Archiv


"Verehrter Bischof, bitte zeigen Sie Herz, lassen Sie unsere Patres in den Pfarreien"

18.11.06 - Fulda

"Verehrter Bischof, zeigen Sie Herz" - Mahnwache und Demo vor dem Dom

Mit einer Mahnwache vor dem Dom haben heute am späten Nachmittag (16 bis 18 Uhr) in Fulda über 70 Katholiken aus der Rhön gegen die Entlassung von drei Priestern protestiert. Mit Transparenten, Flugblättern, Lichterkreuz, Gesängen und Gebeten appellierten die Gläubigen an das Bistum Fulda, die drei Patres des Ordens SJM „Diener Jesu und Mariens“ in den Pfarreien Eckweisbach und Schwarzbach zu lassen. Die Katholiken befürchten eine deutliche Verschlechterung der Seelsorge in ihren Pfarrgemeinden. Der Bischof des Bistums Fulda, Heinz Josef Algermissen, hatte den „Gestellungsvertrag“ mit dem Orden gekündigt und die drei Ordenspatres von ihren Aufgaben als Pfarreiseelsorger zum 1. Dezember „entpflichtet“. Als Grund wurde von der Bistumsleitung auf Nachfragen die mangelhafte Einordnung der Pater in die Bistums-Seelsorge angegeben und ihnen „angstmachende“ Theologie und vorkonziliare Praktiken (Mundkommunion) vorgeworfen.

Die Mahnwachen-Teilnehmer sagten heute, diese Vorwürfe seien ungerechtfertigt. Der wirkliche Grund sei, dass die Ordenspriester die vom Bischof gewünschte Umstrukturierung der Gemeinden nicht befürworteten. Im Rahmen des sogenannten Pastoralen Prozesses sollen sich im Bistum in den nächsten Jahren die rund 250 eigenständigen Pfarreien zu Pfarrverbünden zusammenschließen und Priester „teilen“.

"Wir schätzen unseren Priester.." stand auf der einen Seite des selbstgebastelten Schildes eines Teilnehmers und "...und hoffen und beten noch immer" auf der anderen. Eine Frau hielt einen Karton mit der Aufschrift "Verehrter Bischof, bitte zeigen Sie Herz - lassen Sie unsere Patres in der Rhön". Auf dem Boden ist aus Gläsern mit Kerzen und roten Friedhofslichtern ein Kreuz gelegt. Gemeinsam beten die Teilnehmer der Mahnwache das "Vaterunser", einige halten Rosenkränze in den Händen. Fünf Personen halten Plakate hoch, die zusammen den Satz ergeben: "Wir beten für das Weiterwirken unserer guten SJM-Priester in der Rhön". Kinder wuseln herum und verteilen an Passanten kleine gelbe Flugblätter.

Auf der Freitreppe vor dem Dom haben sich Frauen, Männer und Kinder aus Schwarzbach, Eckweisbach, Simmershausen und der Umgebung versammelt. Zu der spontanen Aktion haben sie sich gegenseitig angesprochen oder telefonisch verabredet: "Die Patres und Pfarrgemeinderäte haben nichts damit zu tun, wir sind ganz privat hier," erklärt einer der Teilnehmer. Wahrscheinlich will er dem - bei den Bistumsverantwortlichen vielleicht schon entstandenen - Eindruck entgegenwirken, dass die direkt Beteiligten des "Pfarrei-Streites" die Katholiken beeinflusst haben könnten.

Die Kirchenmitglieder aus den betroffenen Orten der Rhön wollen erreichen, dass sich die Bistumsleitung die Entlassung der Priester nochmal überdenkt und vielleicht zurücknimmt - doch sie sind vorsichtig, auch wegen der bisherigen Erfahrungen. Viele fühlen sich durch die Entscheidung aus dem Generalvikariat übergangen und sind enttäuscht über die Begründung der Kirchenführung.

