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Die Tagesbetreuung der Caritas Fulda bietet den älteren Behinderten einen festen Rahmen und individuelle Hobbys - das Lösen von Rechenaufgaben... - Fotos: Caritas FD/C. Scharf

...oder Theaterspielen für die Gruppe

29.05.06 - Fulda

"Neue soziale Aufgabe" - Tagesbetreuungsgruppen der Caritas für behinderte Rentner

Auch bei Menschen mit Behinderung gibt es immer mehr Ruheständler. Um sie vor Vereinsamung und Trägheit zu bewahren, haben die Altenwohnheime der Caritas Fulda eine Tagesbetreuung ins Leben gerufen: Mit Zivildienstleistenden und Praktikantinnen werden Vorlesestunden veranstaltet, die jeweiligen Hobbys gepflegt und auch Ausflüge veranstaltet. Hierbei sind Regelmäßigkeit und Abwechslung genauso wichtig wie die Rücksichtnahme auf die Wünsche der Fuldaer Rentner.

Gerade ist das Frühstück in der Tagesbetreuungsgruppe Elisabeth zu Ende gegangen. Gemeinsam wurden Brötchen gegessen, Kaffee getrunken und aus der Zeitung vorgelesen. Nun schnappt sich Werner das Lokalblatt, denn er möchte sich das Kreuzworträtsel sichern: "Großer eu-ro-pä-i-scher Fluss, vorne ein R....?", fragt er in die Runde.

Die meisten anderen aber haben im Augenblick ihr eigenes Programm: Willi baut gerade seine Rechenmaschine auf den Tisch auf und lässt sich von Zivi Clemens ein paar Rechenaufgaben notieren, die er dann lösen möchte. Brigitte schnappt sich Tagesgruppenmaskottchen Axel, einen Teddybären, und platziert ihn im Korb vorne an ihrem Rollator, um mit ihm ein wenig durch die Räume spazieren zu fahren. Lieblingsstation ist das kleine Büro mit dem Computer. "Da ist der Axel auch drin", erklärt sie und weist auf den Bildschirmschoner: In der Tat schmückt der Teddy bei Nichtnutzung des PCs in voller Breite den Bildschirm.

Praktikantin Christine schart mittlerweile weitere aus der Tagesbetreuung im Aufenthaltszimmer um sich. Hier soll vorgelesen werden. Außerdem hat Sylvia angekündigt, heute ein Stück mit den Handpuppen vorspielen zu wollen: Kaspar, Großmutter, Krokodil, alle werden sie vertreten sein.

Die eigenen Hobbys pflegen

Es ist ein eher ruhiger Tag in der Tagesgruppe. Ein Ausflug steht nicht auf dem Programm, so kann man es ruhiger angehen und sich mit allem ein bisschen mehr Zeit lassen. "Entscheidend ist weniger, dass immer unheimlich viel passiert", erläutert Gruppenleiterin Elke Giebel, "viel wichtiger ist ein festes Gerüst der Tages- und Wochenplanung. Das ist etwas, woran unsere Betreuten sich dann festhalten können. Also morgens zum Beispiel steht immer das gemeinsame Frühstück zum Erzählen und Zeitung lesen an erster Stelle. An manchen Tagen haben wir dann unseren Bastel- oder Malkreis, oder es gibt auch gemeinsame Gymnastik. Auch darf jeder seinen eigenen Hobbys nachgehen. Ziel von uns ist es, Anregungen zu geben, für Aktivität und Bewegung zu sorgen."

Denn wer nichts tut als Rentner, der wird träge, versauert. Das Problem kennt man ja durchaus: Wer aus dem Arbeitsprozess ausscheidet, sei es aus gesundheitlichen oder Altersgründen, hat plötzlich viel Zeit und muss seinen Alltag neu strukturieren. Behinderte Menschen, sofern sie in einem Wohnheim oder allein leben, kommen nach ihrem Ausscheiden aus den Werkstätten nicht mehr automatisch mit anderen zusammen.

Die Tagesbetreuung schafft ihnen an Werktagen einen neuen Lebensmittelpunkt.

Der Bedarf an dieser Form der Alltagsbegleitung steigt. Die Caritas Behindertenhilfe Fulda unterhält mittlerweile schon vier Gruppen, in denen etwa 50 behinderte Menschen eingebunden sind, immerhin die Hälfte derjenigen, die in Fulda in einem Wohnheim für Behinderte zu Hause sind.

Immer mehr behinderte Menschen im Rentenalter

"Das ist gewissermaßen eine ganz einfache Rechenaufgabe", erläutert der Ressortleiter der Behindertenhilfe, Ernst-Paul Walter. "Die Nachkriegsgeborenen gehen aufs Rentenalter zu. Wer 1946 auf die Welt kam, ist jetzt 60 Jahre alt. Auch zahlreiche Menschen mit Behinderung können damit jetzt nach ihrem Erwerbsleben aus den Werkstätten ausscheiden und in ihren wohlverdienten Ruhestand gehen."

Rentner mit körperlicher und geistiger Behinderung: Für die Wohlfahrtsverbände wie die Caritas als Träger der Werkstätten und Wohnheime ist das trotzdem eine noch relativ neue Situation. Denn die medizinischen Möglichkeiten der Gegenwart sorgen auch bei behinderten Menschen für das Erreichen eines immer höheren Lebensalters. Zudem gibt es einen historischen Grund für das Novum: Die Geburtsjahrgänge der behinderten Menschen vor 1946 fielen fast vollständig den Nazi-Schergen und ihrem Euthanasie-Programm zum Opfer.

Nichtsdestotrotz entwickelte sich bei den Caritas-Wohnheimen in Fulda schon vor längerer Zeit die Idee, für Heimbewohner und ehemalige Werkstattangehörige eine geeignete Tagesbetreuung zu entwickeln, denn - wie in der Berufswelt der Nicht-Behinderten auch - es gab natürlich immer auch behinderte Menschen, die frühzeitig nicht mehr arbeiten konnten oder wollten.

Die Tagesbetreuung kommt bei den Seniorinnen und Senioren im Großen und Ganzen gut an, zumal auch Ausflüge - etwa in den Frankfurter Zoo oder in die Rhön - auf dem Programm stehen. Längst nicht alles wird aber einfach so hingenommen, die Seniorinnen und Senioren wollen mitreden, was für ein Kuchen gebacken wird und wo der nächste Ausflug hingehen soll. "Die Vorschläge der Betreuten sind vielschichtig, und das Team ist natürlich bemüht, möglichst viele der Wünsche zu berücksichtigen", erklärt Gruppenleiterin Giebel.

"Wir haben gewissermaßen auch bei unserem Klientel das Phänomen der so genannten Jungen Alten", betont Ernst-Paul Walter. "Hier macht sich bemerkbar, dass wir in unseren Einrichtungen immer auf eine Stärkung des Selbstbewusstseins unserer Behinderten hingewirkt haben - ganz offenbar recht erfolgreich, kann man da nur sagen..."

Christian Scharf


Gemeinsames Malen steht auf dem Programm...

...oder auch Ausflüge und Besichtigungen

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