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Domkapellmeister Huber in seinem Element

19.11.06 - Fulda

WELTURAUFFÜHRUNG Requiem „ORATIO SPEI“ - Gewaltiges Musikerlebnis

Es war ein ausgesprochen seltenes kirchenmusikalisches Großereignis, das gestern Abend mehr als 1.000 Menschen - darunter auch viele Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik wie ewa der Hessische Landtagspräsident Kartmann - im Hohen Dom zu Fulda erleben durften: die Welturaufführung des Requiems „Oratio Spei" („Gebet der Hoffnung") des Tschechen Juraj Filas, der dieses 80 Minuten dauernde Werk den Opfern von Gewalt widmete. Ein gewaltiges Musikerlebnis von rund 230 Sängerinnen und Sänger sowie Musikern unter Leitung des Fuldaer Domkapellmeister Franz-Peter Huber. Mit dabei der Domchor Fulda, der Jugend-Kathedral-Chor Fulda, das Orchester „Filarmonica de Stat Sibiu" aus Rumänien.

Die renommierten Solisten Adriana Kohutkova (Sopran), Michal Lehotsky (Tenor) und Roman Janal (Bass) hielten ihre Versprechen und erfüllten den Wunsch des Komponisten, „sodass jedes Herz, das nach Harmonie und glücklichem Leben auf unserem Planeten strebt, mit positiver Erwartung erfüllt wird." Und der "Lohn der Arbeit" fiel am Ende der Welturaufführung deutlich aus: Jubel- und Bravorufe sowie ein Beifall, der sich förmlich überschlug und nicht enden wollte - er dauerte genau 445 Sekunden, also fast acht Minuten. Auch das war für Fulda ein Rekord.

Schauen Sie sich auch als EXTRA-Bericht eine BILDERSERIE mit noch mehr Fotos von der Welturaufführung im Fuldaer Dom an. KLICKEN Sie auf den folgenden Link: http://www.angelstein-tv.de/OsthessenNews/beitrag_A.php?id=1129884

In seinem Grußwort zur Welturaufführung schrieb der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen, die Menschen seien "mitten im Leben mit dem Tod umfangen"; einem Tod, der mit seinen "Vorboten" Krankheit und Leiden jeden Tag ins Leben hineinrage. Solange es Menschen gebe, hätten Kriege - und in jüngster Zeit fanatische Terroranschläge - zusätzlich Tod und Verderben über zahllose Unschuldige gebracht. Das Leid dieser Opfer könne und dürfe uns nicht unberührt lassen, betonte der Oberhirte. Weil einem angesichts der Ungeheuerlichkeiten menschlicher Gewalt jedoch oft die Klagen und Anklagen, "die Worte im Halse stecken blieben", bräuchten die Menschen immer auch "Deutebilder" und "sprachliche Vorbilder", die den Anklagenden, aber auch den stummen Opfern von Krieg und Terror Worte verliehen würden. Diese Aufgabe hätten - neben Kirchen und Religionen - auch immer Künstler - Maler, Bildhauer, Poeten oder Musiker - erfüllt.

Algermissen hob hervor, Juraj Filas habe sein Requiem den Opfern gewidmet, die durch Gewalt gestorben seien. Dies solle niemanden verwundern, da Filas aus den geistigen Wurzeln des Christentums und des abendländischen Humanismus lebe. Ein solcher Künstler könne sich nicht gleichgültig verhalten, wenn die höchsten Werte der Humanität und Zivilisation durch terroristische Gewalt auf dem Spiel stünden. Doch sein Werk verharre nicht in Klage und Anklage, sondern am Ende gebe der Komponist seinem persönlichen Glauben Ausdruck, indem er das "Ich-Wort" aus dem Johannes-Evangelium musikalisch erklingen lasse: "Ich bin Alpha und Omega, Auferstehung und Leben: Wer an mich glaubt, auch wenn der Tod ihn holen wird, wird ewig leben". Der Glaube an diese zuverlässige Botschaft des gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus habe Filas offensichtlich bewogen, seinem Requiem den Untertitel "Oratio Spei", Gebet der Hoffnung, beizufügen. Algermissen sprach den Wunsch aus, dass die Zuhörer nicht nur ein besonderes musikalisches Werk erlebten, sondern dieses "Gebet der Hoffnung" verinnerlichten und so ein Stück mehr aus der Hoffnung heraus leben könnten.

HÖREN Sie hier einen AUDIO-Mitschnitt aus der gestrigen Welturaufführung - und klicken auf den folgenden Link:

http://www.osthessen-news.de/Media/av/061118_FD_RequiemAusschnitt.mp3

Das Requiem ist die Messfeier für Verstorbene. Das Wort bezeichnet sowohl den Ritus des Begräbnisgottesdienstes in der katholischen Liturgie als auch kirchenmusikalische Kompositionen für diese Liturgie. Die liturgische Funktion von Requiem-Kompositionen, die es etwa zu Zeiten der Wiener Klassik bei Mozart, Salieri und Cherubini gab, wichen später, durch die Ablösung von kirchlichen Bindungen, einer symphonischen Gestaltung mit großem Orchester und einer abgeschwächten Stellung des Textes. Als eigene Musikgattung verlor das Requiem nach 1950 stark an Bedeutung; lediglich Benjamin Britten schuf 1961 mit dem "War Requiem" ein bedeutendes Werk der Musikgeschichte.