Die lapidare Mitteilung des Bistums Fulda am 03.11. über die „Entpflichtungen“ lautet wie folgt:

"Entpflichtungen

Bischof Heinz Josef Algermissen hat den mit der Ordensgemeinschaft „Servi Jes et Mariae“ (SJM) geschlossenen Gestellungsvertrag zum nächstmöglichen Termin, d.h. zum 30. Juni 2007 gekündigt. P. Lorenz Pfaffenhuber SJM wurde mit Wirkung vom 1. Dezember 2006 von seiner Aufgabe des Pfarradministrators der Pfarrei St. Maria v. Berge Karmel in Hofbieber-Schwarzbach sowie vom Amt des Geistlichen Beirats der DJK FSV Schwarzbach entpflichtet. P. Franz Krenzel SJM wurde mit Wirkung vom selben Datum von seiner Aufgabe des Pfarradministrators der Pfarrei St. Michael in Hilders-Eckweisbach, P. Hans-Peter Reiner SJM von seiner Aufgabe des Kaplans in derselben Pfarrei sowie der Beauftragung zur Mithilfe im Dekanat Hilders und der Erteilung des Religionsunterrichts entpflichtet".

Soweit der sachliche Text der Entscheidung der Bistumsführung. Gründe für die Entpflichtung sind darin jedoch nicht angegeben. Begründungen äußerten Bischof Algermissen und Bistumssprecher Christof Ohnesorge gegenüber der Fuldaer Lokalzeitung: die drei Ordenspatres würden sich nicht in die Seelsorge des Bistums einordnen, Äußerungen von Pater Reiner in einem Leserbrief an „Die Tagespost“ (erschienen: 25. Juni 2005, d.Red.) über den Pastoralen Prozess belegten die Verletzung der Loyalitätspflicht gegenüber dem Diözesanbischof und der Ordensobere habe zwei persönliche, vertrauliche Briefe aus dem Juni und September 2006, in dem die Bistumsleitung dem Orden den freiwilligen Verzicht der Patres nahe legte, veröffentlicht. Außerdem wurde den drei SJM-Priestern in Andeutungen vorgehalten, sie träten für vorkonziliare Praktiken wie die „Mundkommunion“ ein oder vermittelten – etwa durch Hinweise auf die Hölle oder Darstellungen in den Mappen der Kommunionkinder - eine Art „Theologie der Angst“.

Der Fuldaer Pfarrer der Pfarrei St. Joseph, Ferdinand Rauch, der überregional als Sektenbeauftragter des Bistums Fulda bekannt ist, erklärte öffentlich, bei der Kommunionvorbereitung der Kinder verwendeten die Patres „Angst machende“ moralische Hinweise auf die Hölle oder sprächen vom Verlust der Gottesliebe durch bestimmtes Verhalten. Dies sei „restauratives Gedankengut“ und die Grundhaltungen des Ordens stimmten nicht mit dem Pastoralen Prozess überein.

Der Orden „Servi Jesu et Mariae“ wurde 1988 gegründet und – nach eigenen Angaben - 1994 „als Kongregation päpstlichen Rechts anerkannt“, hat seinen Sitz im österreichischen Blindenmarkt, arbeitet – so teilt der Orden selbst mit – in mehreren Pfarreien in Deutschland und Österreich mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendarbeit.

Auf seiner Internetseite schreibt der Generalobere Pater Andreas Hönisch in einer „Richtigstellung zu den Ereignissen in der Diözese Fulda“, es gebe keinen Vertrauensbruch durch Weitergabe des Briefes von Bischof Algermissen, da dieser nicht als vertraulich gekennzeichnet war und an diejenigen, die von administrativen Maßnahmen betroffen würden – Patres und amtliche Pfarrgremien -, weitergeleitet wurde. Hönisch schreibt weiter, der eigentliche Grund der Auseinandersetzung sei die kritische Haltung der Patres gegenüber dem „pastoralen Prozess“.

Bei den Vorwürfen an die SJM-Patres werde einiges verschwiegen: dass sich Pater Reiner für seine Presseäußerung im Leserbrief schriftlich entschuldigt habe, dass er – so Hönisch – dem Bischof mehrfach Loyalität zugesichert habe, dass sich die 3 Ordenspriester seit 16 Monaten jeder Polemik enthalten hätten und in Treue zur Diözese ihren Dienst verrichteten.

