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Die Bedeutung der Deutschen Milchbauern wurde schon bei der Aufstellung der Kunstkühe deutlich: Direkt nach der EU-Kuh folgte Deutschland

Die Vogelsberger und Fuldaer Teilnehmer auf dem Weg zum Veranstaltungsort am Brüsseler Hafen
14.02.08 - Region
4.500 Milchbauern sagen Brüssel den Kampf an! - Kunstkuh "Faironika"wirbt
Über 4.500 Milcherzeuger aus 15 Ländern nahmen an Kongress in Europas Hauptstadt teil
Europas Milchbauern zeigten sich am Mittwoch beim Milchsymposium „Aktive Milchsteuerung: Märkte im Gleichgewicht – Faire Preise“ in Brüssel geschlossen und äußerst kämpferisch. Die Kernforderung der über 4.000 Milchviehhalter aus ganz Europa, darunter 30 aus dem Vogelsberg und 20 aus dem Fuldaer Land: Wir wollen zukünftig Marktwirtschaft bei der Produktion von Milch, Planwirtschaft à la Brüssel hatten wir lange genug. Die Milcherzeuger des European Milk Board erwarten nicht, dass die EU-Kommission an einem überholten System festhält, sie erwarten vielmehr, dass sie von der Politik darin unterstützt werden, als Marktpartner auf Augenhöhe agieren zu können, um marktwirtschaftlich handlungsfähig zu sein.
Dies bedeute, dass die Politik in enger Verzahnung mit den Milcherzeugern die Rahmenbedingungen schaffen müsse, damit diese eine flexible Mengensteuerung in eigener Verantwortung umsetzen könnten.
Entsprechende Instrumente wie ein effektiver Außenschutz und ein innereuropäischer Marktrahmen könne auch in Zukunft nur der Staat garantieren. Mit dieser Forderung erteilten die Milcherzeuger dem Ansinnen der EU-Kommission, die Milchquoten jährlich um zwei Prozent aufzustocken und diese dadurch völlig zu entwerten, eine klare Absage. Die Milchproduktion müsse sich am Bedarf orientieren und könne nicht am grünen Tisch festgelegt werden.
„Wir wollen in Zukunft flexibel und zeitnah auf den Markt reagieren, um Milchpreise realisieren können, die die Kosten decken und unsere Zukunft sichern“, so Romuald Schaber, Präsident des European Milk Board (EMB) aus Deutschland. „Die Milchindustrie nehmen wir dabei mit in die Pflicht“, so Schaber weiter.
Sieta van Keimpema, Vizepräsidentin des EMB aus den Niederlanden, pflichtet bei. „Erst der Preis und dann die Produktion. Es ist für uns kein Problem, mehr Milch zu erzeugen, aber wir tun es zukünftig nur dann, wenn der Preis alle Kosten der Produktion deckt.“
Mit Unterstützung von europäischen wie auch internationalen Fachleuten wurden bei diesem Kongress Rahmenbedingungen und Märkte analysiert und weit reichende Schlussfolgerungen gezogen.
„Wir haben die Milch und vertreten mit dem EMB 80.000 Milchviehhalter in zwölf europäischen Ländern, an uns kommt niemand mehr vorbei“, so Roberto Cavaliere, Mitglied des EMB-Vorstandes aus Italien, selbstbewusst. Milchproduktion sei ein zentrales, gesellschaftliches Anliegen. Jeder Konsument verzehre täglich in irgendeiner Form Milch und Milchprodukte. Qualität und Sicherheit der Milcherzeugung brauchten faire Marktbedingungen. Regionale Wertschöpfung, Arbeitsplätze sowie der Erhalt einer einzigartigen Kulturlandschaft würden mit der Milchproduktion in vielen Regionen Europas gesichert. „Um diese Werte zu transportieren und zu sichern, werben zukünftig überall in Europa Faironikas - Kunstkühe in den Landesfarben - unter dem Motto „gut und fair“ für eine Allianz mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern“, berichtet Ernst Halbmayr, Vorstandsmitglied aus Österreich. Ziel müsse es sein, eine qualitativ hochwertige Milchproduktion in Europa nachhaltig zu sichern. Letztendlich gehe es auch darum, die Interessen von 485 Millionen Verbrauchern zu schützen.