Die stilistischen Merkmale der Komposition von Juraj Filas wurden in dem Programmheft so beschrieben: "Charakteristisch für das Requiem von Juraj Filas ist der Wechsel zwischen Angst und Zuversicht, Flehen und Danken. Ruhige, harmonisch einfachere Sequenzen (im Offertorium "Hostias et preces tibi, Domine") werden von anspruchsvollen, dichten, bis zu neunstimmigen Partien abgelöst (im "Dies irae"). Prägnante Rhythmen mit unruhigen Taktartwechseln werden von ausgedehnten Akkordspannungen begleitet, die wieder zur Auflösung streben. Ein Höhepunkt des Werks ist das fugierte "Sed signifer sanctus Michael" und das Besondere der Komposition findet sich am Schluss: Nach dem Gebet um Erretttung vor dem ewigen Tod ("Libera me Domine, de morte aeterna") werden Zitate aus der Geheimen Offenbarung des H. Johannes angefügt. Durch diese Gegenüberstellung der endzeitlichen Schlacht ("Armageddon") zwischen Gott und den Mächtigen der Erde wird die Vergänglichkeit des Einzelmenschen in Zusammenhang mit der Endlichkeit der gesamten Schöpfung gebracht. Die Stimme Christi "Wer an mich glaubt, auch wenn er schon gestorben ist, wird leben" wirkt in der Dunkelheit dieser apokalyptischen Schilderung wie ein helles und tröstliches Licht.

HÖREN Sie hier zwei Statement nach der gestrigen Welturaufführung - und klicken auf die folgenden Links:

1. Domkapellmeister Franz-Peter Huber, Fulda

http://www.osthessen-news.de/Media/av/061118_FD_RequiemHuber.mp3

2. Komponist Juraj Filas, Prag

http://www.osthessen-news.de/Media/av/061118_FD_RequiemFilas.mp3

Das Requiem wurde im Jahr 2000 vom New Yorker Geschäftsmann Hubert Wiesenmaier in Auftrag gegeben, der auch Widmungsträger ist. Komponist Filas betont, dass die Musik sich keinesfalls direkt auf die tragischen Geschehnissen des 11. Septembers 2001 bezieht. Knapp fünf Jahre nach den erschütternden Anschlägen auf die Türme des World Trade Centers sei die Bedrohung weiterhin aktuell. Das Ringen um Glaube und Vernunft stehe auch künftig auf der Tagesordnung.

Filas wollte sich mit seinem Requiem am Festival für sakrale Musik 2005 in Rom beteiligen. Domkapellmeister Huber hatte im Frühjahr 2005 von der Veranstaltung erfahren. Als ein Berliner Chor seine Bereitschaft zurückzog, bot man Huber die anspruchsvolle Aufgabe an. Er las die handgeschriebene Fassung zu dem Requiem und sagte zu. Das Werk sollte bereits im letzten Jahr im St. Peter Dom in Rom uraufgeführt werden. Die Messe wurde jedoch aufgrund der gefährlichen Sicherheitslage und Terrorwarnungen im Vatikan abgesagt.

Juraj Filas ist 1955 in Košice, Slowakei, geboren. Sein Musikstudium hat er am Prager Konservatorium und an der Musik-Akademie abgeschlossen (Diplom für Komposition 1981 bei Prof. J. Zd. Bartos und Jiri Pauer). Er war Preisträger an sieben Kompositionswettbewerben. Sein Schaffen umfasst Instrumental-, Kammer-, symphonische und Filmmusik und eine Fernsehoper "Memento mori", die 1989 in Salzburg prämiert wurde. Seine Werke werden in seiner Heimat und im Ausland oft aufgeführt und aufgenommen (CD, Radio, Fernsehen). Juraj Filas schreibt in sehr lyrischer und emotionsgeladener Sprache, basierend auf der grossen europäischen Musiktradition. Die meisten seiner Werke wurden von Interpreten oder Ensembles bestellt und aufgeführt. Er lebt in Prag und unterrichtet - neben seiner kompositorischen Tätigkeit - an der Prager Musik-Akademie. Sein internationales Wirken umfasst kammermusikalische Sonaten und große symphonische Werke. Er zählt zu den bekanntesten Komponisten der Neoromantik.

Eine Besonderheit der Komposition ist der länger ausgestaltete Schluss, auf den das gesamte Werk ausgerichtet ist. Nach der Befreiung ("Libera me Domine de morte aeterna") und der letzten Schlacht ("Armageddon") erscheint Christus mit der wohl wichtigsten Botschaft des Evangeliums: „Ich bin Alfa und Omega, Auferstehung und Leben: Wer an mich glaubt, auch wenn der Tod ihn holen wird, wird ewig leben." Joh 11, 25. Dieser Teil, der bei allen Requien bekannter Komponisten wie Mozart, Verdi, Dvorak nicht vorhanden ist, vermittelt den Zuhörern die Hoffnung (daher der Untertitel „Oratio Spei") auf den Sieg der Menschlichkeit und Vernunft über die Gewalt in der Welt und deren tägliche Opfer.

HÖREN Sie hier einen AUDIO-Mitschnitt vom Schluss der gestrigen Welturaufführung - und klicken auf den folgenden Link:

http://www.osthessen-news.de/Media/av/061115_FD_RequiemSchluss.mp3 +++


Vollbesetzter Dom



Fast acht Minuten Beifall am Ende...


Der Komponist Juraj Filas (links) und sein Förderer Hubert Wiesenmauer, New York

Der Komponist (links) und Dirigent (rechts) mit den drei Solisten Janál, Lehotsky und Kohútková


Fuldas Domkapellmeister Hubert mit dem "Full Score" des Requiems

Autogramme für Mitglieder des Jugendkathedralchores vom Komponisten

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