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Die „Luchsexperten“ Michael Zohner, Gerd Bauer, Reiner Koch und Dr. Bernd Ott (v.links) vor einem ausgestopften Luchs

- Fotos: Dieter Graulich

15.11.10 - SCHOTTEN

Luchs bald zurück im Vogelsberg? - große Resonanz bei Vortrag im Forstamt

Mit einem Highlight hat das "Schottener Forum" sein Winter 2010 / Frühjahr 2011 Programm gestartet. Knapp über 100 Teilnehmer kamen in der vergangenen Woche in die Mehrzweckhalle des Forstamts Schotten um den Vortrag „Der Luchs im Vogelsberg“ zu hören. Fortsamtsleiter Dr. Bernd Ott zeigte sich erfreut über die hohe Besucherzahl, die deutlich belege, dass das Interesse an der Veranstaltungsreihe „Schottener Forum“ mit seinen aktuellen Themen, wie zum Beispiel beim Luchs im Vogelsberg, sehr groß sei. Mit Reiner Koch, Michael Zohner (beide Forstamt Schotten) und Gerd Bauer vom Arbeitskreis Hessenluchs, standen diesmal gleich drei Referenten zur Verfügung.

Im internationalen Jahr der Biodiversität würden von allen Forstämtern von „Hessen-Forst“ Artenpatenschaften aufgebaut. Diese beziehen sich auf eine Tier- oder Pflanzenart, oder einen besonderen Lebensraum, war von Reiner Koch zu hören. Nach eingehender Erörterung aller Aspekte sei im Kreis der Forstamtsleitung und zusammen mit dem Naturpark die Entscheidung für den Luchs als Patenart gefallen. Sein Vorkommen im Vogelsberg sei bisher nur mit wenigen, mehr oder weniger gesicherten Beobachtungen belegt. Es liege die Vermutung nahe, dass einzelne Exemplare eingewandert seien.

Der Luchs habe von den durch die Landesbetriebsleitung vorgeschlagenen Tierarten die meisten Defizite und bis dato die schwächste Lobby im Vogelsberg. Auch seien die Vorstellungen vom Luchs und seiner Lebensweise bei vielen Menschen nur sehr verschwommen vorhanden. Unterschwellige Ängste, basierend auf weitgehender Unwissenheit und Unsicherheit, würden von Teilen der Bevölkerung sowie verschiedenen Gruppen von Naturnutzern gehegt. Dies solle durch die Übernahme der Patenschaft geändert werden.

Koch betonte: „Wir haben den Lebensraum für den Luchs in unserer Kulturlandschaft und würden ihm gerne langfristig seinen Platz in der Wildbahn des Vogelsberges zurückgeben!“ Dauerhaft werde das nur möglich sein, wenn Kompromisse im Zusammenleben von Mensch und Luchs erarbeitet und in die Praxis umgesetzt würden. Eine Zusammenarbeit solle mit dem bereits bestehenden „Luchs-Hegering Vogelsberg“, der einheimischen Jägerschaft, den Schafzüchtern und der „AG Hessen-Luchs“ auf Landesebene erfolgen. Auf Forstamtsebene sei eine Arbeitsgruppe „Luchs“ gegründet worden, der Dr. Bernd Ott, Michael Zohner, Axel Rockel, Rolf Frischmuth und er selbst angehörten.

„Der Luchs, seit 1850 in Deutschland ausgerottet, hat ein Angestammtes Recht, einen legitimen Platz in der Tierwelt unserer Landschaft zu besetzen“, so Koch. Auf die Frage eingehend, ob der Lebensraum Vogelsberg für den Luchs geeignet sei, meinte Koch, dass nach Rücksprache mit Fachleuten, dies bejaht werden könne. Der Großraum Vogelsberg umfasse eine Fläche von etwa 2.300 Quadratkilometer, die nicht von Autobahnen oder Schnellbahntrassen zerschnitten ist. Davon sei eine Fläche von 1.500 Quadratkilometer absolut für den Luchs nutzbar und es könnten hier drei bis vier männliche Luchse (Kuder) und cirka sechs bis acht weibliche Luchse leben.