Er selbst - so Hönisch – habe dem Bischof schriftlich mitgeteilt, dass bezüglich des Diözesan-Umbaues „das Schweigen (der Patres) keinen Boykott bedeutet“. Denn die Ordensleute hatten nicht – wie vom Bistum vorgegeben - bis zum 15. September 2006 „ihre Bitte für den >pastoralen Prozess< ausgesprochen.“ Im Klartext: die Pfarradministratoren haben sich geweigert, dem Bistum selbst eine Pfarrei-Zusammenlegung vorzuschlagen.

Die Teilnehmer der Mahnwache erklärten heute auf ihrem Flugblatt, die beiden Pfarreien seien „schockiert“ und wollten ihre „Seelsorger und Beichtväter“ behalten. Der Vorwurf gegen den Generaloberen sei nicht stichhaltig. Denn Kündigungsschreiben für Ordenspriester seien keine Privatbriefe, sondern amtliche Schreiben des Bischofs. Die Information der Pfarrgremien darüber sei „kein Vertrauensbruch“, sondern notwendig und legitim. Und die Gläubigen weisen auf den Priestermangel hin: „Hat das Bistum Fulda zu viele Priester? Kann man es sich deshalb leisten, auf drei junge, beliebte, eifrige und kirchentreu gläubige Seelsorger zu verzichten?“ fragten die Katholiken aus Schwarzbach, Eckweisbach, Simmershausen und Umgebung.

Kinder und Eltern berichteten, wie sehr sich die jungen Ordenspriester um den Nachwuchs mühten, dass in den Kommunionmappen „nichts Schlechtes drin steht“ und man in den beiden Pfarreien noch nie eine so vernünftige und zum Glauben motivierende Kinder- und Jugendarbeit gehabt habe. Die Katholiken befürchteten, dass sich nach dem Abzug der Ordensprieser die pastorale Versorgung der Pfarreien drastisch verschlechtern werde. Ganz abgesehen davon, dass nun der Unterricht der Kommunikanten unterbrochen werde: „Unsere Kinder sind die Verlierer.“

Auch wurde kritisiert, dass es sich mit christlichem Selbstverständnis nicht vereinbaren lasse, den Betroffenen innerhalb von wenigen Wochen zu kündigen: „Sowas gehört sich nicht.“ Was viele nicht verstehen, drückte ein Teilnehmer ganz konkret aus: „Wir haben ja nichts gegen den pastoralen Prozess – wenn es um die Gegenden mit starkem Priestermangel geht. Aber bei uns ist doch die Versorgung gut, warum denn dann diese Veränderungen, die für uns doch nicht nötig sind? Wir bekommen diese Umstrukturierungen aufgedrängt, obwohl wir sie nicht brauchen!“

Der eigentliche „Knackpunkt“ für die Verstimmung zwischen Bistum und Katholiken der betroffenen Pfarreien aber steht in einer Unterzeile des Flugblattes. „Der Bischof ist nicht bereit mit den Gremien der Pfarreien zu sprechen“, heißt es. Bei Gesprächen mit Teilnehmern der Mahnwache wurde deutlich, dass sich viele „von Fuldaer Schreibtischen aus regiert“ sehen und eine mangelnde Nähe des Oberhirten zu seinen Gläubigen bemängeln. Eine Katholikin erinnerte sich: „...früher, als wir mal Probleme hatten, da ist Bischof Dyba zu uns gekommen und hat sich selbst um eine Lösung gekümmert.“

Im Fall der SJM-Patres seien die Pfarrgemeinderäte von Eckweisbach und Schwarzbach ins Bischöfliche Generalvikariat zur Besprechung geholt worden – aber Bischof Algermissen sei nicht dabei, sondern auf einem Termin in Hanau gewesen. Und die Enttäuschung mancher Kirchenmitglieder könnte den Konflikt noch verschärfen: so war heute zu hören, dass in einer der beiden Gemeinden die „Kündigungsgegner“ während der Verlesung des bischöflichen Hirtenbrief zum „Elisabethjahr“ demonstrativ die Kirche verlassen wollen.

Gabriele Weigand-Angelstein +++



Mahnwache vor dem Dom - Fotos: St. Fleischer








Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön