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01.07.09 - REGION

Bürgerinitiative fordert Moratorium und Entscheidung/Anhörung der EU-Kommission

Die Bürgerinitiative (BI) “Keine Trasse Fulda-Meiningen” appelliert an die Abgeordneten der Regionalversammlung, am morgigen Donnerstag der Aufnahme der B87n in den Regionalplan Nordhessen wegen gravierender Rechtsfehler nicht zuzustimmen.

Nach Angabe des Hessischen Verkehrsministeriums war die zuvor erfolgte Ablehnung dieser geplanten Straßenverbindung seitens der Ausschüsse der Regionalversammlung rechtswidrig, weil im Landesentwicklungsplan für Hessen aus dem Jahr 2000 die Schaffung einer “leistungsfähigen Fernstraßenverbindung Fulda mit Anschluss an die A7 und Meiningen” festgeschrieben ist. Dem hält die BI entgegen, dass dieser Landesentwicklungsplan gegen das Recht der europäischen Gemeinschaft, nämlich die Flora-Fauna-Habitat Richtlinie und die EU Vogelschutzrichtlinie verstößt. Denn die B87n würde das Flora-Fauna-Habitat(FFH)-Gebiet Ulsteraue queren und das streng geschützte Vogelschutzgebiet “Hessische Rhön” zerschneiden und damit das Ziel eines kohärenten Netzes von Schutzgebieten missachten.

Nach der EU-Vogelschutzrichtlinie sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Maßnahmen zur Erhaltung der Lebensräume wildlebender Vogelarten zu treffen. Gegenüber diesem europäischen Planungsauftrag haben auch die Interessen der (Verkehrs-)Wirtschaft zurückzustehen. Das haben, so der die BI beratende Rechtsanwalt Matthias Möller-Meinecke, “der Europäische Gerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht im Streit um Schutzgebiete von europäischem Rang mehrfach entschieden. Mit Blick auf die Erhaltungsziele des FFH-oder Vogelschutz-Gebiets stellt allein der günstige Erhaltungszustand der geschützten Lebensräume und Arten ein geeignetes Bewertungskriterium dar, wenn die vorrangig naturschutzfachliche Fragestellung zu beantworten ist, ob ein Straßenbauvorhaben das Gebiet erheblich beeinträchtigt. Zu prüfen ist, ob sicher ist, dass ein günstiger Erhaltungszustand trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben wird. In Ansehung des Vorsorgegrundsatzes (Art. 6 Abs. 3 FFH-RL) ist die objektive Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr erheblicher Beeinträchtigungen im Grundsatz nicht anders einzustufen als die Gewissheit eines Schadens. Wenn bei einem Vorhaben aufgrund der Vorprüfung ernsthaft die Besorgnis nachteiliger Auswirkungen entstanden ist, kann dieser Verdacht nur durch eine schlüssige naturschutzfachliche Argumentation ausgeräumt werden, mit der ein Gegenbeweis geführt wird.”

Der abschließenden Aussage in der landesplanerischen Beurteilung zur Rhönquerung, dass mit den gewählten Varianten E IV-1 in Thüringen und A IV-2L in Hessen “in diesem landschaftlich und naturschutzfachlich hoch sensiblen Raum” eine Trassenführung gefunden worden sei, die raum- und umweltverträglich sei und erhebliche Beeinträchtigungen der FFH- und Vogelschutzgebiete vermeide, widerspricht die BI. Denn zugleich ist in der Beurteilung auf Seite 91 formuliert, dass “ein sicherer Ausschluss einer erheblichen Beeinträchtigung des betroffenen Vogelschutzgebietes aufgrund der unzureichenden Datenlage beim jetzigen Kenntnisstand nicht möglich” sei.

Die damit dokumentierte Gefahr erheblicher Beeinträchtigung “steht bis zum Gegenbeweis der Aufnahme der B 87n in den Regionalplan entgegen”, erläuterte Möller. Die für das Planfeststellungsverfahren angeordneten “weiteren Untersuchungen und gegebenenfalls Schutz- und Vermeidungsmaßnahmen sind kein Gegenbeweis, sondern Planungskosmetik”. Der Regionalplan schaffe insoweit vollendete Tatsachen, weil damit auch über die Verträglichkeit der Straße mit den Zielen des Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000" zu entscheiden ist. “Das Drängen auf eine rasche Aufnahme der B87n in den Regionalplan – allen Hindernissen wie der Ablehnung der Stadt Tann zum Trotz – lassen den Verdacht aufkommen, dass auch die Untersuchungen im Vogelschutzgebiet nicht ergebnisoffen geführt werden”, kritisiert die BI-Sprecherin Sandra Limpert: “Sonst wäre es folgerichtig, zunächst das Ergebnis des laufenden Monitorings abzuwarten.” Die Bürgerinitiative fordert 1. ein Moratorium und eine Vertagung der Entscheidung der Planungsversammlung, 2. die Einholung einer Entscheidung bzw. Stellungnahme der EU-Kommission zur Verträglichkeitsprüfung für die B 87n.

Das begründet sich auch aus dem Gebot der Sparsamkeit der öffentlichen Haushaltsführung. Wenn die Erhaltungsziele des Vogelschutzgebietes “Hessische Rhön” durch die B 87n gefährdet werden, sind weitere Planungskosten für die Bundesfernstraße eine Verschwendung von Steuergeldern.

Ihre Forderung nach Einholung einer Weisung der EU-Kommission stützt die BI auch auf zahlreiche unabhängige Naturschutz-Experten. Beispielsweise warnt die Stiftung Europäisches Naturerbe:“Die geplante Streckenführung Fulda-Tann-Meiningen würde die Zerschneidung und teilweise Zerstörung mehrerer Naturgebiete von europäischer Bedeutung nach sich ziehen.” Dr. Wolfgang Dorow vom Forschungsinstitut Senckenberg (Frankfurt/Main) kritisiert: “Als Wissenschaftler konnte ich mir ein Bild vom Artenreichtum in dieser Region machen. Dass die geplante Trasse ausgerechnet mehrere aus Naturschutzsicht besonders bedeutsame Bereiche unwiderruflich zerstören würde, ist für mich völlig unverständlich: Haben doch die Regierenden beschlossen, dem Artensterben in den kommenden Jahren wirksam entgegenzutreten. Auch würde mit der Zerstörung solch bedeutsamer Naturschutz-Areale der Gedanke des Biosphärenreservates pervertiert.”

Weitere Proteste kommen beispielsweise von dem Projekt “Rhön im Fluss” der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, von Prof. Dr. Harald Plachter (Philipps-Universität Marburg), Prof. Dr. Erich Ott (Hochschule Fulda), der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland (Dr. Klaus Richarz), dem Deutschen Naturschutzring (Hubert Weinzierl), den Naturschutzverbänden und Naturschutzbeiräten von Hessen und Thüringen und den Unterzeichnern der Resolution “Keine Zerschneidung der Rhön” auf der XV. Internationalen Naturschutzfachtagung “Zoologischer und botanischer Artenschutz in Mitteleuropa” im November 2006 (u.a. Prof. Dr. Volker Schurig und Prof. Dr. Jakob Parzefall).

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