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Die grünen Briefboxen blieben heute morgen leer.

Werner Knorn im Interview mit osthessen-news.de. - Fotos: Julian Dern

17.04.07 - AKTUELL

"Wir seien unrentabel - deshalb müsse das Depot in Fulda geschlossen werden, hat man uns erklärt", berichtete Werner Knorn. Er war bis gestern stellvertretender Depotleiter der PIN Mail GmbH und hatte am Samstag "durch die Blume" von seinem Vorgesetzten von der Schließung des privaten Postdienstes erfahren. Offiziell wurden die knapp 50 Mitarbeiter am gestrigen Montag in einer kurzfristig angeordneten Betriebsversammlung im NIederlassungsgebäude in der Frankfurter Straße darüber informiert - und auch über den Verlust ihrer Arbeitsplätze. Da war das Firmenschild bereits abmontiert.

Erst vor wenigen Tagen hätten viele Mitarbeiter auf Drängen der Vorgesetzten neue Arbeitsverträge unterschreiben müssen. Die Arbeitszeit sei - nach Angaben bisheriger Betriebsangehöriger - handschriftlich von 60 auf 65 Stunden monatlich bei einem Stundenlohn von 6,15 Euro für einen 400-Euro-Job hochgesetzt worden. Nur wenige Tage später, am vergangenen Samstag, flatterten dann die "Einladungen" zur Betriebsversammlung ins Haus.

Wie Werner Knorn in einem Gespräch mit osthessen-news sagte, werde jetzt ein Fuldaer Mitbewerber die Zustellung ab sofort übernehmen. Dabei soll es sich um "Parzeller Druck- und Mediendienstleistungen", ein Tochterunternehmen des Verlags Parzeller, in dem auch die Fuldaer Zeitung erscheint, handeln. Nach den, noch unbestätigten, Informationen sollten die Zeitungsausträger nun auch zugleich private "Briefträgerdienste" übernehmen. Unklar ist derzeit, ob die Austräger dafür eine "Mehrvergütung" erhalten. Parzeller bietet in seiner Sparte "PostPress" auch Versanddienstleistungen an, wollte aber auf Nachfrage der Redaktion die "Übernahme" der PIN-Mail-Sendungen "nicht kommentieren".

"Der Geschäftsführer von PIN Mail in Kassel, Reiner Schulte, und ein luxemburgischer Rechtsbeistand des Unternehmens haben die Betriebsversammlung geleitet. Sie sind angeblich ebenfalls erst kurzfristig informiert worden und nun die Buhmänner, die die schlechten Nachrichten überbringen müssten", schilderte eine Teilnehmerin an der Betriebsversammlung anschließend die Aussagen der Geschäftsführer gegenüber osthessen-news.

Die vor Ort anwesenden Firmenvertreter tagten hinter verschlossenen Bürotüren. Nach Informationen der aufgebrachten und enttäuschten Mitarbeiter sollte über die Aufhebung ihrer Arbeitsverträge beraten werden. Gegenüber Osthessen-News waren die PIN-Group-Vertreter zu keiner Aussage bereit und verwiesen stattdessen die Redaktionsmitglieder der Geschäftsräume.

Zu den genauen Hintergründen wollte das im luxemburgischen Leudelange ansässige Unternehmen PIN Group, das vom Axel-Springer-Verlag, der Holzbrinck-Gruppe sowie der WAZ-Mediengruppe 2005 gegründet wurde und derzeit über rund 7.000 Mitarbeiter verfügt, auch auf telefonische Anfrage keine Angaben machen.

Die Pressesprecherin der Firma schickte auf Anfrage vielmehr eine allgemein gefasste Erklärung: "Im Zuge der Eingliederung der früheren ANNEN-POST, heute PIN Mail, in den Unternehmensverbund der PIN Group und der Ausrichtung des Unternehmens auf einen gesunden Wachstumskurs sind Umstrukturierungen notwendig. Im Rahmen der Unternehmenspolitik der PIN Group mit einem klaren Fokus auf Qualität werden in diesem Zusammenhang auch die Lohn- und Beschäftigungsverhältnisse nach gruppenweiten Standards neu strukturiert."

Vom Regionalvorstand der PIN Mail erklärte Ralf Bartsch, dass jetzt verstärkt Teilzeitarbeitsverhältnisse und Minijobs abgebaut würden zugunsten der Schaffung sozialversicherungspflichtiger Vollzeitarbeitsplätze. "Über den Unternehmensverbund der PIN Group wird auch weiterhin sichergestellt, dass die komplette Fläche im Einzugsgebiet der früheren ANNEN-POST mit PIN Mail-Dienstleistungen bedient wird", so Bartsch.

Völlig frustriert und sprachlos standen die entlassenen Zusteller vor dem Fuldaer Bürogebäude, das in der Frankfurter Straße nur einen Steinwurf gegenüber dem möglichen künftigen privaten Postauslieferer PARZELLER liegt. "Ich habe über 90 Überstunden seit Anfang August und viele Kollegen haben noch viel mehr Überstunden. Keine Ahnung, ob wir diese Mehrarbeit jemals ausbezahlt bekommen. Auch stehen noch Gehälter aus", berichtete eine Betroffene.

Die Schließung kam für die Zusteller umso überraschender, da erst vor wenigen Wochen der Ausbau der Arbeitsplätze in Aussicht gestellt wurde. Zuletzt hatten die Zusteller im grünen Firmenlook über 104.000 Briefe in Fulda und Umgebung ausgeliefert. "Einige 400 Euro-Jobs sollten in 1.200-Euro-Arbeitsstellen umgewandelt werden. Jetzt haben wir garnichts mehr", so Knorn, der selbst auch nicht weiss, wie es für ihn und seine Kollegen weitergehen soll. "Viele sind über 40 Jahre alt und haben kaum Aussichten, hier in der Region einen vergleichbaren Arbeitsplatz zu finden", sagte Knorn. (Hans-Hubertus Braune) +++


Einige der ehemaligen PIN Mail-Mitarbeiter vor dem Bürogebäude.

Wie soll es weitergehen? Lebhafte Diskussionen unter den gekündigten Mitarbeitern.


Über 104.000 Briefe ließen die Mitarbeiter von einer besseren Zukunft träumen.

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