Beutetiere, wie Rehe und andere Kleinsäuger, seien in der abwechslungsreichen Struktur des Vogelsberges reichlich vorhanden. Seine Ansprüche an die Jagd- und Rückzugsmöglichkeiten würden im Vogelsberg geradezu ideal erfüllt. Nachbarpopulationen, die zum genetischen Austausch und damit zum Überleben eines Luchsbestandes notwendig seien, etablierten sich zurzeit im Spessart und im Taunus.

Auf die Gefahren für Menschen eingehend wies er darauf hin, dass das Verhältnis zum Menschen eher distanziert sei und er, anders als Fuchs und Marder, menschliche Ansiedlungen meide. Er sei von Natur aus scheu und damit in der Regel für Menschen „unsichtbar“. Aggressiv oder gar gefährlich gegenüber Menschen werde er keinesfalls. Eine Begegnung zwischen Mensch und Luchs stelle einen echten Glücksfall dar und sollte ohne Ängste genossen werden.

Es werde nun mit dem Aufbau eines großflächigen und systematischen Monitorings im Forstamt begonnen, um möglichst viele Indizien zur Erfassung des tatsächlichen Luchsbestandes zu sammeln. Zehn Fotofallen sollen an ausgesuchten und mit Lockstoffen und Reibestöcken präparierten Plätzen oder frisch gerissenen Stücken installiert werden. Auf SD-Karten gespeicherte Bilder sollen ausgewertet und eventuell abgestreifte Haare genetisch untersucht werden. „Wir haben in der kurzen Zeit unserer Artenpatenschaft viel über den Luchs gelernt. Er ist uns dabei ans Herz gewachsen und wir nennen ihn in unserem Hause nur noch liebevoll „Don Cato“. Wir wollen „Don Cato“ im Vogelsberg eine Heimat bieten, und damit unserer Region ein Stück Natürlichkeit zurückgeben“, so Koch abschließend.

Michael Zohner war zu Beginn der Veranstaltung auf die Begriffe Natura 2000 und Biodiversität eingegangen. So sei der Vogelsberg Hessens größtes Natura 2000 Gebiet. Insgesamt 108 Tier- und Pflanzen- sowie 140 Vogelarten fielen unter die Natura 2000 Arten in Hessen. Als Beispiele nannte er die Schlucht- und Hangmischwälder, den Waldmeister-Buchenwald, Frauenschuh, Grünes Besenmoos und den Schwarzen Apollo. Unter Biodiversität verstehe man die Vielfalt der Lebensräume und der Arten sowie die „genetische“ Vielfalt innerhalb der Arten. Im Bereich des Forstamts Schotten werde die Biodiversität durch die Umsetzung der neuen Naturschutzleitlinie für den Staatswald und die Übernahme der Artenpatenschaft für den Luchs umgesetzt.

Ausführliche Informationen über den Luchs selbst und dessen Verbreitungsgebiets gab es dann von Gerd Bauer. Insgesamt 76 Luchsmeldungen gebe es im Werra-Meißner-Kreis, 39 im Main-Kinzig-Kreis, 32 im Lahn-Dill-Kreis und dann folge bereits der Vogelsberg zusammen mit dem Odenwald mit je 31. Bauer bat eindringlich Luchsmeldungen unmittelbar an die jeweils zuständigen Luchsbeauftragten weiter zu leiten. Informationen seien unter www.luchs-in-hessen.de erhältlich.Bei der abschließenden Diskussion gab es lediglich eine Wortmeldung, bei der Bedenken der traditionellen Jägerschaft über einen Rückgang des Rehwildes und dadurch einer Minderung der Jagdpacht zur Sprache kamen. Alle weiteren Redner begrüßten die Rückkehr des Luchses in den Vogelsberg.(gr)+++


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