DIE NÄCHSTEN, BITTE! SCHLECKER zieht aus, PRÜFER verlässt Marktstraße

"Zieh aus, zieh ein - mit Feuerstein" lautete einstmals der Werbespruch einer alten Fuldaer Spedition. Und dieses Motto, so scheint es, befolgen nun Einzelhandelsgeschäfte und Filialen von bundesweiten Ketten in der Fuldaer Innenstadt. Wie wirkt sich der Standortwechsel von City-Läden aus? Aus welchen Gründen müssen alteingesessene Fachgeschäfte schließen? Wieso stehen in diesem Bereich etliche Läden leer oder finden nur schwer neue Mieter? Und: ist dies einfach nur "die übliche Fluktuation", Zeichen für eine immer schwierigere Wirtschaftslage der inhabergeführten Einzelgeschäfte oder Ausdruck eines größeren Strukturwandels? Diese Fragen stellen sich derzeit nicht nur Fuldaer Bürger und persönlich Betroffene.

Die Redaktion von osthessen-news hat sich in den vergangenen Wochen mehrfach mit diesem Thema beschäftigt. Und etwa über die Schließung von drei gastronomischen Betrieben (Café Flamme, Incontro, Moccaccino) oder die Bemühungen um die insolvente Buchhandlung Uptmoor berichtet. "In aller Stille" wurde auch das traditionsreiche Haushaltswarengeschäft "Präsent" der Familie Heumüller in diesem Jahr geschlossen. Und die Veränderungen gehen weiter.

Lesen Sie dazu auch die Berichte unter folgendem Link vom 20.09.2008:

1.) http://www.angelstein-tv.de/OsthessenNews/beitrag_C.php?id=1155778

...und KOMMENTAR: ""Cafe-Sterben" nur System für Verlust des "Alten Einzelhandels"

2.) http://www.angelstein-tv.de/OsthessenNews/beitrag_C.php?id=1155786

Am 13. Januar 2009 zieht die vermutlich "einzige bundesdeutsche Drogerie ohne Kondomsortiment" aus den gemieteten Räumen der Stadtpfarrgemeinde St. Blasius in der Friedrichstraße aus. Die Drogeriekette Schlecker räumt die Regale - die "Geschäftswechsel" in der Innenstadt gehen in eine neue Runde. Noch im März dieses Jahres hatte der "Drogeriemarkt ohne Verhüterli" bundesweit für Schlagzeilen gesorgt, weil ein nach Fulda zugezogener Journalist den kirchlich bedingten Mangel als neuen Aufreger ausgemacht hatte.

Doch was da vermeintlich alle Gemüter der Domstadt erregte, war in Wahrheit schon satte 15 Jahre Realität, über die sich in Fulda wahrlich niemand mehr verwunderte. Denn ein "Notstand" kann nie eingetreten sein, da nur einen Steinwurf schräg gegenüber diese Produkte in einer anderen Drogerie gekauft werden können. Und dass ein Hausbesitzer seinen Mietern Vorschriften machen kann, ist bundesdeutscher Alltag.

Wer nun meint, die Schleckerfiliale habe dieses prüde Reglement der katholischen Kirche mit jahrzehntelanger Verzögerung zum Anlass genommen, den Aufstand zu proben und mit Kündigung zu drohen, irrt. So stellt Bistumssprecher Christof Ohnesorge deutlich klar: "Nein, die Kündigung hat nichts mit der Sittenklausel zu tun, sondern war ein Versuch, den Mietpreis nach unten zu drücken." Die Drogeriekette habe von sich aus gekündigt, um den Mietpreis neu zu verhandeln - aber die Kündigung sei von der Stadtpfarrei angenommen worden.

Wer ab dem kommenden Jahr die Räume in der Friedrichstraße bezieht, steht laut Vorsitzendem des pfarrgemeindlichen Verwaltungsrats Waldemar Eckert noch nicht endgültig fest - eine Drogerie sei es jedenfalls nicht. Zur Zeit werde mit zwei Interessenten verhandelt. Beide stammen aus der Region - es handele sich definitiv nicht um Ketten von außerhalb. Verwaltungsrat Waldemar Eckert kennt zwar die Klagen der Händler in der Friedrichstraße und bestätigt, dass "80 Prozent derer, die hier parken, nicht hier einkaufen." Aber den Wandel in der Händlerlandschaft sieht er gelassen: "Wechsel gibt es immer - aber mancherlei gesundet dabei auch", zeigt er sich zuversichtlich.

"Prüfer geht aus Marktstraße raus"

Weniger Zuversicht in die "Selbstregulation des Marktes" in Sachen Branchenmix und Erhalt alteingesessener Geschäfte in der Innenstadt hat ein anderer. Der Facheinzelhändler und Handwerker Andreas Prüfer vertritt die Ansicht, dass die Stadt Fulda wenigstens über "die Suche nach Lösungen und Konzepten, nicht nur nach Investoren", einwirken könne. Für sich selbst hat er jedenfalls einen Schlussstrich mit bitterem Beigeschmack gezogen. “Nach 50 Jahren ist Schluss,“ sagt Prüfer lakonisch. Er meint damit sein Bäckereifachgeschäft für Brot, Brötchen, Gebäck und Kuchen in der Fuldaer Innenstadt. Es war der zweite Laden, den die Bäckerfamilie Prüfer in Fulda eröffnete.

Privater Hausbesitzer erhöht Miete von 30 auf rund 60 Euro pro qm

Ende 2008 läuft der Mietvertrag für das relativ kleine Ladenlokal in der Marktstraße 25 aus. Doch zu einer Verlängerung kam es nicht, berichtet Prüfer. Ein Privatmann habe das Haus gekauft und wolle nun mehr Geld aus der Vermietung erzielen: der Quadratmeterpreis sollte im neuen Mietverhältnis von derzeit 30 Euro pro Quadratmeter auf rund 60 Euro steigen. „Eine solche Steigerung kann ich – in der heutigen Zeit – nicht mehr erwirtschaften. Wenn ich Geld wechseln will, gehe ich zur Bank,“ erklärt Prüfer. Und meint damit: wer seinen Umsatz nur für die Mietzahlungen braucht, kann nicht mehr überleben.

Zumal es auch im Bereich der Bäckereien immer mehr Filialisten und „Ketten“ gebe – und ein Teil der Kundenkaufkraft, sicher auch durch das Bemühen um Einsparungen, zu Discountern abwandere. „Es tut mir leid für die Kunden, vor allem die alten Stammkunden. Aber wenn die Kosten so immens steigen, dass man sie nicht oder kaum hereinholen kann, bleibt einem nichts anderes übrig,“ lautet das Fazit von Andreas Prüfer.

Und für die Zukunft hat er sich vorgenommen: nur noch dort Zeit und Mittel hineinstecken, wo man selbst Eigentümer ist – um nicht durch solche „Veränderungen“ überrascht zu werden. In der Marktstraße jedenfalls wird er zum 31. Dezember 2008 „dicht machen“. Was dann in die Geschäftsräume neu reinkommt, weiß er auch schon. Etwas „ganz Seltenes in Fulda: ein Handyladen“. (ci / gw) +++