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04.11.07 - RHÖN

...soll gentechnikfreie Anbauzone bleiben - Landwirte verzichten auf Gen-Saatgut

OBERELSBACH/FULDA/KALTENSUNDHEIM/BAD KISSINGEN. In der Rhön sollen auch über das Jahr 2007 hinaus die Bemühungen fortgesetzt werden, sich als gentechnikfreie Anbauregion zu etablieren. Das freiwillige Moratorium, keine gentechnisch veränderten Organismen anzubauen, wollen viele Landwirte aus Hessen, Bayern und Thüringen verlängern oder sich der Initiative sogar neu anschließen.

Die Länder übergreifende Bewegung für eine gentechnikfreie Anbauzone Rhön war vor mehreren Jahren ins Leben gerufen worden. Die Initiative wird in besonderem Maße vom Biosphärenreservat Rhön, dem Fuldaer Lebensmittelhändler tegut…, dem Landkreis Fulda sowie den Bauernverbänden des Rhön-Grabfeld-Kreises (Bayern), des Landkreises Fulda (Hessen) sowie denen der Thüringer Landkreise Wartburgkreis und Schmalkalden-Meiningen getragen.

„Die Rahmenbedingungen, sich erneut für eine gentechnikfreie Anbauzone Rhön einzusetzen, haben sich nicht geändert. Im Gegenteil: Auf die Landwirte hat der Druck seitens der Saatgutkonzerne eher noch zugenommen, und keine der Befürchtungen, die es gibt, wenn man gentechnisch veränderte Organismen anbaut, konnte bisher entkräftet werden“, sagt beispielsweise der Leiter der bayerischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservates Rhön, Regierungsdirektor Michael Geier. Er wendet sich vor allem gegen die Verharmlosung von genmanipulierten Pflanzen. „Als die ersten Funde der amerikanischen Ambrosia auftauchten, einer Pflanze, die dem Beifuß zum Verwechseln ähnlich sieht, hieß es, dass von ihr keine Gefahr ausgeht und dass alles unter Kontrolle ist. Heute ist in Hinsicht auf diese Pflanze nichts mehr unter Kontrolle. Sie hat nämlich bei uns keine natürlichen Feinde und verbreitet sich überall. Inzwischen weiß man, dass ihr Pollen einer der stärksten natürlichen Allergieauslöser überhaupt ist. Auch bei der grünen Gentechnik hören wir immer wieder, dass alles unter Kontrolle ist. Die Natur arbeitet da aber wie das Wasser: Wasser findet jede Ritze, um irgendwo hinzukommen. Deshalb können wir noch so die Kontrolle über etwas haben – letztlich wird die Natur entscheiden, ob sie das unter unserer vermeintlichen Kontrolle lässt oder nicht“, warnt Geier.

Für den Leiter der bayerischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservates Rhön ist die Verlängerung des Moratoriums, vorerst keine gentechnisch veränderten Pflanzen anzubauen, mehr als eine pure Abwehrhaltung. „Wir positionieren uns damit als ganze Region. Und das ist eine Position, die zu uns mit einer intakten Kulturlandschaft passt. Aus meiner Sicht ist der Verzicht auf Gentechnik auf unseren Feldern ein selbstverständlicher Baustein unserer Regionalentwicklung.“

Bis heute, fügt Michael Geier hinzu, gebe es keinen wirtschaftlichen Grund für die Landwirte, gentechnisch verändertes Saatgut anzubauen. „Weil es eine noch größere Abhängigkeit schafft und weil der Bauer das Risiko ganz alleine trägt“, begründet er seine Auffassung. Ein Drittel aller bayerischen Betriebe hatte vor drei Jahren das Moratorium unterzeichnet. Insgesamt galt damit eine Fläche von 17.824 Hektar als gentechnikfrei. In Kürze sollen die Landwirte wieder angeschrieben werden, ob sie auch für die nächsten drei Jahre freiwillig Nein zur Gentechnik zu sagen, kündigt Michael Geier an.

Im Landkreis Fulda in Hessen hatten sich bislang 441 Haupt- und Nebenerwerbslandwirte am Moratorium gegen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen beteiligt. Das entsprach einer Fläche von rund 14.000 Hektar bei uns. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt haben 557 Betriebe das neue Moratorium unterzeichnet. Damit ist die als gentechnikfrei geltende Fläche schon auf fast 23.000 Hektar angestiegen. „Das entspricht einem Prozentsatz von fast 40 Prozent. Unser Ziel liegt bei mehr als 50 Prozent, und ich bin optimistisch, dass wir das erreichen“, erklärt Eugen Sauer vom Fachdienst Landwirtschaft beim Landkreis Fulda.

Auch er sagt, dass es in der Zwischenzeit keinerlei Erkenntniszuwachs gegeben habe, was die Risiken oder Chancen der grünen Gentechnik betrifft. „Unsere Hoffnung, dass die letzten drei Jahre in dieser Hinsicht Neues bringen, konnte sich leider nicht erfüllen.“ Aus der Sicht von Eugen Sauer ist der Hauptgrund für die Landwirte, sich vorerst gegen gentechnisch verändertes Saatgut zu wenden, die Frage der Haftung. Danach kommen eventuelle gesundheitliche Risiken und das Risiko, die Artenvielfalt zu beeinträchtigen.

Eugen Sauer weist auch auf die Tatsache hin, dass man landwirtschaftlichen Betrieben, die das Moratorium nicht unterzeichnen, nicht automatisch vorwerfen dürfe, dass sie pro Gentechnik eingestellt sind. Hauptsächlich sind die Anstrengungen der Initiative darauf gerichtet, die Haupterwerbslandwirte zu überzeugen. Für Nebenerwerbslandwirte, die teilweise unter zehn Hektar Fläche bewirtschaften, sei der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ohnehin nicht lukrativ.

Im Landkreis Fulda haben sich Landrat Bernd Woide, der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Lothar Röder und Kreislandwirt Matthias Bug an die Spitze der Bewegung für eine gentechnikfreie Anbauregion Rhön gestellt. Nach wie vor zielt die Vereinbarung mit den Landwirten aber lediglich auf den Anbauverzicht gentechnisch veränderten Saatgutes ab. Das Moratorium schließt das Verbot von gentechnisch verändertem Futtermittel nicht mit ein. „Dieser Schritt könnte der zweite werden, aber noch ist es dafür zu früh“, sagt Eugen Sauer. Viele Landwirte würden deshalb gentechnisch verändertes Futter einsetzen, weil dieses preiswerter zu bekommen ist und dementsprechend mehr zwischen Daumen und Zeigefinger bei ihnen übrig bleibe. „Für diese Situation müssen wir notgedrungen Verständnis aufbringen“, meint Eugen Sauer. Gleichzeitig spricht er sich für eine Zusammenarbeit der Rhön mit anderen gentechnikfreien Anbauregionen aus.

In Thüringen hatten sich vor drei Jahren lediglich zehn Betriebe der Initiative für eine gentechnikfreie Anbauzone Rhön angeschlossen. Doch aufgrund der hier vorherrschenden großen Agrarstrukturen kam mit ihnen problemlos ein stolzes Drittel der insgesamt 60.000 Hektar zusammen. „Es ist eine lohnenswerte Sache, sich gegen die grüne Gentechnik einzusetzen. Deshalb muss diese Bewegung weitergehen“, hebt der Geschäftsführer der Landschaftspflege-Agrarhöfe Kaltensundheim, Dr. Aribert Bach, hervor. Sein ökologisch wirtschaftender Betrieb darf ohnehin weder gentechnisch verändertes Saatgut anbauen noch gentechnisch verändertes Futter verwenden. „Aus meiner Sicht und auch aus der vieler konventionell wirtschaftenden Landwirte stellt uns unsere Natur so viel Genmaterial zur Verfügung, dass wir das manipulierte gar nicht brauchen. Zweitens begeben sich Landwirte, die gentechnisch verändertes Saatgut anbauen, in eine vollständige Anhängigkeit weniger Saatgutkonzerne und der mit ihnen arbeitenden Pflanzenschutzmittelhersteller. Und ich mache noch auf eines aufmerksam: Wenn der erste Skandal mit der grünen Gentechnik passiert, dann wird das wieder alleine auf dem Rücken des Landwirts ausgetragen – so wie es bei BSE gewesen ist.“

In der Rhön, schätzt Dr. Aribert Bach ein, arbeiten seit der Wende die Biosphärenreservatsverwaltungen, die Landwirte, die Naturschützer und tegut… eng zusammen. „Wir haben schon immer miteinander geredet und daraus sogar Vermarktungsstrategien entwickelt. Deshalb werden wir auch das neue Moratorium gegen die Gentechnik wieder Länder übergreifend mit Leben erfüllen“, ist er sich sicher. „Die Gefahr, die vom Anbau gentechnisch veränderten Saatguts ausgehen kann, ist momentan einfach viel höher als der Nutzen. Außerdem arbeiten wir in der Rhön mit unserer Dachmarke an einem Alleinstellungsmerkmal für unsere Produkte und Dienstleistungen. Da passt der Verzicht auf gentechnisch veränderte Organismen einfach gut dazu. tegut… ist unser regionaler professioneller Vermarkter, der inzwischen eine Spitzenposition in der besonderen Produktqualität einnimmt und darauf angewiesen ist, dass seine Rohstoffe frei von Gentechnik sind“, nennt Dr. Bach weitere Gründe, auch in Zukunft Nein zur grünen Gentechnik zu sagen. Allerdings weist er auch darauf hin, dass es letztlich der Verbraucher selbst entscheiden wird, ob die Richtung hin zur oder weg von der Gentechnik auf dem Feld führt.

„Wir halten einen Verzicht auf gentechnisch verändertes Saatgut für besonders wichtig, weil wir eine traditionelle Landwirtschaft fördern wollen“, sagt Andreas Swoboda, tegut… Geschäftsleitung Qualität und Umwelt. „Wir sind gegen die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen auf unseren Feldern, weil niemand die Risiken einschätzen kann.“ Bewusst arbeitet der Lebensmittelhändler mit Landwirten zusammen, die ihre Produkte nachweislich ohne grüne Gentechnik erzeugen. Ein Beispiel dafür sind das Rapsöl oder der Honig, den es in den tegut… Supermärkten gibt. Auch bei speziellen Produktlinien, beispielsweise dem „LandPrimus“-Programm beim Fleisch, legt tegut… strenge Standards fest. Landwirte, die ihre Schweine im Rahmen dieser Vermarktung großziehen, dürfen unter anderem kein gentechnisch verändertes Futtermittel einsetzen.+++

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