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31.10.08 - FULDA

Verwaltungsgericht Kassel: NPD darf marschieren - Stadt legt Beschwerde ein

Die NPD darf in Fulda aufmarschieren. Das Verwaltungsgericht (VG) Kassel hat heute die Verbotsverfügung der Stadt Fulda für rechtswidrig erklärt. Die 2. Kammer des Gerichts hat damit einem Eilantrag des Landesorganisationsleiters der NPD-Hessen stattgegeben.

In einer Mitteilung verweist das Gericht auf die "elementaren Bedeutung des Grundrechts der Versammlungs- und der Meinungsfreiheit". Deswegen müssten Versammlungsauflagen als mildere Mittel stets bis zur "Grenze des Möglichen" ausgenutzt werden, "um den Wesensgehalt der Versammlungs- und der Meinungsfreiheit nicht anzutasten". Diese Möglichkeiten hat der Oberbürgermeister der Stadt Fulda laut Verwaltungsgericht bisher nicht ausgeschöpft.

Stadt Fulda legt Beschwerde ein

Gegen den Gerichtsbeschluss ist laut VG wiederum die Beschwerde zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof gegeben. „Ich habe eben entschieden, dass wir Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen werden“, erklärte Fuldas Oberbürgermeister Gerhard Möller aktuell (Stand: 17.38 Uhr) auf Anfrage von osthessen-news. Dies geschehe unabhängig von den Erfolgsaussichten, sagte Möller. Gleichzeitig werde vorsorglich eine Auflagenverfügung vorbereitet. Neben einer ganzen Reihe von Verhaltensmaßregeln soll so auch der Weg der NPD-Demonstration vorgeschrieben werden. Ursprünglich wollten die Rechtsradikalen durch die Innenstadt ziehen. Laut Oberbürgermeister soll ihr Aufmarsch aber über den Zieherser Weg (hinter dem Bahnhof) und über die Petersberger Straße verlaufen.

„Denn wir haben ja auch Gegendemonstrationen und müssen dafür sorgen, dass die Gruppen sich nicht verkeilen oder aufeinander laufen“, erläutert Möller die Sicherheitsgründe. Demnach sind die Veranstaltungen des Aktionsbündnisses, das sich gegen den NPD-Aufmarsch gegründet hat, in der Unterstadt geplant.

Die Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel werde nächste Woche eingereicht. Außerdem würden noch weitere Absprachen mit der Polizei getroffen. Mit weiteren Informationen sei in der nächsten Woche zu rechnen.

Argumente der Stadt

Nachdem die Neonazis am 2. September eine Demonstration angemeldet hatten (osthessen-news berichtete exklusiv: http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1155940 ), hatte die Stadt Fulda eine Verbotsverfügung erteilt. ( http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1156733 ). Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass durch die erwarteten rund 150 Teilnehmer der Versammlung die Straftatbestände der Volksverhetzung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organe verwirklicht werden würden und zur Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung aufgerufen werde, argumentierte die Stadt in ihrer Begründung.

Darüber hinaus sei der Demonstrationsaufzug eine „unerträgliche Provokation“ für diejenigen, die am gleichen in Fulda an zahlreichen angemeldeten Veranstaltungen teilnähmen. So verwies die Stadt in ihrer Begründung unter anderem auf eine Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde Fulda zum Gedenken an die Opfer der Novemberpogrome des Jahres 1938 durch das NS-Regime. Außerdem hätten die Stadtverbände der CDU, FDP und SPD, Gewerkschaften, kulturelle und kirchliche Verbände Veranstaltungen angemeldet.

Begründung des Verwaltungsgerichts

Das Verwaltungsgericht ist der 26seitigen Begründung der Verbotsverfügung nicht gefolgt. Die Voraussetzungen des Paragraphen 15 Absatz 1 Versammlungsgesetz seien nicht gegeben. Danach könne die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet sei“. Soweit in der Verfügung davon ausgegangen werde, dass Straftaten begangen würden, erfordere die grundlegende Bedeutung der Versammlungsfreiheit, dass die Annahme, es würden Straftaten begangen, sich zu einer Gewissheit verdichten müsse. Dazu sei eine durch Tatsachen gesicherte Gefahrenprognose erforderlich. Die bloße Möglichkeit reiche nicht aus.

Zwar sei der zu erwartende Teilnehmerkreis der Demonstration dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. Doch ließen sich weder aus dem Teilnehmerkreis noch aus der Person des geplanten Hauptredners oder des Versammlungsleiters Rückschlüsse darauf ziehen, dass mit der Begehung von Straftaten sicher zu rechnen sei, heißt es in einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Kassel weiter.

Zwar sei richtig, dass der Tag der Demonstration sich in zeitlicher Nähe zur Reichspogromnacht befinde und die Art des geplanten Aufmarsches der Demonstrationsteilnehmer mit Fahnen, Spielmannszug und Trommeln an Naziauftritte im sogenannten Dritten Reich erinnere. Dadurch könne durchaus die Gefahr einer Provokationswirkung aufgrund der Symbolkraft der Reichspogromnacht und der verbrecherischen Taten der Nationalsozialisten bestehen. Es könnten andere in ihren sozialen und ethischen Anschauungen in „erheblicher Weise“ verletzt werden, erkannte die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts. Gleichzeitig entschied sie, dass dies nicht für ein Versammlungsverbot ausreiche.

Eine bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung – das heißt von ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzungen eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen werde – rechtfertige nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Allgemeinen ein Versammlungsverbot nicht. Im Übrigen könnten möglicherweise bestehenden Gefährdungslagen der öffentlichen Ordnung durch entsprechende Auflagen Genüge getan werden. +++

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