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Karl Kardinal Lehmann. - Fotos: jd

Rund 150 Gläubige waren heute Morgen im Dom.

24.09.08 - FULDA

"Evangelium ist keine private Anmutung" - LEHMANN kritisiert Bischöfe

"Das Evangelium ist eine eminent öffentliche Angelegenheit und nicht die private Anmutung, zu der wir es oft gemacht haben und machen", kritisierte der Mainzer Karl Kardinal Lehmann die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) heute Morgen in seiner Predigt, die der 72-Jährige anlässlich eines Pontifikal-Gottesdienst zum Beginn des dritten Tages der DBK-Herbstvollversammlung hielt. Daher stehe im Mittelpunkt des heutigen Tages zu Recht der Umgang der katholischen Kirche mit den Medien. Lehmann betonte, dass es essentiell für den Fortbestand der katholischen Kirche sei, christliche Themen verständlich aufzuarbeiten und in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Hier die Predigt des Mainzer Kardinals im Wortlaut:

Lesung für den Gottesdienst aus Kol 4,2 - 6: Lasst nicht nach im Beten; seid dabei wachsam und dankbar! Betet auch für uns, damit Gott uns eine Tür öffnet für das Wort und wir das Geheimnis Christi predigen können, für das ich im Gefängnis bin; betet, dass ich es wieder offenbaren und verkündigen kann, wie es meine Pflicht ist. Seid weise im Umgang mit den Außenstehenden, nutzt die Zeit! Eure Worte seien immer freundlich, doch mit Salz gewürzt; denn ihr müsst jedem in der rechten Weise antworten können.

"Als Vorbereitung für den heutigen Studientag zur Frage Kirche - Medien suchte ich nach einem passenden Text und fand ihn zu Beginn des letzten vierten Kapitels im Kolosserbrief. Der Brief an die Kolosser ist ein Dokument des Glaubens aus einer schon etwas späteren Zeit, da die Christen stärker um ihre Weltverantwortung zu wissen beginnen. Der Brief schließt mit letzten Mahnungen an die Christen. Leicht kann man zwei Grundaussagen unterscheiden, die jedoch auch wiederum aufeinander verweisen: die Solidarität des fürbittenden Gebetes und die Solidarität des verantwortlichen Dialogs gerade mit den Außenstehenden.

Zur Sendung in die Welt gehört die Verwurzelung im Glauben, die hier mit dem Dreiklang Immerwährendes Gebet - Wachsamkeit - Dankbarkeit umschrieben wird (V.2). Der Apostel ruft die Gemeinde besonders auf zum Gebet für ihn, „damit Gott uns eine Tür öffnet für das Wort und wir das Geheimnis Christi predigen können“ (V.3). Obgleich er im Gefängnis sitzt, verschließt er sich nicht in einem Getto, auch nicht in der Abkapselung der Verfolgung. Es kommt hier kein Wort der Klage über seine Lippen. Er bittet um das Gebet für die missionarische Verkündigung. Hier werden die beiden Hälften des Textes verbunden: Fürbitte und Zeugnis nach draußen. Gott möge eine Tür öffnen für das Wort (vgl. 1 Kor 16,9; 2 Kor 2,12; Apg 14,27).

Gottes Wort selbst drängt in die Welt. Der Apostel möchte die Herzen vieler Menschen für das Evangelium öffnen. In der Mitte steht das Geheimnis Jesu Christi (vgl. V.3). Das Evangelium selbst will von ihm selbst her übersetzt und vermittelt werden. Der ganze Text - darum passt es so gut zu diesem Tag - spricht von der Öffentlichkeit der Verkündigung und des Zeugnisses. Durch die Verkündigung soll das Mysterium allen zugänglich werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es Einsatz und Freimut braucht, um zu anderen Menschen zu gelangen. Hier ist ein anderer Ton: keine Rede - wie an anderer Stelle - von Verstockung (vgl. Mk 4,11 f.), keine verschlossenen Türen (vgl. Lk 12,36 f.; 21,24 f.). Trotzdem ist es mit „Öffentlichkeit“ noch nicht getan. Druckerschwärze und Kamera, Mikrofon und Mattscheibe, Plakate und Lautsprecher erreichen für sich noch nichts. Sie können sogar abspenstig machen. Auch muss nicht jeder predigen oder missionarisch verkündigen. Dies ist Sache des Apostels, für den es geradezu eine Pflicht ist, obgleich das Evangelium letztlich von selbst läuft.

Zum Gebet um den Segen der Mission gehört auch der weise Umgang mit den „Außenstehenden“. Die Gemeinde lebt in einer Umwelt, in der sie kritisch beobachtet und beurteilt wird. In einer solchen Situation hat jeder Verantwortung auch und besonders im Lebenswandel. Ohne Weisheit, d.h. hier Klugheit und Rücksicht, gibt es keine positive Resonanz bei den Menschen „draußen“, vgl. 1 Thess 4,12: „So sollt ihr vor denen, die nicht zu euch gehören, ein rechtschaffenes Leben führen und auf niemand angewiesen sein.“ (vgl. dazu: 1 Kor 5,12f.).

Aber die indirekte Rechenschaft durch das Leben selbst genügt nicht. Der Christ soll jedoch gefasst sein, dass er auf sein Zeugnis angesprochen wird. Er soll bereit sein, auf Fragen zu antworten und Rechenschaft abzulegen von seiner Hoffnung (vgl. 1 Petr 3,15). Er soll dabei „freundlich“, „voll Freude“, Luther übersetzt „lieblich“ sein. Jedenfalls darf das Zeugnis des Wortes weder aufdringlich werbend noch rechthaberisch sein, freilich auch nicht feige und furchtsam. Die zeugnishafte Rede des Christen muss Qualität haben. Beredsamkeit und Argumentationsgeschick sind durchaus erwünscht. Sie sollen einen gewissen Anreiz, ja Charme geben (vgl. dasselbe Wort für „Gnade“ = charis). Die meisten übersetzen: in Anmut, anmutig, gewinnend.

„Eure Worte seien immer freundlich, doch mit Salz gewürzt.“ (V.6a) Das heißt auch, dass unsere Worte packend und treffsicher, ja gepfeffert und entschieden sein sollen, nicht fade und faul, langweilig und kompromisslerisch. Es darf ruhig eine „gesalzene Rede“, ja aufreizend und manchmal beißend sein. Es genügt jedoch nicht, etwas Charme zu produzieren oder einen "Biss“ zu haben, zu provozieren. Das Wort Gottes ist ein eigenes Wort. Es ist nicht nur unser Wort. "Gott“ selbst öffnet die Tür zu den Herzen der Menschen. Schon gar nicht darf man das Wort der „Außenstehenden“ einfach nachplappern oder sich anpassen. Es ist keine Hilfe, dem Menschen nur nach dem Mund zu reden. Man muss im Gebet wachsam bleiben gegen alles, was angebetet wird. Was gesagt wird, muss auch vom Leben gedeckt sein.

Wir dürfen die Welt nicht ernster nehmen als den Herrn. Nur wenn wir selbst in diesem Sinne „Salz der Erde“ (Mt 5,13) sind, das nicht schal ist, das vielmehr würzig-frisch ist und Fäulnis beseitigt, werden wir Menschen gewinnen. So kommt es darauf an, dass wir die doch auch verborgene Kraft des Geheimnisses Jesu Christi an den Tag bringen, ja regelrecht offenbaren (vgl. V.4). Unsere Freundlichkeit soll die Freundlichkeit Gottes vermitteln (weswegen die Freundlichkeit von V.6 am Ende doch auch etwas mit der „Gnade“ Gottes zu tun hat). Ein altes jüdisches Wort sagt: „Die Welt kann nicht ohne Salz und nicht ohne Pfeffer, auch nicht ohne Gewürze sein.“ (Trakt.Sopherim 15,8; Billerbeck I,232ff.)

Der Apostel ist der Meinung, dass wir nur „so jedem in der rechten Weise antworten können“ (V.6b). Auch dies ist nochmals wichtig: Wir sollen uns auf jeden/auf jede einlassen, nicht einfach nur einen Propagandafeldzug eröffnen, sondern uns den Fragen der Menschen stellen und dann auch „jedem in der rechten Weise“ antworten. Wir wissen es, wie viel dies voraussetzt. Auch dies ist gut jüdisch, denn es heißt: „Wohl dem Mann, der die Worte der Thora zu eigen hat und in dessen Hand sie verwahrt werden, und der es versteht, mit ihnen am rechten Ort eine vollkommene Antwort zu geben.“ (Billerbeck III, 765 zu 1 Petr 3,15)

Dafür sollen wir „die Zeit nützen“: sie regelrecht „auskaufen“, jede Gelegenheit nützen für das rechte Wort zur rechten Zeit. Es gibt kein dringlicheres Wort als das Evangelium, da es in dieser Zeit von niemand überholt werden kann. Also müssen wir auch unseren Ort mit unseren Möglichkeiten ausschöpfen. Dieses letzte, äußerste Wort ist durchaus endzeitlich gemeint. Es ist ein unglaublich dichter Text, der sich hier einem erschließt. Er schenkt uns eine kleine praktische und auch theoretische Theologie der Kommunikation des Christlichen in der Zeit. Ich brauche darum dieses Wort auch nicht zu übersetzen in die Gegenwart: jeder entdeckt seine Möglichkeiten in seiner Situation.

Die Lesung aus dem Kolosserbrief ist wie ein Kommentar zu einem bekannten Jesuswort: „Darum fürchtet euch nicht vor ihnen! Denn nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird. Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet am hellen Tag, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet von den Dächern.“ (Mt l0, 26 f., vgl. Mk 4,22; Lk 8,17). „Freimut“ („parrhesia“) nennen dies vor allem Johannes, die Apostelgeschichte, der hl. Paulus (Kol 2,15), und der Hebräerbrief (abgesehen von Mk 8,32).

Der Herr selbst macht uns also zu Offenbarern, zu "Publizisten": dies sind Leute, die über öffentliche Angelegenheiten schreiben. Das Evangelium ist eine eminent öffentliche Angelegenheit - und nicht die private Anmutung, zu der wir es oft gemacht haben und machen. Gegen diese moderne Häresie steht der Publizist, der Christ ist und sein will, mit Leib und Seele. Amen."+++





"Das Evangelium ist eine eminent öffentliche Angelegenheit und nicht die private Anmutung, zu der wir es oft gemacht haben und machen".



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