Archiv

24.09.06 - Heringen

Müllverbrennung: Die Abschluss-Statements der Anhörung IM WORTLAUT

Die geplante Müllverbrennungsanlage (MVA) in der Nähe von Heringen im Kreis Hersfeld-Rotenburg hat in den vergangenen Monaten für Bewegung gesorgt: die gegründete Bürgerinitiative "Für ein lebenswertes Werratal" veranstaltete Aufklärungen und Unterschriftensammlungen, es gab zwei große Demonstrationen auf Thüringer Seite (Dippach) und in Hessen (Heringen). Die MVA, die mit Unterstützung der Kali + Salz AG gebaut werden soll, würde jährlich über 270.000 Kubikmeter Müll verbrennen. Die Mitglieder der Bürgerinitiative befürchten dadurch massive Verschlechterungen der Lebensbedingungen. Und Mitte September fand ein Anhörungstermin zum geplanten Müllheizkraftwerk der Firma BKB in Heringen statt.

Es handelt sich bei dem Genehmigungsverfahren um ein Verfahren nach den Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes mit Öffentlichkeitsbeteiligung und integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung. Zur Öffentlichkeitsbeteiligung gehörten die Auslegung der Antragsunterlagen sowie der anschließende Anhörungstermin. 7.000 Einwendungen gegen das Projekt lagen vor: unter Moderation des Regierungspräsidiums Kassel trugen Antragsteller und Einwender sechs Tage lang ihre Argumente vor.

Am Ende waren in dem Verfahren insgesamt mehr als 50 Anträge gestellt, die nun von den Verhandlungsführern beim RP, Rainer Werneburg und Maximilian Mägerlein, ausgewertet werden müssen. Und es hieß: Im Genehmigungsverfahren für die geplante Anlage solle Anfang 2007 entschieden werden, über den Antrag auf vorzeitigen Baubeginn könne frühestens im Dezember 2006 die Entscheidung fallen.

Nach einem von "osthessen-news" veröffentlichten Bericht mit Presseverlautbarungen der Kali + Salz AG (am 20.09. bei "osthesssen-news" über den Menüpunkt Archiv) hat sich Martina Selzer von der Bürgerinitiative "Für ein lebenswertes Werratal" gemeldet und darauf hingewiesen, dass K + S die Äußerungen des Gutachters Dr. Hermann Kruse falsch zitiert habe. Martina Selzer berichtete, sie habe die entsprechende Passage bei der Anhörung selbst "anders miterlebt", mit Dr. Kruse Kontakt aufgenommen und von ihm selbst per Fax folgende Erklärung erhalten, die die Redaktion hier IM WORTLAUT bringt:

"Ich bin zutiefst empört, in welcher Weise meine Ausführungen am Erörterungstemin am 18.9.06 hier bewusst missverständlich wiedergegeben wurden. Ich habe unmissverständlich ausgeführt, dass die Anlage mit ihren Emissionen einen Beitrag leistet zum Krebsgeschehen, zu den hormonell gesteuerten Abläufen im Organismen, zu den Lungenfunktionsstörungen und zu allergischen Reaktionen. Meine Aussage, dass hier in der Bevölkerung keine offensichtlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen feststellbar sind, wenn die 17. BImSchV eingehalten wird, bezieht sich auf das Problem, dass wir in einer so kleinen Datenmenge diesen Beitrag zu gesundheitlichen Auswirkungen nicht messen können! Hier wurde in einer Pressemitteilung von Kali + Salz ein Satz aus dem Zusammenhang gerissen und falsch interpretiert, obwohl ich extra noch darauf hingewiesen habe, wo ich Risiken sehe. Ich bitte um sofortige Klarstellung dieser Falschaussagen!"

Dr. Hermann Kruse, stellvertr. Direktor des Instituts für Toxikologie, Universität Kiel"

Nach Abschluss der Anhörung hat die Redaktion von "osthessen-news" eine weitere Zusendung zum Thema von Elke Hildebrandt (Heringen), die sich ebenfalls in der Bürgerinitiative (BI) engagiert, erhalten. "Um den nicht oder nur selten Anwesenden einen Eindruck zu vermitteln, wie beim Erörterungstermin tatsächlich miteinander umgegangen wurde - trotz gegensätzlicher Ansichten - und welche Fakten eine Rolle spielten," hat Elke Hildebrandt - so ihre eigenen Worte - eine mühevolle Aufgabe übernommen: anhand eines von der BI erstellten Protokolls wurden die meisten Sprecher der Schlussstatements beim letzten Erörterungstermin am 19.09.06 gefragt, ob ihre wörtlichen - teils selbst überarbeiteten - Ausführungen veröffentlicht werden dürfen.

