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22.05.06 - Kalbach

"Frohes Ende": frühere Heubacher Synagoge nun kulturelle Begegnungsstätte

Nach gut zweijährigen Vorbereitungen und etwa 14-monatiger Bauzeit ist die ehemalige Landsynagoge in Heubach, einem Ortsteil der Gemeinde Kalbach im Kreis Fulda, nun saniert und umgebaut. Das denkmalgeschützte Gebäude wurde im Jahr 1843 erbaut. Nach dem Verkauf an die Gemeinde 1937 diente das Haus nicht mehr als religiöses Zentrum, sondern wurde profan als Rathaus und Wohnraum genutzt.

Mit der Wiedereröffnung und Übergabe gestern ging ein sehr bewegter 23-jähriger Abschnitt in der Geschichte dieses Hauses glücklich zu Ende. Im Verlauf dieser über zwei Jahrzehnte drohte der Verfall, ein "Abbau" zum Versetzen in eine andere Region und das Scheitern einer teuren Sanierung wegen Widerständen in der Bevölkerung.

Maßgeblichen Anteil an der Rettung der Landsynagoge hat der Kalbacher Bürgermeister Karl-Heinz Kaib zwei Frauen zugesprochen: der inzwischen verstorbenen Fachfrau Dr. Thea Altaras und der Pfarrerin Johanna Rau, die Vorsitzende des eigens gegründeten "Förderverein Landsynagoge Heubach" ist. Zu den Baukosten von 740.000 Euro - die erfreulicherweise unter dem ursprünglichen Ansatz von 780.000 Euro blieben - hatten zahlreiche Stellen beigetragen: von Ministerien und Denkmalpflege-Institutionen über Kirchen und die Gemeinde Kalbach bis zu Privatförderern.

Zahlreiche Engagierte gestalteten gestern auch die Übergabefeier mit: Pfarrerin Johanna Rau hielt eine Ansprache ebenso wie Bürgermeister Karl-Heinz Kaib und das Vorstandsmitglied des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Hessen, Dr. Jakob Gutmark. Grußworte sprachen der Landesbischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen und Waldeck, Dr. Martin Hein und der Heubacher Ortsvorsteher Gerhard Müller.

Das Projekt, die historische Bedeutung und die architektonische Seite erläuterten Dr. Falko Lehmann vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen sowie der Architekten, Dipl.-Ing Jürgen Krieg und Diplom-Ingenieur Uli Thümmler. Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Fulda, Linde Weiland, brachte mit dem Gesang von Psalmen und "Ani Ma'amin" den jüdischen Glauben sozusagen musikalisch-spirituell in die Mauern der einstigen Landsynagoge zurück.

Die Foto-Serie vermittelt einen Eindruck von der Feier, an der auch ein Team des Hessischen Rundfunks teilnahm - für einen Bericht in der Fernseh-Regionalsendung Hessenschau.

Die Geschichte der Heubacher Synagoge, die Probleme und die Retter des kulturhistorisch bedeutenden Hauses und die Perspektiven für die künftige Nutzung schilderte Bürgermeister Karl-Heinz Kaib in persönlichen und lebendigen Worten. Seine Rede bringt die Redaktion zum Nachlesen deshalb hier IM WORTLAUT.

"Seit 23 Jahren haben die Kommunalpolitiker der Gemeinde Kalbach und die Bürger von Heubach nach einer Problemlösung bei einem schwierigen Objekt gesucht. Obwohl es in der Vergangenheit zum Teil schon hoffnungsvolle Lösungsvorschläge gab, hat es bis zum Jahr 2003 gedauert, bis eine realitätsnahe Lösung mit der notwendigen Akzeptanz in Aussicht war. Danach wurden positive Entscheidungen getroffen, so dass wir heute zusammenkommen konnten, um das restaurierte Gebäude der ehemaligen Synagoge zu übergeben und die kulturelle Begegnungsstätte zu eröffnen.

Es sind eine Reihe von Personen dafür verantwortlich, dass es zu diesem froh machenden Tag gekommen ist. Dabei denke ich zuallererst an zwei Frauen, die einen maßgeblichen Anteil daran haben, dass wir uns über dieses Ereignis heute freuen können. Ich möchte hier zuerst Frau Dr. Thea Altaras nennen, die noch am 6. September 2004 bei der Übergabe von Zuwendungsbescheiden in Heubach war aber dann später leider verstorben ist. Sie hat mich als Bürgermeister seit 1990 bis zum Jahr 2003 immer wieder auf eine freundliche und in der ihr eigenen nachhaltigen Art daran erinnert, dass ich mich für eine Lösung einsetzen soll.

Die zweite Frau, die für den Erfolg dieses Projektes mitverantwortlich ist, Frau Pfarrerin Johanna Rau war es, die eine Finanzierungsquelle im Ministerium für Wissenschaft und Kunst in Höhe von 200.000 Euro erkundet hat. Sie war es auch, die dafür verantwortlich ist, dass sich ein Förderverein für dieses Projekt gegründet hat.

Das zweite wichtige Standbein für die Finanzierung dieses Objektes war die Europäische Union und die Investitionsbank Hessen sowie das Regionalforum Fulda Südwest, weil über den zur Verfügung stehenden Fördertopf 200.000 Euro für dieses Projekt bewilligt wurden. Zu einem der schönsten Erlebnisse bei diesem Projekt hat gehört, dass die evangelische Kirche für diese Maßnahme eine Zuwendung von 50.000 Euro bewilligte.

Das Landesamt für Denkmalpflege hat dieses Projekt mit großem Engagement gefördert und begleitet sowie einen Zuschuss von 135.000 Euro bewilligt. Ich habe noch sehr gut in Erinnerung, wie der Präsident dieser Behörde, Prof. Dr. Gerd Weiß viele Mitglieder der Gemeindevertretung in einer Sitzung mit einer fundierten und nachvollziehbaren Begründung von der Notwendigkeit dieser Baumaßnahme überzeugt hat.

Dabei hat er glaubhaft dargelegt, dass es bei diesem Projekt nicht zu einem Finanzierungsengpass kommen wird. Dies ist auch tatsächlich nicht geschehen. Und gerade deshalb hat Prof. Dr. Weiß sehr viel für die Realisierung dieser Maßnahme getan - dafür danken wir.

In einem persönlichen Brief hat Prof. Weiß geschrieben: „Die Gemeinde Kalbach hat mit der Restaurierung der ehemaligen Synagoge ein deutliches Zeichen der Versöhnung gesetzt, von dem ich mir wünsche, dass es über die Gemeindegrenzen hinaus ausstrahlt.“ Ganz besonders überraschend war die Höhe von privaten Spenden. Der Heimatverein von Heubach hat sich schon im Jahr 1987 für die Erhaltung und Restaurierung dieses Gebäudes eingesetzt.

Auch wenn in der Gemeindevertretung kein einstimmiges Votum für dieses Projekt möglich war, konnte eine überdeutliche Mehrheit erreicht werden. Das Gemeindeparlament hat in beeindruckener Art und Weise in einer Sondersitzung mit Herrn Prof. Dr. Gerd Weiß sachbezogen diskutiert und dann eine positive Grundsatzentscheidung getroffen und damit dem Gemeindevorstand, und letztendlich dem Bürgermeister, die Kompetenz eingeräumt, die notwendig war, um eine solide Finanzierung vorzubereiten und zu sichern, damit die Baumaßnahme zeitnah realisiert werden konnte.

Um die Restaurierung des Gebäudes sorgfältig vorbereiten zu können, musste der Rat von Experten eingeholt werden. Darüber hinaus war eine Begutachtung der Befunde erforderlich. Ferner war es für die Gemeinde ganz besonders wichtig, geeignete Architekten und Ingenieure mit der Planung und der Bauleitung zu beauftragen.

Dies ist mit den Diplomingenieuren Jürgen Krieg und Uli Thümmler auch gelungen, die für die Planung und Bauleitung verantwortlich waren. Auch Thorsten Moser hat als Restaurator die notwendige Beratung bei vielen Ortsbesichtigungen vorgenommen .

Einige wichtige Daten zur Geschichte: Die Synagoge wurde im Jahr 1843 erbaut. Nach dem Verkauf im Jahr 1937 an die Gemeinde Heubach wurde das Gebäude nach umfangreichen Umbauarbeiten als Rathaus mit drei Wohneinheiten bis zum Jahr 1972 genutzt.

Danach dienten einige Räume als Wohnung. Das denkmalgeschützte Gebäude sollte in den 1980er Jahren nach Gießen transloziert werden, was im Jahr 1987 und dann noch einmal im Jahr 1988 vom Landesamt für Denkmalpflege und dem zuständigen Ministerium für Wissenschaft und Kunst untersagt wurde.

Im Jahr 1982 wurde das Land Hessen Eigentümerin des Grundstückes. Im Jahr 1997 erfolgte der Verkauf an eine Privatperson. Am 26. Februar 2004 hat dann die Gemeindevertretung dem Grunderwerb, der Restaurierung des Gebäudes und der Neunutzung der ehemaligen Synagoge zugestimmt. Nach der Erstellung der Ausführungsplanung und der Durchführung der Ausschreibung wurde mit der Baumaßnahme am 28. März 2005 begonnen. Die Baukosten wurden um 40.000 Euro unterschritten. Sie betrugen demzufolge 740.000 Euro.

Das allerwichtigste ist allerdings, dass nach dem Geist des Nutzungsvertrages die Räume des Gebäudes der ehemaligen Synagoge als Lernorte genutzt werden. Dass in diesen Räumen Veranstaltungen stattfinden, die daran erinnern, dass man die Menschenwürde immer achten muss, niemals die Geschichte vergessen darf und sich immer für die Beachtung christlicher Werte einsetzen muss.

Es sollen Veranstaltungen stattfinden, die der Verständigung zwischen den Konfessionen und Religionen, der Förderung der Bildung und der Pflege eines friedlichen Miteinanders dienen. Möge dieses Haus die Menschen immer daran erinnern, dass man sich für die Menschenwürde, den Frieden und die Versöhnung einsetzen muss." +++





















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