaren sein“, gab hr-Studioleiter Thorsten Peters in seinem Statement zu bedenken, „dass man über Menschen redet, wenn man über Medien redet und auch richtet.“ Hier spielten etwa Ängste und Sorgen eine Rolle. Als Journalist müsse man immer jemandem auf dem Fuß stehen. Die Kunst sei es, den Mittelweg zu finden. „Aber jeder ist verführbar.“ Angesichts von Versuchen der persönlichen Vereinnahmung dürfe man sich nicht zu schnell gemein machen. Dies sei mitunter sehr schwer. „Manche versuchen eine ´kumpelhafte Nummer´ und nachher merkt man, die wollen was“, veranschaulichte er. Besonders plump sei die versuchte Einflussnahme etwa, wenn von Firmen fertig produzierte Fernsehbeiträge geliefert würden.

„Wir müssen dem Einfluss widerstehen“

„Aber was bewerte ich als Einfluss?“, fragte der Journalist rhetorisch in die Zuhörerrunde. „Ist es schon das Gespräch mit dem befreundeten Redakteur? Oder mit dem Intendanten?“ Letztlich sei jede Pressemitteilung eine politische Einflussnahme. „Und auch attac jubelt, wenn eine Pressemitteilung eins zu eins veröffentlicht wird.“ Entscheidend sei, wie der einzelne Journalist selbst handelt. Und diese Freiheit sei zumindest in seinem Haus groß. „Wir müssen dem Einfluss widerstehen“, sagte Peters: „Das klappt mal besser und mal schlechter.“ Er könne nur für sich sprechen. Selbst sei er sich seiner Verantwortung aber bewusst: „Es ist Ihnen überlassen, mir zu glauben oder nicht.“

Fragen und Kritik des Publikums

Einige Zuschauer nutzten die Podiumsdiskussion, um ihre Fragen und ihre Kritik los zu werden. „Zu viel Unterhaltung im öffentlichen Fernsehen“, befand eine Zuhörerin. Ein andere fragte sich, warum ein Thema immer als „Welle durch die Medien geht“. „Gibt es zu wenig Möglichkeiten, eigenes zu generieren?“ Die Linke werde in den Medien generell verteufelt und als „böse Kommunisten“ dargestellt, waren sich einige Zuhörer einig. Eine langfristige Gefahr für die Demokratie sah ein Zuhörer darin, dass die privaten Medien in immer größerem Umfang genutzt würden. „Ich mache schon gar kein Fernsehen mehr an, weil ich eh nichts mehr glauben kann“, sagte eine Zuhörerin und ein anderer: „Die Leute werden durch die Medien programmiert wie Äffchen.“ Wieder eine andere Zuhörerin schlug vor, Pressemitteilungen auch als solche zu kennzeichnen.

Eine breite Informationsbeschaffung sei mühsam und würde einen halben Arbeitstag in Anspruch nehmen, fand Professor Ott: „Aber diejenigen, die informiert sein wollen, kommen nicht darum herum, sich die Infos aus der Fülle des Angebots herauszuholen." Dabei spielten auch die alternativen Informationswege eine wichtige Rolle. Als eine solche Quelle empfahl der Professor das Buch „Die Deutschlandakte“ von Jürgen Roth. „Das ist ein Stück Hoffnung“, befand er, auch wenn vielleicht 98 Prozent der Bevölkerung diesen „ausgesprochen schwierigen Weg“ der Informationsbeschaffung nicht gehen wollten. Es gebe immer mehr Menschen, die kritisch seien. Das werde Rückwirkungen auf die Medien haben. „Bleiben Sie kritisch“, mahnte Ott. (Daniel Kister) +++


... und der Journalist Thorsten Peters, der das Fensehstudio des Hessischen Rundfunks in Kassel leitet.

Rund 50 Gäste verfolgten die Diskussion...


... die von der Fuldaer attac-Gruppe veranstaltet wurde.

Der Abend begann mit einer kurzen Theatereinlage






"Ich kann viele Studenten verstehen, die sagen, die regionale Tageszeitung mute ich mir nicht zu - gerade wenn man keinen persönlichen Bezug zu den Todesanzeigen hat", sagte Professor Dr. Erich Ott.

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