Weil vielleicht zahlreiche Bewohner der Region Interesse an diesen abschließenden Einschätzungen haben, veröffentlicht "osthessen-news" diesen langen Text ungekürzt IM WORTLAUT. Gleichzeitig weist die Redaktion aber auch darauf hin, dass damit die Berichterstattung über das Anhörungsverfahren endgültig abgeschlossen ist.

"Schluss-Statements beim Erörterungstermins anlässlich des Genehmigung Verfahrens ETN-Anlage Heringen am 19.09.2006 (ab 19.30 Uhr)

Klaus Reinhard, Vorsitzender BI:

Ich möchte im Namen der BI „Für ein lebenswertes Werratal“ ein kurzes Statement zum Ergebnis der Erörterung aus unserer Sicht abgeben.

Das Ergebnis dieser 6 Tage, d.h. die Erörterung von über 7000 Einwendungen hat nach unserer Meinung gezeigt, dass diese MVA nicht genehmigungsfähig ist und deshalb nicht gebaut werden darf.

Es konnte von der Antragstellerin und der Genehmigungsbehörde den hier Anwesenden nicht glaubhaft vermittelt werden, dass die Antragsunterlagen auf der Grundlage von ausreichenden Untersuchungen der Umweltbelastungen der betroffenen Gebiete in Thüringen und Hessen erarbeitet worden sind. Vielmehr waren sie lückenhaft und auf der Grundlage von unzureichendem Datenmaterial ermittelt worden.

Ein großes Ärgernis, was nicht gerade zur Vertrauensbildung beigetragen hat, war der Versuch, diese offensichtlichen Belastungen in der Werratalregion z.B. durch 100 Jahre Kalibergbau herunterzuspielen und zu bagatellisieren, was gipfelte in dem Versuch, aufklärende bzw. belastende Messergebnisse (zur Vorbelastung durch Cadmium) den Einwendern bzw. den Sachbeiständen und Rechtsanwälten vorzuenthalten.

Die vorgelegten Gutachten, einschließlich das humantoxikologische Gutachten von Herrn Prof. Dr. Wichmann waren nicht geeignet die industriellen Belastungen aufzuzeigen. Sie haben im Hinblick auf die Luft-Boden- und Gewässerbelastungen keine Bewertungsgrundlage geliefert.

Völlig unzureichend z. B. sind die fehlenden Daten der Vorbelastungen der Luft aus dem Untersuchungsgebiet. Die Beschreibung der Luftqualität anhand von allgemeinen Hintergrunddaten, größtenteils nur aus Hessen, ist nicht akzeptabel und stellt die Sorgfaltspflicht der zuständigen Behörden in Frage. Ebenfalls wirft es kein gutes Licht auf die Behörden, wenn fehlende Vorbelastungsdaten und hier besonders bezogen auf Altlasten dieser Region, nur von der BI und von den Kommunen vorgelegt wurden.

Ich fordere noch einmal mit Nachdruck und zitiere dazu Herrn Dr. Kruse: „Ohne den Indizien auf eine starke Vorbelastung nachgegangen zu sein, sollte auf keinen Fall über eine Zusatzbelastung, egal in welcher Höhe, verhandelt werden“, das heißt, ohne die Auswertung von neuen Messungen zur Vorbelastung kann es zu keiner neuen Entscheidungsfindung zum möglichen Bau der Anlage kommen.

Als zutiefst unseriös sehen wir die Schlussfolgerung an, dass die erhöhten Krebsfälle im Kreis Hersfeld-Rotenburg damit zu erklären sind, dass ältere männliche Raucher sich vermehrt in dieser Region ansiedeln. Allein diese Feststellung könnte, sofern kein neues humantoxikologisches Gutachten erstellt wird, eine Grundlage für vermehrte Widersprüche und Klagen gegen den Bau dieser Anlage bedeuten.

Alles in Allem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier ein „Allesbrenner“ mit sogenannter „bestverfügbarer Technik“, das bedeutet Filtertechnik, womit die Grenzwerte der 17. BImSch-Verordnung gerade so eingehalten werden, gebaut und betrieben werden soll. „Moderne“ Filtertechnik, womit weitaus niedrigere Zusatzbelastungen zu erreichen wären und damit das gesundheitliche Belastungsrisiko weiter gesenkt werden würde, wurde rigoros vom Antragsteller abgelehnt. Das ist unverantwortlich und menschenunwürdig.

Meine Damen und Herren der BKB, überdenken Sie Ihre Position. Es kann nicht sein, dass man alles reinen wirtschaftlichen Interessen unterordnet, denn auch Sie haben eine Verantwortung für die Gesundheit der betroffenen Bevölkerung und die Erhaltung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen.

Ausgehend von unserer gemeinsamen Verantwortung für Mensch und Natur auch ein paar Worte an Sie, meine Herren von K + S. Es ist unstrittig, dass Sie als größter Arbeitgeber dieser Region vielen tausenden Menschen einen sicheren Arbeitsplatz bieten und Sie zu deren Erhaltung Gewinne erwirtschaften müssen.

Das erkennen wir an und stellen deshalb diesen Kalistandort nicht in Frage.

Dennoch appellieren wir auch an Ihre soziale Verantwortung und an Ihr Gewissen! Muten Sie Ihren Mitarbeitern und der hier lebenden Bevölkerung nicht noch weitere gesundheitliche Belastungen zu. Setzen Sie sich für die neuen Messungen der Vorbelastungen ein. Dies würde zur weiteren Vertrauensbildung beitragen.

Ich denke, Sie haben in den letzten 6 Tagen erkannt, dass dieses Projekt „MVA Heringen“ höchst umstritten ist und deshalb einen Imageverlust für K + S bedeuten würde, wenn Sie dem rigoros zustimmen, abgesehen von dem weiter bestehenden Konfliktpotenzial unter Ihren Mitarbeitern und der Bevölkerung dieser Region.

Zum Schluss meines Statements kann ich nicht umhin, noch einmal eindeutig klar zu stellen, dass die BI „Für ein lebenswertes Werratal“ eine länderübergreifende basisdemokratische Bewegung ist, die unpolitisch das Ziel verfolgt, die hier lebende Bevölkerung im Werratal bei der Erhaltung und dem Schutz ihrer Lebensgrundlagen aktiv zu unterstützen, sowie in unserer Satzung festgehalten.

Wir lassen uns weder instrumentalisieren noch in eine bestimmte politische Ecke drängen. Des Weiteren liegt es auf keinem Fall in unserem Interesse, Ost-West-Konflikte anzuheizen. Das tun andere. Im Gegenteil, wir wollen gemeinsam gegen den geplanten Bau der Anlage angehen, die nach unserer festen Meinung Mensch und Natur auf Dauer schadet.

Die BI distanziert sich deshalb auch auf das Schärfste von Drohbriefen und persönlichen Angriffen jeder Art gegen Andersdenkende. Doch wer Wind sät, wird Sturm ernten. Und wer sich in erster Linie mit unsachlichen Äußerungen und verbalen Entgleisungen artikuliert hat, war in den vergangenen Wochen für alle nachvollziehbar.

Deshalb rufen wir den Bürgermeister von Heringen, Herrn Ries, eindringlich auf: Hören Sie damit auf von der Sachebene abzulenken, um zu verhindern, dass sich die Menschen in Thüringen und Hessen unvoreingenommen mit dem Thema Müllverbrennung in Heringen auseinandersetzen. Hören Sie auf mit Ihren wüsten Beschimpfungen und dem Versuch, 17 Jahre nach der Einheit eine neue Schlacht Ost gegen West heraufzubeschwören. Kehren Sie zur Sachlichkeit zurück, indem Sie sich z. B. für die Durchsetzung des Beschlusses Ihrer Stadtverordneten vom 15.08.06 einsetzen und den Bau der Anlage nur dann zulassen, wenn die modernste Filtertechnik eingebaut wird, der Müll überwiegend auf der Schiene angeliefert wird und eine Umgehungsstraße für den Antransport des Mülls gebaut wird.

