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Die Jungen Liberalen verteilten heute Kondome an Passanten... - Fotos: Hans-Hubertus Braune

...und protestieren mit dieser Aktion gegen die Haltung der katholischen Kirche.
19.03.08 - Fulda
Glaubt man Medienberichten, dann regt sich ganz Deutschland auf: einmal mehr ist Fulda Anlass für Negativ-Schlagzeilen. Der Schlecker-Drogeriemarkt in der Fuldaer Friedrichstraße verkauft keine Kondome, weil das Haus der katholischen Kirche gehört und es seit etwa 15 Jahren einen entsprechenden Mietvertrag gibt. Doch Schlagzeilen wie die der Frankfurter Rundschau von heute mit "Erregung in Fulda" sind schlicht falsch. Denn was als angeblich "seit einiger Zeit" die Gemüter der Domstadt erhitzt, ist eben ein ganz alter Hut. Übrigens: wer bei Schlecker keine "Gummis" bekommt - nur wenige Schritte entfernt ist ein Mitbewerber, dort sind sie im Sortiment.
Nicht nur die Redaktion von osthessen-news ist einigermaßen verwundert über den bundesweiten Hype, den die gestrige dpa-Meldung über das fehlende Kondom-Sortiment ausgelöst hat. Nicht-Einheimischen mag es ja auf den ersten Blick seltsam vorkommen, dass die katholische Kirche konsequent gegen Verhütungsmittel wettert - aber neu ist diese Tatsache eben nicht. Dass die Schlecker-Filiale in der Friedrichstraße möglicherweise der einzige bundesdeutsche Drogeriemarkt ist, der bei der Kirche als Untermieter firmiert, wäre ein Novum. Aber dass ein Hausherr sein Recht wahrnimmt, sich seine Mieter auszusuchen bzw. ihnen Vorschriften zu machen, ist bundesdeutsche Realität und daher zu erwarten - anders wäre es eher verwunderlich.
„Schockiert und fassungslos“ reagierten die Jungen Liberalen, als sie - offenbar erstmals - von dem Kondomverkaufsverbot hörten. In Zeiten, in denen ungewollte Teenager-Schwangerschaften und HIV-Infektionen wieder zunehmen, kann es nach Ansicht der Jungen Liberalen nicht sein, dass es Bürgerinnen und Bürgern verboten werde, Kondome in diesem Schlecker-Markt zu erwerben. „Kondome verhüten unheilbare Krankheiten wie AIDS und sind deshalb aus unserer modernen Gesellschaft nicht mehr weg zu denken“, so der Kreisvorsitzende der FDP-Nachwuchsorganisation, Mark Matthies (21), aus Flieden.
Deshalb verteilten die Jungen Liberalen Fulda heute ab 16:30 Uhr vor der betroffenen Schlecker-Filiale in der Fuldaer Friedrichstraße kostenlos Kondome an Passanten, um zu zeigen, dass es auch "offenere Lebensentwürfe" in dieser Gesellschaft gibt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) kämpfe mit ihrer Kampagne „Mach´s mit“ zu Recht für den Gebrauch von Kondomen. Alle politischen Parteien unterstützten sie darin, um schwere Krankheiten vorzubeugen.
Das Kondomverbot der Katholischen Kirche ist nach Ansicht der Jungen Liberalen Fulda unverhältnismäßig und überflüssig. „Menschen haben Sex - auch außerhalb der Ehe. Diese Tatsache lässt sich nicht wegdiskutieren“, so der Vorsitzende der JuLis. Die Katholische Kirche dürfe sich nicht wundern, dass immer mehr junge Leute aus der Kirche austräten. „In der heutigen Zeit sollte selbst die katholische Kirche einsehen, dass Kondome nicht nur Verhütungsmittel, sondern sogar Lebensretter sind“, so Matthies abschließend.
Weit mehr Grund zur Erregung sollte nach Meinung von Kirchenkritikern eigentlich die Praxis der katholischen Kirche geben, eigenen Angestellten, die gegen ihren Wunsch geschieden werden, zu kündigen - um nur ein Beispiel zu nennen. Von kirchlichen Alimentezahlungen für die unehelichen Kinder von Priestern ganz zu schweigen. Einen weiteren Grund, sich über Verhaltensweisen der katholischen Kirche zu wundern, sieht die hessische Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Margaretha Hölldobler-Heumüller.
In einem Brief an die zuständige katholische Pfarrgemeinde St. Blasius und Hl. Geist in Fulda schrieb sie wörtlich: "Verwundert haben wir heute den Medien entnommen, dass die Katholische Kirche, als Hausherrin und Vermieterin der Drogeriekette Schlecker, den Verkauf von Kondomen in der Schleckerfiliale in Fulda / Friedrichsstrasse untersagt hat". In dem Brief an Pfarrer Gurk und die Pfarrgemeinde weist Margaretha Hölldobler-Heumüller darauf hin, dass, wenn es etwas an der Drogeriekette moralisch zu kritisieren gäbe, dies nicht der sinnvolle Verkauf von Kondomen z.B. zur Aids-Prävention, sondern der skandalöse Umgang der Drogeriekette mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wäre.
Margaretha Hölldobler Heumüller meinte: "Es ist nicht haltbar, über die Frage des Kondomverkaufs eine moralische Debatte zu führen, aber zu den Rahmenbedingungen, unter denen Menschen im ganzen Lande bei der Drogeriemarktkette Schlecker arbeiten müssen, zu schweigen. Wir würden uns freuen, wenn die Katholische Kirche ihre Haltung überdenken und klare Worte zur Frage der Arbeitsbedingungen finden würde." ( ci / gw) +++


Deutschlandweit in aller Munde: In diesem Drogeriemarkt dürfen keine Verhütungsmittel verkauft werden.

Das Medieninteresse ist groß am Thema...

Auch beim Verteilen dabei: der frischgebackene FDP-Landtagsabgeordnete Jürgen Lenders