Archiv

Die IG Metall wird der Geschäftsführung der Metallwarenfirma "Rübsam & Co." vor... - Fotos: Daniel Kister

- Fotos: Daniel Kister

10.04.08 - Sargenzell

Wird bei Rübsam & Co. „gelidelt“? – IG Metall Gewerkschaftssekretär Ferdinand Hareter sieht Hinweise dafür zu haben, dass die etwa 80 Mitarbeiter der Sargenzeller Metallwarenfirma per Videokamera bespitzelt werden. „Bespitzelt wird niemand“, widerspricht Geschäftsführer Martin Schneider. Klar ist aber: seit Mitte letzten Jahres hängen Überwachungskameras in der Fabrik. Fünf bis zehn dieser faustgroßen Kameras „blicken“ auf den Hof und in die Fertigungshalle. So entstehe ein „Disziplinierungsmoment“ und Arbeiter würden automatisch unter Druck gesetzt, befürchtet Hareter.

Grund für Kamerainstallation seien mehrere größere Diebstähle in der Fabrik gewesen, rechtfertigt dagegen der Geschäftsführer. So sei etwa ein 2000 Euro teures Schweißgerät gestohlen worden. „Die Diebstähle haben Überhand genommen.“ Außerdem sollten die Kameras Verbote kontrollieren und „in erster Linie der Abschreckung“ dienen. Die Belegschaft unter Generalverdacht zu stellen, nannte Hareter dagegen eine Unverschämtheit. Das Arbeitsrecht werde mit Füßen getreten und die Menschenwürde missachtet.

Vor allem kritisierte der Gewerkschaftssekretär, dass nicht klar sei, welche und wie viele Daten mitgeschnitten, kontrolliert und gespeichert würden. Nur ein Aushang informiert über die Videokameras. „Ab sofort wird der gesamte Betrieb mit Kameras überwacht!“, heißt es in dem ausgehängten Text vom 30. Juli 2007 in der Überschrift. Mehrfach sei gegen das Alkoholverbot verstoßen worden; auch Ordnung und Sauberkeit ließen „stark zu wünschen übrig“ und „nicht zuletzt wegen der gehäuft vorgekommenen Diebstähle sieht sich die Geschäftsleitung zu diesem Schritt gezwungen.“ Mit allen Mitarbeitern würden „in der nächsten Zeit „einzelvertragliche Ergänzungen“ vorgenommen heißt es in dem Schriftstück. Besonders empört ist Hareter über den letzten Satz: „Wir erwarten von unseren Mitarbeitern, dass sie dieser Maßnahme vorbehaltlos im eigenen Interesse zustimmt.“ Hier werde versteckt gedroht.

Auch ein Satz in der Vertragsergänzung sorgt für Unklarheit. Die Kameraüberwachung dient demnach auch dazu, „Lohngerechtigkeit zu garantieren“. Was damit genau gemeint ist, konnte Martin Schneider nicht erklären. Sein Bruder Stefan Schneider sei als zweiter Geschäftsführer für das Personalwesen zuständig und derzeit im Urlaub. Allerdings erklärte Martin Schneider im Gespräch, dass er es „sozial ungerecht“ finde, wenn ein Arbeiter die Hälfte arbeite und das gleiche Geld wie ein Kollege verdiene.

„Bisher zwei Auswertungen“

Auf die Datenschutzbedenken der Gewerkschaft reagierte Geschäftsführer Martin Schneider eher leichtfertig: „Wir werden die Mitschnitte nicht ins Kino oder ins Internet setzten.“ Die Videobilder würden auf einer zentralen Festplatte gespeichert – und nach einem bestimmten Zeitraum, den Schneider nicht nennen konnte, wieder überschrieben. Ausgewertet würden sie nur bei einem konkreten Anlass. Dies sei bisher zwei mal der Fall gewesen - wegen Leistungsrückständen: Einmal konnte der Chef dann am Monitor sehen, wie seine Mitarbeiter während der Arbeitszeit Bier tranken. Ein anderes Mal filmte eine Kamera am Eingangsbereich, wie ein Angestellter für einen Kollegen mit einstempelte. In Aufenthalts- oder Umkleideräumen seien keine Kameras montiert. Auch werde kein Ton aufgezeichnet, beteuerte Schneider.