14 kleine Kunstkühe überreichten die Vertreter der Mitgliedsländer des EMB an Lars Hoelgard, stellvertretender Direktor Landwirtschaft bei der EU-Kommission. Tumultartige Szenen gab es am Nachmittag bei dessen Ausführungen, denn er sprach von einer „sanften Landung“ der Landwirte bei der jährlichen Erhöhung der Milchquote von zwei Prozent im Jahr 2015. Olaf Harder (Fraurombach), Vorsitzender des BDM Vogelsberg und dessen Stellvertreter Jürgen Hochgrebe (Nieder-Ofleiden) zeigten sich am Ende des Symposiums erfreut über das geschlossene Auftreten der europäischen Milchbauern. Sie hoffen, dass dies Ermunterung für viele Milchviehbetriebe sei, dem BDM und dem Milchboard beizutreten. Beide wiesen darauf hin, dass im Januar der Milchpreis von 41 auf 38 Cent gefallen sei. Es äußerst wichtig bezeichneten sie, eine bessere Aufklärungsarbeit gegenüber den Verbrauchern. So sei zum Beispiel fast nicht bekannt, dass bei der Milch vom Einzelhandel 22 Prozent, den Molkereien 19 Prozent und den Zuliefern 14 Prozent Gewinn verblieben. Der Milchbauer erhalte lediglich ein halbes Prozent des Gewinns.
Für die Vogelsberger und Fuldaer Teilnehmer wurde die Teilnahme am Brüsseler Symposium ein langer Tag, der für den Landwirtschaftsmeister Hans-Ulrich Schmidt (Kaulstoß) sogar 26 Stunden hatte, denn er hatte „das Vergnügen“ über Freiensteinau und Fulda, Lauterbach, Alsfeld und Atzenhain, an der gesamten Sammelaktion teilzunehmen. „Es hat sich aber gelohnt“, so die einhellige Meinung der Fahrtteilnehmer. ++gr++
Resolution der europäischen Milcherzeuger:
AKTIVE MARKTSTEUERUNG: MÄRKTE IM GLEICHGEWICHT – FAIRE PREISE
Seit dem Jahr 2007 entwickeln sich die europäischen und internationalen Milchmärkte erstmals seit langem positiv. Bedingt durch die extrem niedrigen Erzeugerpreise für Milch in den Vorjahren ging die Produktion in einigen Regionen stark zurück, so dass Überschüsse und Lagerbestände in der EU abgebaut wurden. Auch die Ausfuhren von Milchprodukten aus der EU gingen zurück, so dass der Weltmarktpreis für diese ebenfalls spürbar anstieg.
Angesichts der veränderten Marktsituation gibt es Bestrebungen innerhalb der EU, die Überschusssituation und damit den Preisdruck auf die Milcherzeugerpreise wieder herzustellen. Die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission haben dieses Ziel. Mehr als 4.500 Milcherzeuger sind am 13.02.2008 nach Brüssel gekommen, um diesem Ansinnen von Politikern und Funktionären eine deutliche Absage zu erteilen. Die europäischen Milcherzeuger machen klar, dass sie dauerhaft nicht in der Lage sind, Milch zu Preisen, die unterhalb der Produktionskosten liegen, zu produzieren. Sind kostendeckende Preise nicht zu erzielen, ist mittelfristig die Versorgung der EU-Bürger mit hochwertigen Milchprodukten aus europäischer Qualitätsproduktion nicht zu gewährleisten. Ganze Regionen könnten aus der Milchproduktion ausscheiden, mit dramatischen Folgen für die dortige Sozial- und Wirtschaftsstruktur sowie für die Kulturlandschaft.
Im Einzelnen fordern die Milcherzeuger in Europa:
1. Erhalt einer flächendeckenden Milchproduktion in Europa.
2. Deckung der Produktionskosten in Europa über die Milchpreise, inklusive einer fairen
Entlohnung der eingesetzten Arbeitskräfte.
3. Eine flexible Mengensteuerung, die das Angebot an der Nachfrage orientiert und die in der Hand der Milcherzeuger liegt.
4. Einen wirksamen Außenschutz, der Dumping verhindert.
Nur mit diesen Voraussetzungen ist es möglich, die europäischen Bürger mit hochwertigen Milchprodukten dauerhaft und sicher zu versorgen und diese umweltgerecht und nachhaltig, unter der Erhaltung einer einzigartigen europäischen Kulturlandschaft, zu produzieren. Wir, die im European Milk Board EMB organisierten Milcherzeuger/innen sind entschlossen, für unsere Zukunft zu kämpfen und uns nicht auf dem Altar des Freihandels opfern zu lassen! Wir nehmen insbesondere die europäische Milchindustrie mit in die Pflicht. Der Milchsektor hat nur dann eine Zukunft, wenn die Kosten der Produktion gedeckt werden können. Sollten sich die Molkereien weigern, sich in Zusammenarbeit mit uns für verbesserte Rahmenbedingungen einzusetzen und Vollkostendeckende Milchpreise zu bezahlen, droht die Einstellung der Milchanlieferung.+++

Insgesamt 14 kleine Faironikas erhielt Lars Hoelgaard für die EU-Kommission überreicht


Lars Hoelgaard von der EU-Kommission erhält die deutsche Faironika überreicht


Die Vertreter des EMB bei der Pressekonferenz: Ernst Halbmayr, Romuald Schaber, Sieta van Keimpema und Roberto Cavaliere (v. links)


Präsident Romuald Schaber bei der Eröffnungsrede

Über 4.000 Milchbauern aus ganz Europa nahmen am Symposium teil