Am Ende meiner Ausführungen möchte ich es nicht versäumen, mich im Auftrag der BI „Für ein lebenswertes Werratal“ zu bedanken, im Besonderen bei der Einheitsgemeinde Gerstungen, der Stadt Berka/Werra, der Verwaltungsgemeinschaft Berka/Werra mit den dazugehörigen Gemeinden Dippach und Dankmarshausen, deren Bürgermeister und hier insbesondere bei Herrn Werner Hartung und Herrn Hans Woth für die tatkräftige Unterstützung vor Ort. bei unseren Rechtsanwälten Herrn Möller-Meinicke, Herrn Phillip Heinz, den Sachbeiständen Herrn Klaus Koch, Herrn Peter Gebhardt und dem Gutachter für den Bereich Toxikologie, Herrn Dr. Kruse, für die sehr gute fachspezifische Unterstützung und die gute Zusammenarbeit.

bei Ihnen, Herr Werneburg, für die sachliche und faire Leitung dieser Erörterung, wenn Sie auch verstehen müssen, dass wir mit dem Ergebnis in keiner Weise einverstanden sein können. Ich denke, Sie und Ihre Behörde werden daran gemessen, inwieweit die über 50 gestellten Anträge und die daraus resultierenden Prüfaufträge in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.

Bei allen Einwendern und Bürgern, die uns über die 6 Tage hinweg in diesem Saal tatkräftig unterstützt haben. Dass einige Einwendungen zum Teil bis tief in die persönliche Sphäre reichend vorgetragen wurden, zeigt von der großen Verbitterung über den geplanten Bau dieser höchst umstrittenen Anlage. Dafür nochmals an alle unseren herzlichen Dank. Abschließen möchte ich mit den Worten von Bertold Brecht:

„Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren!“

Deshalb kann ich an dieser Stelle versichern, wir werden weiter kämpfen „Für ein lebenswertes Werratal“.

Martina Selzer, BI:

Viele berechtigte Einwendungen wurden hier abgewehrt. Es gibt eine ungenügende Gesetzeslage in Umweltfragen. Die Genehmigungsbehörde möge dies mehr beachten und eine vorzeitige Genehmigung nicht erteilen.

Hans Woth, Stadt Berka:

(an RP gerichtet) Blättern Sie nicht nur in Paragraphen. Nutzen Sie Ihren gesunden Menschenverstand. Sie haben es hier mit Menschen zu tun. Heute weiß man Dinge, die man vor 20 bis 30 Jahren noch nicht wusste. In 20 bis 30 Jahren weiß man Dinge, die man heute noch nicht weiß.

Einwender - Name unbekannt

Vorbelastungen, Gesundheitsschädigungen bei Älteren sind leider als Vorbelastung kaum messbar. Bitte lassen Sie Vorbelastungen nicht außer Acht.

Peter Gebhardt, Sachbeistand der Stadt Berka und einiger Gemeinden:

(Dieses Statement ist im Wortlaut bei osthessen-news bereits am 22.09. veröffentlicht)

Im Folgenden möchte ich die wesentlichen Erkenntnisse der vergangenen 6 Tage Erörterungstermin aus fachlicher Sicht zusammenfassend darstellen. Im Laufe dieses Anhörungstermines wurde immer wieder deutlich, dass die Vorbelastung in der Region bislang völlig unzureichend untersucht wurde. Dies betrifft sowohl den Bereich der Belastungen in der Luft als auch den Bereich des Bodens und der Gewässer. Messungen der Kali und Salz deuten auf massive Belastungen bei Cadmium hin. Ein Zusammenhang mit der industriellen und bergbaulichen Nutzung im Untersuchungsgebiet liegt nahe, zumal anzunehmen ist, dass in zurückliegenden Produktionsprozessen das Schwermetall Cadmium als Katalysator eingesetzt wurde und nun in großen Mengen auf Kalihalden im Untersuchungsgebiet vorhanden ist.

Auch aufgrund einer Vielzahl von anderen Altlasten und Altablagerungen im Untersuchungsgebiet ist eine hohe Vorbelastung zu befürchten.Gefordert wurden daher intensive Untersuchungen der Vorbelastungssituation im Schwebstaub und Staubniederschlag, die von einem unabhängigen Messinstitut im Zeitraum eines Jahres durchgeführt werden. Ähnlich wie für das Medium Luft liegen auch für den Bereich Boden sehr wenig Erkenntnisse über die Vorbelastung im Untersuchungsgebiet vor. Auf wichtige Daten, insbesondere hohe Cadmiumbelastungen in der Werraaue musste erst durch die Einwender aufmerksam gemacht werden. Untersuchungen von Böden, die von Einwendern in Auftrag gegeben wurden, zeigen ebenfalls hohe Belastungen bei Cadmium. Die Einwender fordern daher umfassende analytische Untersuchungen der Vorbelastungen der Böden. Bis zur Vorlage der Ergebnisse der Vorbelastungsuntersuchungen ist das Genehmigungsverfahren auszusetzen.

Schon zu Beginn des Erörterungstermines wurde deutlich, dass die beantragten Schadstoffgehalte in den zur Verbrennung beantragten Abfällen weit unter dem liegen, was als maximal beantragt wurde. Dies gibt Anlass zu der Befürchtung, dass eine Vorratsgenehmigung erlangt werden soll, mit deren Hilfe, zu einem späteren Zeitpunkt ohne weitere Öffentlichkeitsbeteiligung Abfälle mit weitaus höheren Schadstoffgehalten zur Behandlung in der Anlage zugelassen werden soll. (Schredderleichtfraktion).

Der Erörterungstermin machte auch deutlich, dass die Anlage entgegen den mehrmaligen Beteuerungen der Antragsteller und der K & S nicht dem Stand der Rauchgasreinigungstechnik entspricht. Mehrstufige Systeme mit Katalysator und Wäscher können die bei der Verbrennung entstandenen Schadstoffe wesentlich effektiver abscheiden als die hier geplante Technik. Hinzu kommt, dass, wie in anderen Anlagen mehrmals geschehen, durch größere Mengen eingetragenen Quecksilbers, massive Freisetzungen dieses extrem toxischen Schadstoffes erfolgen können. Auch hier würde durch eine zusätzliche nasse Rauchgasreinigungsstufe ein vielfach höheres Rückhaltevermögen geschaffen. Was für die Rauchgasreinigung zutrifft, gilt auch für den Brandschutz. Auch für diesen Bereich wurde der Stand der Technik in keiner Weise umgesetzt. Weiterhin wurde deutlich, dass im Falle eines Brandes des Abfallbunkers erhebliche Gesundheitsschädigungen von Personen, die sich im näheren Umfeld der Anlage befinden, nicht auszuschließen sind.

Der Bunker entspricht auch nicht den Vorgaben im Hinblick auf wassergefährdende Stoffe. Er st weder doppelwandig, noch ist ein Erkennen und eine Kontrolle austretender wassergefährdender Stoffe durch die geplante Technik möglich. Im Hinblick auf den von der Anlage ausgehenden Lärm wurde offensichtlich, dass der Bezugsort, der für die Bewertung der Zusatzbelastung herangezogen wurde, völlig ungeeignet ist. Dieser Ort befindet sich im Lärmschatten größerer Gebäude der Kali und Salz. Neben dem betrachteten Gebäude befinden sich mehrere andere Gebäude, die wesentlich stärker durch Lärm, der von der Anlage ausgeht, betroffen sein werden. Der bislang geplante Lärmschutz für diese Gebäude ist in keinem Maße ausreichend.

Am vierten Tag legte der Rechtsbeistand der Kommunen, die ich hier vertrete, ausführlich dar, dass die vorgelegte Anlagenplanung den Zielen des Raumordnungsplanes Nordhessen widerspricht. Es wurde daher beantragt, ein Raumordnungsverfahren einzuleiten, in dem die Belange der von mir vertretenen Kommunen berücksichtigt werden. Die Anlage soll auf einer ehemaligen Deponie der Kali und Salz errichtet werden. Es bestehen erhebliche Befürchtungen, dass sowohl beim Bau als auch beim Betrieb der Anlage durch Schadstofffreisetzungen erhebliche Gesundheitsgefährdungen auftreten können. Weiterhin wird durch die Realisierung des beantragten Projektes dauerhaft eine eventuell erforderliche Sanierung der Deponie verhindert. Es ist auch nicht geklärt, ob die Anlage die bestehenden Hochwassergrenzen respektiert. Es besteht die Gefahr, dass im Falle eines Hochwassers der Baugrund unterspült wird und Schadstoffe aus der Altdeponie austreten. Aufgrund der Verengung durch die Aufschüttung ist weiter zu befürchten, dass das Hochwasser in Richtung Heringen gedrängt wird und dort zu erheblichen Schäden führen kann.

Zur Toxikologie äußerten sich gleich zwei Experten:Herr Wichmann, der von der Genehmigungsbehörde bestellte Sachverständige, bemängelte ebenso wie Herr Kruse, der Toxikologe der Einwender, dass keine Vorbelastungsuntersuchungen aus dem Untersuchungsgebiet vorliegen. Es sei nach Herrn Wichmann weiterhin zu prüfen, ob die Freisetzung krebserregender Stoffe aus der geplanten Anlage verringert werden kann. Dr. Kruse, Toxikologe von der Universität Kiel, führte aus, dass nicht nur die vom Gesetzgeber in der TA-Luft festgelegten Irrelevanzschwellen von einer Reihe von Schadstoffen überschritten werden, sondern dass darüber hinaus auch toxikologisch begründete Vorsorgewerte allein durch die Zusatzbelastung ebenfalls massiv überschritten werden. Eine Verbrennungsanlage, wie sie hier beantragt wurde, sei aus seiner Sicht nicht akzeptabel.

Zusammenfassend lässt sich folgendes festhalten:Die vorgelegte Anlagenplanung ist in vielerlei Hinsicht lückenhaft, fehlerhaft und rechtswidrig. Obwohl das Vorhaben in einer besonders empfindlichen Region mit massiven Vorbelastungen und besonderen geographischen Gegebenheiten geplant ist, ist weder die BKB als Antragstellerin noch die Kali und Salz als zukünftige Dampfabnehmerin gewillt, die sich hierdurch ergebenden besonderen Anforderungen an die Planung einer Abfallverbrennungsanlage, insbesondere aber eine deutlich effektivere Rauchgasreinigungstechnik auch nur ansatzweise umzusetzen. Und dies, obwohl allen Beteiligten bekannt ist, dass die Kali und Salz jährlich zweistellige Millionenbeträge durch den Betrieb der Anlage einsparen kann.

Die Sorgen der hier lebenden Menschen um ihre Gesundheit werden den wirtschaftlichen Belangen von BKB als Antragsteller und Kali und Salz als Nutznießer der Anlage völlig untergeordnet. Die von mir vertretenen Kommunen fordern daher das Regierungspräsidium Kassel auf, diesen Genehmigungsantrag zurückzuweisen. Der beantragte vorzeitige Baubeginn ist zu versagen. Der vorgelegte Antrag ist weder genehmigungsfähig noch vor den Bürgern der von mir vertretenen Kommunen in irgendeiner Form zu verantworten.

Pfarrer Rolf Lakemann, Dorndorf:

Ich habe mit vielen telefoniert und gesprochen. Der Tenor war: Ein Stückchen Schöpfung muss hier so gut wie möglich bewahrt werden. Viele Gemeindeglieder haben mir ihre Sorgen mitgeteilt. Sie möchten so wenig Schädigung wie möglich. Pfarrer in Ost und West wollen sich für weniger Belastungen einsetzen. Mein Appell: Genehmigen Sie die Müllverbrennungsanlage nicht!

Klaus Koch, Sachverstand BI:

Eine Bitte für die Bürgerinitiative: Es möge ein Beirat eingerichtet werden für diese Projektentwicklung. Sollte K+S dieses befürworten, sollte dieses auch Bestandteil des Genehmigungsverfahrens werden. Ich rege an, Herrn Prof. Kruse in den Beirat einzuberufen und stelle mir eine paritätische Besetzung vor. Von K+S bitte ich um eine schriftliche Antwort.

Herr Borrass, BKB - Antragstellerin:

Für BKB sind Beiräte nicht unbekannt. Sie werden bei uns regelmäßig aus dem Bereich unserer kommunalen Kunden gebildet. Auch für Heringen werden wir die Bildung eines Beirats prüfen. Wie bei den Informationsveranstaltungen vorher, sind wir auch in dem Erörterungstermin angetreten, um Ängste bei den Menschen abzubauen. Ich hoffe, es ist zumindest zum Teil gelungen. Emotional sind wir gerade als Mitarbeiter der BKB in den Tagen der Erörterung sehr betroffen und wir werden einige Zeit benötigen, um die Eindrücke zu bewältigen.

Ich danke Ihnen, dass Sie auf engagierte und faire Weise mit erörtert haben. Besonders danke ich dem Verhandlungsleiter, Herrn Werneburg, und Herrn Mägerlein sowie den kompetenten Behördenteilnehmern. Eine Bitte zum Schluss: Wenn irgendwelche Fragen auftauchen, wenden Sie sich bitte an uns. Dies gilt insbesondere dann, wenn Gerüchte entstehen oder Missverständnisse ausgeräumt werden können. Von unserer Seite werden wir alles tun, um die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß zu informieren.

Rainer Werneburg, Moderator der Genehmigungsbehörde:

Gibt es Geschäftsordnungen für einen solchen Beirat? Das könnte für K+S hilfreich sein.

Klaus Koch:

Die gibt es. Ich danke Herrn Werneburg für die Verhandlungsführung und der Bürgerinitiative für die engagierte Arbeit, die innerhalb von 2 Monaten soviel geleistet hat wie andere in 2 Jahren. Sie waren in meinen 20 Jahren Erfahrung die Größten. Ich würde die Zusammenarbeit gerne fortsetzen wollen.

Hans Woth:

Eins zur Vorbelastung, eine Korrektur: Gestern sagte ich, ich sei der Fünftälteste in meiner Straße. Heute bin ich der Viertälteste. Ein Lehrer ist an Krebs gestorben.

Ich wünsche mir ein Raumordnungsverfahren. Bremsen Sie unsere Bemühungen für Thüringen nicht aus. Für eine Müllverbrennungsanlage fehlt der Beipackzettel; sie ist eine bittere Pille. Appell 1: An die BKB – erspare ich mir. Appell 2: An K+S - Wertschöpfung für die Region: Wie soll das laufen? Unterstützen Sie uns, setzen Sie das Verfahren aus bis Erkenntnisse über die Belastungen vor Ort vorliegen. An diesem Genehmigungsverfahren sollte niemand teilnehmen, der an diesem Anhörungsverfahren nicht teilgenommen hat. Wir wollen hier unsere Grundrechte und unsere Betroffenheit geltend machen. (an Herrn Werneburg) Wenn Sie erkennen, dass es Gründe gibt, das Verfahren auszusetzen, dann bitte: Tun Sie es.

Bürgermeister Werner Hartung, Gerstungen:

Ich habe in diesem Verfahren mehr Freunde als Feinde gewonnen. Ich war vor meinem Bürgermeisteramt in der Wirtschaft tätig und kann die Interessen von BKB nachvollziehen. Aber die Müllverbrennungsanlage bringt unnötige Belastungen durch den Betrieb der Anlage und die Transporte. Wasser, Boden und Luft sind bereits stark belastet. Fügt nicht noch mehr Belastungen hinzu!

Pfarrer Fritz Ewald, Dankmarshausen:

Ich kann nicht verstehen, warum hier Dinge in die Diskussion gebracht wurden, die mehr als von gestern sind. Ich bin hier heimisch geworden seit 20 Jahren. Die Entwicklung der Bürgerinitiative in den letzten Wochen ist etwas, was für mich nur vergleichbar ist mit dem, was ich 1989 bei der Grenzöffnung erlebt habe.

Zum 15. Jahrestag der Grenzöffnung bin ich Bürgermeister Ries begegnet. Ich kann mich gut erinnern, wie er berichtete von seinen positiven Erfahrungen als Gewerkschafter in Suhl nach der Grenzöffnung. Insofern kann ich nicht verstehen, dass er jetzt Feindbilder aufbaut.

Hier geschieht Unrecht. Geld- und Aktienwerte wandern rund um die Welt, die Menschen aber bleiben hier. Wir haben in Dankmarshausen Brunnen, die vor 80 Jahren durch das Abteufen eines Schachtes versalzen wurden. Seitdem bezieht Dankmarshausen Wasser aus 30 km entfernten Quellen, Wasser, das sehr kalkhaltig ist. Es sind Fehler, die damals gemacht wurden und bis heute Folgen haben. Das bitte ich auch bei dieser Entscheidung mit zu bedenken, dass auch zukünftige Generationen Folgen Ihrer Entscheidung tragen müssen.

Die Firma K+S gehört zu unserer Gegend und ist akzeptiert trotz aller Belastung. Die Menschen hier leben mit und vom Bergbau und seinen Folgen. Dass ein Müllheizkraftwerk noch oben draufgesetzt wird, bringt die Belastungen an einen unerträglichen Punkt. Ich bitte Herrn Werneburg, dass die Genehmigung zum vorzeitigen Beginn des Baus der Anlage versagt wird.