Hareter ist nicht generell gegen eine Kameraüberwachung in Betrieben. „Dafür muss in zeitlich beschränkten Ausnahmefällen aber eine Betriebsvereinbarung über die Datenaufnahme vorliegen. Dieser Vereinbarung muss der Betriebsrat zustimmen.“ Der Hacken: Bei Rübsam & Co gibt es keinen Betriebsrat. „Dabei haben die Arbeitnehmer ein Recht darauf einen solchen zu organisieren“, informierte Hareter und bot gewerkschaftliche Hilfe an.

Regierungspräsidium soll prüfen

Die Gewerkschaft fordert die Firma Rübsam & Co. Metallwaren GmbH auf, die "Bespitzelung der Mitarbeiter sofort einzustellen", die Kameras abzumontieren, das vorhandene Material zu vernichten und den Mitarbeitern einen Datenbericht auszuhändigen. Die Arbeitsagentur forderte Hareter auf, keine Leute mehr hierher zu vermitteln. Man habe das Regierungspräsidium Darmstadt, Abteilung Datenschutz, über die Vorgänge bei Rübsam & Co. informiert. Dieses soll überprüfen ob und wenn ja in welchem Umfang gegen Datenschutzrecht verstoßen wurde oder wird.

Auf Nachfrage von Osthessen-news konnte Sonja Schader, Mitarbeiterin im Dezernat Datenschutz, keine pauschale Aussage zur Rechtmäßigkeit der Überwachung bei Rübsam & Co. machen. Wenn ein begründeter Verdacht auf Diebstähle bestehe, dann könnte es unter Umständen zulässig sein, Kameras zu installieren. Nicht erlaubt sei aber eine permanente Dauerkontrolle der Mitarbeiter, bei der sich diese dem Kameraauge nicht entziehen könnten. Wenn eine Überwachung stattfinde, müsse der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein. Sonst würden Persönlichkeitsrechte verletzt. Der Rechtfertigungsgrund „Lohngerechtigkeit“ könnte laut Schader ein „ganz schwerwiegendes arbeitsrechtliches Problem“ sein.

Die IG Metall fordert in einer Pressemitteilung einen besseren gesetzlichen Schutz der Arbeitnehmer vor Willkürmaßnahmen, Überwachung und Bespitzelung. Hier sei die Politik in der Pflicht. Sie müsse durch bessere Datenschutzgesetze sicherstellen, dass Arbeitnehmerrechte, die Menschenwürde und humane Arbeitsbedingungen nicht vollends unter die Räder kommen.

Lohngerechtigkeit oder Lohngerechtigkeit?

Die Kritik der IG Metall richtet sich nicht nur gegen die Kameraüberwachung. Genau wie Geschäftsführer Schneider fordert auch Gewerkschaftssekretär Hareter Lohngerechtigkeit – gleichwohl auf eine ganz andere Weise. Statt Kameras zu installieren fordert Hareter eine bessere Bezahlung. Laut Hareter werde einem Metallfacharbeiter gerade mal ein Monatsentgelt von rund 1.560 Euro brutto im Akkord gezahlt. Das entspreche einem Stundenlohn von etwas über neun Euro. Ein vergleichbarer Kollege in der osthessischen Metallindustrie habe einen Tariflohn von etwa 2.600 Euro. Schneider verteidigt, dass er angelernten Facharbeitern keinen Facharbeiterlohn zahlen könne. (Daniel Kister) +++


... ihre Mitarbeiter zu bespitzeln.

Gewerkschaftssekretär Ferdinand Hareter sagt, dass die Kameras die Mitarbeiter automatisch unter Druck setzten.


Geschäftsführer Martin Schneider verteidigt die Videokameras.

Auch der Hof wird laut Schneider per Kamera überwacht...


...genau wie der Fertigungsbereich.

Ein Aushang informierte die Mitarbeite über die Überwachungsmaßnahme. Hareter spricht von versteckter Drohung.

Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön