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Der wiedergewählte DJV-Landesvorstand (2.v.li:) der 2. Landesvorsitzende Martin Angelstein (Fulda) - Alle Fotos: Wolfgang Kühner & Jan Roewer

Landesvorsitzender Heuser beim Rechenschaftsbericht

04.07.07 - Marburg

Journalisten warnen vor Aushöhlung der Pressefreiheit - 60. DJV-Verbandstag

Die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit ist nach Meinung des Landesverbandes Hessen der Deutschen Journalistenverbandes (DJV) „in akuter Gefahr“. Manche staatliche Stellen schienen keinen Respekt mehr vor diesem demokratischen Grundwert zu haben, Journalisten würden bespitzelt und Online-Durchsuchungen gehörten schon fast zur Tagesordnung, bedauerte der hessische Landesvorsitzende Hans-Ulrich Heuser am Wochenende auf dem 60. Landesverbandstag des DJV Hessen in Marburg/Lahn. „Viel dramatischer ist, dass sich sogar Journalisten als Spitzel missbrauchen lassen“ sagte Heuser vor den knapp 100 Gästen und Delegierten namens der knapp 2.900 im DJV organisierten hessischen Journalisten.

Als einen „weiteren Schlag gegen Informantenschutz und Pressefreiheit“ bezeichnete Heuser die Entscheidung des Bundeskabinetts, den Gesetzentwurf zur Telekommunikationsüberwachung zu akzeptieren. Auch dies sei ein Beispiel für den leichtsinnigen Umgang der Politiker mit dem „hohen Gut der Pressefreiheit“. Wenn dieser Entwurf Gesetz werde, könnten deutsche Journalisten nicht mehr für die Anonymität ihrer Informationen garantieren.

Forderung nach Informationsfreiheitsgesetz in Hessen

An die Adresse der hessischen Landesregierung appellierte der DJV Hessen, unverzüglich ein Informationsfreiheitsgesetz zu installieren. Es sei die Aufgabe der Legislative und der Exekutive, eine für die Bürger „gläserne Politik und Verwaltung“ zu praktizieren. „Wer vertuscht und verheimlicht, der missachtet die Regeln der Demokratie“ sagte Heuser.

„Leiharbeit in Medien ein sozialpolitischer Skandal“

In seiner Grundsatzrede auf dem Marburger Verbandstag prangerte Heuser in scharfer Form den zunehmenden Einsatz von „Leiharbeitern“ im journalistischen Bereich an. Das Verleihen von journalistischen Arbeitskräften durch Firmen, die nicht an journalistische Tarifbedingungen gebunden wären, sei ein „unerträglicher Zustand und sozialpolitischer Skandal“. Der DJV Hessen forderte den Madsack-Verlag auf, mit dieser Art von Diskriminierung von Journalistinnen und Journalisten „Schluss zu machen“. Die Hessischen Zeitungsverleger sollten „diesem Spuk ein sofortiges Ende bereiten“. Solche Machenschaften dienten nicht der Qualität der Medien, sondern höhlten die sozialen Standards aus und förderten den Missbrauch bundesdeutscher Arbeitsgesetze.

Warnung vor „publizistischem Einheitsbrei“

„Die Pressevielfalt und damit auch die Pressefreiheit stirbt - auch im Hessenlande - von Jahr zu Jahr langsam aber kontinuierlich“ sagte Landesvorsitzender Hans-Ulrich Heuser. Er kritisierte, dass sich immer häufiger große Verlagskonzerne auf bislang gut funktionierende mittelständische Verlagshäuser stürzten. „Geldgier kennt eben keine Grenzen - das Stichwort lautet „Marktbeherrschung“. Was Verleger und Großkonzerne gerne als „Stärkung publizistischer Souveränität“ bezeichneten, sei für den hessischen Journalistenverband eher der „Einstieg in zentralistische Monokultur, die letztlich nur noch publizistischen Einheitsbrei“ liefere.

Im Bereich „Tarifpolitik“ stehen nach den Worten Heusers „neue Herausforderungen“ bevor. Die Formel laute heute „Die Arbeit bleibt gleich, die Redakteure werden weniger“. Verleger forderten den „Sparredakteur“ - und damit einen zweiten Tarif für „Billigkräfte“ -, torpedierten den Flächentarif und verlangten den Abbau von Berufsjahresstaffeln. „Daran wird sich in Zukunft nichts ändern,“ erklärte der DJV-Landesvorsitzende und kritisierte in diesem Zusammenhang in scharfer Form die „Doppelzüngigkeit der Verlegerschaft.“ Sie hielten bei jeder Gelegenheit hehre Festreden zur Qualität journalistischer Arbeit, postulierten deren Bedeutung für die Medienlandschaft und Demokratie oder betonten ihre Treue zum Flächentarif. Im wirtschaftlichen und publizistischen Tagesgeschäft aber unternähmen die Verleger alles, um Flächentarife auszuhebeln, legten überall Redaktionen zusammen, reduzierten Arbeitsplätze und degradierten die verbleibenden Redakteure zu „bloßen Kostenfaktoren“.

Hans-Ulrich Heuser erklärte, der Flächentarifvertrag bleibe für den DJV „unantastbares Relikt der Tarifpolitik“. Ebenso setze sich die hessische Journalistengewerkschaft für adäquate Arbeitsbedingungen der festangestellten und freien Journalisten ein und verteidige die Meinungsfreiheit. Aus Engagement und mit hoher Motivation arbeiteten Redakteure über die festgelegten Arbeitszeiten hinaus. Wer diesen Einsatz „mit Degradierung oder Rückstufung belohnt“, werde langfrisitig keine Qualitäts-Programme produzieren und Qualitäts-Zeitungen herausgeben.

„Mehr Selbstkritik und Mut in der Journalistenzunft“

Im gleichen Zusammenhang rief der DJV-Landesvorsitzende eindringlich zu stärkerer Selbstkritik und mehr Mut in der Journalistenzunft auf. In der Geschichte des Verbandes habe es noch nie so viel Angst um die eigenen Arbeitsplätze und Existenz gegeben wie heute. „Das ist schlimm. Noch viel schlimmer ist aber, dass wir Journalisten selbst nicht erkennen, was da mit uns geschieht! Warum schreien wir die drohenden Gefahren für die Pressefreiheit und die existenziellen Probleme nicht heraus? Ich verstehe diese Lethargie und das Schweigen nicht“ sagte Heuser provokativ. Er frage sich, warum Journalisten ausführlich und präzise über andere und ihre Probleme berichteten, aber nicht über die eigenen, die ja auch Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft hätten.

Die Mitglieder der Journalistengewerkschaft müssten ein neues Selbstbewusstsein entwickeln, das „zum Kampf gegen Sozialabbau, gegen Meinungsmonopole und für innere Pressefreiheit“ genutzt werden sollte. Schlüsselbegriffe für qualifizierten Journalismus seien Kompetenz und Autonomie. Die Voraussetzungen dafür seien etwa Aus- und Fortbildungen, die nicht nur Training für Praxistauglichkeit seien, sondern zum kritischen Nachdenken über eigenes Handeln befähigten. Außerdem seien Bestimmungen nötig, die verantwortungsvollen Journalismus zuließen: Journalisten bräuchten genügend Spielräume, „damit Berichterstattung nicht den Geschäftemachern überlassen bleibt.“

Ein wichtiger Punkt sei auch das Eintreten gegen eine „fortschreitende Entsolidarisierung“: es müssten endlich angemessene Honorarregelungen für freie Journalistinnen und Journalisten realisiert werden, deren Zahl bereits heute fast 50 Prozent der Mitglieder ausmachten. Denn der Trend in den Verlagen wie Rundfunk- und Fernsehanstalten werde sich fortsetzen, aus Spargründen journalistische Arbeit aus Redaktionen auf schlechter bezahlte „Freie“ zu verlagern. In diesem Zusammenhang kämpfe der DJV auch gegen die - von den Länder-Innenministern geplante - Verwässerung der Richtlinien zur Ausgabe von Presseausweisen. „Einen Presseausweis für Hinz und Kunz gibt es mit uns nicht! Verbindliches Kriterium bleibt für uns die Hauptberuflichkeit,“ bekräftigte Heuser. Der DJV wolle modern und zukunftsoffen sein. Aber er „mache nicht mit“, wenn der Preis dafür ein Verlust von Arbeitnehmerrechten sei, wenn Arbeitnehmer die Folgen für globalen Größenwahn der Medienunternehmen tragen sollten und wenn das Streben nach Marktführerschaft im Medienbereich auf Kosten von Qualität und Ehtik im Journalismus gehe.

Mehr Zusammenarbeit und Kooperation mit Nachbarverbänden

Als konkrete Aufgaben der nahen Zukunft – neben Beschäftigungssicherung und Erhaltung des Flächentarifvertrages - nannte der Chef der Journalistengewerkschaft die Information und Mobilisierung der Mitglieder, die Verbesserung des Organisationsgrades mit Einbindung von mehr „Freien“, die Entwicklung einer für alle verbindlichen Strategie für künftige Arbeitskämpfe oder eine intensivere bundesweite Vorbereitung flexibler Arbeitskampfmaßnahmen. Außerdem müsse der Verband selbst über neue Wege der Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg nachdenken. Synergieeffekte für Hessen könnte es durch eine engere Kooperation mit den DJV-Landesverbänden Thüringen und Rheinland-Pfalz geben.

Mit einem eindrucksvollen Appell beschloss Hans-Ulrich Heuser seine bilanzierende Rede: „Schließen wir uns enger zusammen, begehren wir auf! Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt. Jedenfalls in diesen Zeiten. Duckmäuserei und Leisetreterei führen zu nichts, außer zum Ruin unseres Berufsstandes - und das wollen wir doch alle vermeiden.“

Vorstandswahlen

Bei den ohne Personaldiskussionen durchgeführten Vorstands-Neuwahlen für zwei Jahre gab es keine Veränderungen. Landesvorsitzender bleibt Hans-Ulrich Heuser (Bischoffen), 2. Vorsitzender ist wie bisher Martin Angelstein (Fulda) und Schatzmeisterin Dr. Gabriela Blumschein-Grossmayer (Wiesbaden). Auch Schriftführer Martin Schmidt (Wiesbaden) und die vier Beisitzer Barbara Goerlich (Frankfurt/M), Harro Menzel (Bad Homburg), Axel Häsler (Langenselbold) und Jörg Steinbach (Kassel) gehörten bereits bisher zum Geschäftsführenden Landesvorstand.

„Flächentarifvertrag auch in Zukunft unverzichtbar“

Unter den Gästen war nicht nur der Marburger Oberbürgermeister Egon Vaupel, der vor dem Verbandstag ein Grußwort sprach, sondern auch viele Vertreter aus den DJV-Landesverbänden Bayern, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Bremen, Berlin, Sachsen sowie von ver.di und dem DJV-Bundesvorstand.

„Wir sind in den vergangenen Jahren bei der Tarifpolitik zu sehr in einer Verteidigerrolle gewesen - da müssen wir jetzt wieder raus“ erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken vor den hessischen Delegierten. Der Flächentarifvertrag habe auch heutzutage unverändert bundesweite Bedeutung, weil nur so alle Kolleginnen und Kollegen gleich behandelt würden. „Wenn wir uns davon lösen, führt das zu einer Ungleichbehandlung“. Für Konken steht fest, dass der DJV keinesfalls vom Flächentarifvertrag abgehe, „weil sonst die ganze Tariflandschaft zusammenbricht“.

Künftige Arbeitskämpfe erforderten intelligente Strategien, „wobei wir uns auch der modernen Technik bedienen sollten“ sagte der DJV-Chef weiter. Ein Umdenken bei Arbeitskämpfen sei dringend notwendig. Über Details wolle er aber nicht öffentlich reden, sondern „die richtige Taktik dann aus der Tasche ziehen, wenn sie angebracht ist“.

Neue Herausforderung: die Freien

Zur gewerkschaftlichen Ausrichtung der Zukunft gehöre natürlich auch die Absicherung der freien Journalisten. Immer mehr Kollegen würden in den „Freien-Status“ gedrängt oder dorthin „entlassen“. Gerade weil ihr Anteil an der Mitgliederzahl ständig steige, werde die Absicherung der Freien den DJV vor neue Herausforderungen stellen. Weitere Themen der Konken-Rede waren Leiharbeit, die online-Überwachung und „gläserne Redaktionen“ ohne Informantenschutz.

Der Bundesvorsitzende sprach aber auch ein wichtiges internes Thema an: „Die professionelle Führung in der Zukunft wird nicht alleine von ehrenamtlichen Kräften zu bewältigen sein“. Da seien besonders die Landesverbände gefragt ... „und dies wird auch Geld kosten“. Der DJV-Bundesvorsitzende verwies darauf, dass Ehrenamtliche auch schnell unter Druck gesetzt und in ihrer Existenz bedroht werden könnten. Jüngstes Beispiel sei ein Landesvorsitzender, der seine ehrenamtliche Tätigkeit beendet habe, um auch weiterhin seinen Job behalten zu können.

Deutliches Lob für die Kasse

Im weiteren Verlauf des Verbandstages gab es deutliches Lob seitens der Kassenprüfer für die Finanzen des DJV Landesverbandes Hessen und eine „besondere Anerkennung“ für die Schatzmeisterin. „Ein kerngesunder Verband“ mit „verlässlicher und nachvollziehbarer Buchführung“ lautete die Bewertung.

Drei Anträge standen am Ende des 60. Verbandstages in Marburg im Mittelpunkt der Beratungen. Die Verabschiedung erfolgte mit großer Mehrheit. Danach werden Bundesvorstand und Große Tarifkommission aufgefordert, für die Tarifrunde für Redakteure an Tageszeitungen im kommenden Jahr frühzeitig Strategien zu entwickeln, wie ein einheitlicher Gehaltstarif auf dem Niveau des alten Tarifwerkes bei einer deutlich spürbaren Erhöhung der Bezüge erreicht werden kann (Antragsteller OV Darmstadt).

Entsprochen wurde auch der Anregung des Ortsverbandes Frankfurt, den Fachausschuss „Gleichstellung und zukunftsorientierte Arbeitszeit-Modelle“ auf Landesebene einzurichten und Delegierte in den Bundesfachausschuss zu entsenden. Ebenso vom OV Frankfurt stammte die Anregung, aufgrund der Erfahrungen anderer Landesverbände mit einem Mentorenprogramm zu prüfen, ob dies auch ein Ansatz für den hessischen Landesverband sein könnte. (ma) +++


Gäste aus anderen DJV-Landesverbänden

Gratulation zur Wiederwahl Heusers (li) vom bayerischen DJV-Vorsitzenden Dr. Stöckel


.... und vom DJV-Vorsitzenden Michael Konken (re)

Stimmauszählkommission



Der Marburger OB Vaupel bei seiner Begrüßung


Das Verbandstag-Präsidium

Abstimmung für eine REsolution



DJV-Bundesvorsitzender Konken



...und der Frankfurter Ortsvorsitzende Biaghioni

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