Dr. Helmut Zentgraf, K+S:

Ich habe wie Herr Borrass diesen Erörterungstermin mit 6 Tagen als meinen längsten erlebt. Es sind aus dem Kreis der Einwender einige Aspekte vorgetragen worden, die mich persönlich sehr bewegt haben. Die geäußerten Sorgen und Ängste der Bevölkerung nehmen wir sehr ernst. Und dies wird auch künftig der Fall sein. Auch ich muss hier ein Kompliment aussprechen: Es ist viel zusammengetragen worden, das hatte ich nicht erwartet. Wir werden darüber nachdenken.

Wir haben im Verlauf des Projektes stets offen und transparent informiert und immer wieder betont, dass wir zu jeder Zeit gesprächsbereit sind. Das Projekt wird dazu beitragen, die Arbeitsplätze im Unternehmen sicherer zu machen und den Wirtschaftsstandort Heringen zu stärken. Hier geht es keinesfalls ausschließlich um die Interessen der Aktionäre. Im weiteren Verfahren wird es nun darum gehen, dass die vorgebrachten Anträge und Bedenken objektiv auf Ihre Auswirkungen auf das Projekt geprüft werden.

Susanne Jungkurth, Einwenderin:

Geben Sie den Kindern im Werratal eine Chance. Und den Eltern und Großeltern die Chance, diese Kinder zu begleiten.

Rainer Werneburg, Moderator, Regierungspräsidium:

Eine intensive sechstägige Anhörung geht zu Ende, in der vor allem Ihre Sachbeistände den vorgelegten Antrag auf Errichtung der Anlage einer umfassenden Schwachstellenanalyse unterzogen haben. Mehr als 50 Prüfanträge sind gestellt worden, die von meiner Dienststelle und den Fachbehörden in den nächsten Wochen mit großer Sorgfalt abgearbeitet werden müssen. Danach wird festgestellt, ob eine abschließende Entscheidung getroffen werden kann, oder ob der Antragsteller noch Unterlagen nachliefern muss, die ggf. erneut auszulegen sind.

Sofern der Antrag entscheidungsreif ist, wird möglicherweise im Dezember über den Antrag auf vorzeitigen Beginn der Baumaßnahmen entschieden. Die notwendigen Vorarbeiten und Begründungen für eine Entscheidung über den eigentlichen Genehmigungsantrag werden voraussichtlich im 1. Quartal 2007 abgeschlossen werden.

Das Protokoll über die Erörterung wird ca. in einem Monat fertiggestellt sein. Wir werden von Seiten der Einwender den betroffenen Bürgermeistern, der Bürgerinitiative sowie den Sach- und Rechtsbeiständen von Amts wegen diese Niederschrift zuleiten. Im Übrigen kann jeder betroffene Einwender (schriftlich, telefonisch oder per Email) bei unserer Dienststelle in Bad Hersfeld die Übersendung der Niederschrift anfordern.

Mich hat vieles in diesem Erörterungstermin persönlich bewegt. Ich sehe zum Beispiel die junge Dame hier vor mir, denke an ihre Ausführungen über ihre Krankheit und wie sie die Hände gefaltet und gebetet hat.

Ich möchte mich sehr herzlich bei allen Einwendern dafür bedanken, dass trotz großer persönlicher Betroffenheit und Emotionen eine sehr sachliche und konstruktive Diskussion stattgefunden hat. Dies ist nicht selbstverständlich. Insbesondere die Bürgerinitiative hat ein sehr hohes Engagement gezeigt und sich wochenlang auf diesen Termin vorbereitet. Dabei haben ihre Mitglieder Urlaub und Freizeit hintenangestellt - ein Bürgerengagement, vor dem ich hohen Respekt habe.

Bedanken möchte ich mich ferner bei der Fa. CCS, die den Termin organisatorisch hervorragend vorbereitet und betreut hat, Herrn Kaiser für die vorbildliche Versorgung mit Speisen und Getränken, bei Herrn Bürgermeister Ries für die Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten und der Firma Kali + Salz, die mit großer Geduld versucht hat, auf alle ihr gestellten Fragen eine angemessenen Antwort zu finden.

Den Vorschlag zur Einrichtung eines Beirates werde ich prüfen und mit dem Antragsteller sowie der Fa. Kali+Salz besprechen. Damit schließe ich den Erörterungstermin (21.00 Uhr)."

+++

Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön