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13.04.06 - IM WORTLAUT

"Alles in einem anderen Licht…" von Bischof Heinz Josef Algermissen

"Alles in einem anderen Licht…" -

Von Bischof Heinz Josef Algermissen

Als Bischof von Fulda (1939-1958) und Protektor der Männerseelsorge in Deutschland suchte Johannes Dietz in der dunklen Zeit der Bedrängungen durch den Nationalsozialismus immer wieder Kontakt zu den Männern des Widerstandes. So kam es vielfach zu Treffen im Fuldaer Bischofshaus. Häufiger Gesprächspartner von Bischof Dietz war der Jesuit und Soziologe Alfred Delp, der am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee von den Mächten des Bösen gehenkt wurde.

Wenige Tage vor seiner Hinrichtung schrieb er: „Das eine ist mir so klar und spürbar wie selten: Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen. Wir aber sind oft blind. Wir bleiben in den schönen und den bösen Stunden hängen und erleben sie nicht durch bis an den Brunnenpunkt, an dem sie aus Gott herausströmen.“ Und dann fügt er zur Verdeutlichung noch dazu: „Das gilt … für alles Schöne und auch für das Elend.“ (Alfred Delp, Gesammelte Werke IV, 26). Auf den „Brunnenpunkt“ also kommt es an, diesen archimedischen Punkt, von dem her unser sterbliches Leben erst Sinn bekommt und glücken kann.

Unglaublich ist, was Alfred Delp angesichts seiner bevorstehenden Hinrichtung zu behaupten wagt: „Die Welt ist Gottes so voll.“ Hier gibt es keine Projektion in eine ferne Zukunft, kein vertröstendes Futur, sondern eindeutige Gegenwart.

Sicher, liebe Leserinnen und Leser, im Licht von Ostern, ahnen wir mehr als sonst die Wahrheit die-ser Gegenwart. Und doch: Was ist mit den „bösen“ Stunden, was mit dem „Elend“? Unsere ganze Lebensenergie sträubt sich förmlich gegen Schmerz, Tod und Finsternis. Aber damit halbieren wir die Wirklichkeit.

Nicht menschliche Vernunft, sondern Gottes Engel ist es, der den Frauen am Grab zuruft: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten.“ (Mt 28,5). Genau das hat Alfred Delp begriffen. Und es ist uns zu begreifen aufgegeben: Wer direkt und nur den Auferstandenen sucht, schleicht sich aus der Welt hinweg, wie sie ist, und folgt einem österlichen Christus ohne Karfreitag, einem himmlischen Jesus ohne die Hölle des weltlichen Daseins. Es gilt, den Gekreuzigten zu suchen! Wer sich unter Umgehung der Erde auf den Himmel bezieht, belügt sich und andere. Und wer Gott, den Lebendigen und Ganz-Anderen, mit seiner eigenen Projektion des Himmels verwechselt, kommt von einer Gottes-Enttäuschung in die andere.

Wir neigen dazu, unsere Illusionen für die Wirklichkeit zu halten, und sind versucht, vor der Realität zu fliehen, besonders wenn diese „elend“ und „böse“ ist. Deshalb muß es ein Engel sein. Deshalb müssen wir es uns von woanders her gesagt sein lassen, worauf es ankommt: „Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten.“ Was der Engel schon weiß, haben wir erst noch zu lernen: Nur wer den Gekreuzigten sucht, findet den Auferstandenen! Und der gibt sich seinen Jüngern bezeichnenderweise immer wieder über seine Wundmale zu erkennen.

Nur wer, mit Delp gesprochen, auch die bösen Stunden auf den „Brunnenpunkt“ hin durchlebt, findet mitten in Elend und Tod die alles aufbrechende Wahrheit, die der Apostel Paulus so zur Sprache bringt: „Weder Tod noch Leben, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges … können uns scheiden von der Liebe Christi“ (Röm 8,38). Wehe denen, die Ostern suchen ohne Karfreitag. Aber wehe denen auch, die den Karfreitag wahr-nehmen ohne Ostern: Beide sind verloren!

Der Engel hat schon Recht. Aber eben: es braucht den Engel, der uns aufklärt und die Augen öffnet. Wir können es uns nicht sagen, es muß uns gesagt werden. Denn wir sind zumeist blind und bleiben fixiert auf die „schönen“ oder die „bösen“ Stunden, ohne den Durchbruch zum „Brunnenpunkt“ zu schaffen, zum Gott des Lebens, der auf Golgotha die abgrundtiefe Kluft zwischen seinem ewigen Leben und dem Tod der Menschen überbrückt.

In der heutigen Welt haben vom Osterglauben bewegte Christinnen und Christen deshalb nichts Wichtigeres zu tun, als das Evangelium von der Auferweckung des Gekreuzigten zu verkünden. Und zwar nicht nur gelegentlich, sondern gelegen oder ungelegen.

Während der Feier der Osternacht entzünden wir an der Osterkerze als Bild des Auferstandenen unsere kleinen Kerzen. Aus dem einen fast ohnmächtig erscheinenden Licht wurde ein Raum der Helle. „Kinder des Lichtes“ nannten sich die ersten Christen aufgrund ihrer Taufe, durch die sie geboren wurden zu einer begründeten Hoffnung, die stärker ist als alles Dunkel, alle Mächte des Todes.

Gerade weil Christen an das Licht des ewigen Osterfestes, an ein Leben nach der Katastrophe des Todes glauben, ist ihnen das Leben vor dem Tod so wichtig. Denn der christliche Glaube an die Erlösung durch Kreuz und Auferstehung führt von selbst, wie es Alfred Delp und so viele bewiesen haben, in den Aufstand gegen alle Formen des vorzeitigen gesellschaftlich wie politisch, wirtschaft-lich wie militärisch organisierten Todes.

Weil Gott bereits in der „Morgendämmerung“ (Mt 28,1), vor Sonnenaufgang seine Lebensenergie in die Dunkelkammer des Grabes Jesu gebracht hat, können auch Christen heute in die Orte der Ein-samkeit und Kälte mit dem Osterlicht eindringen. Und solche Orte liegen mitunter sehr nahe: in den Familien und den ehelichen Beziehungen.

Weil Gott in der Auferstehung Jesu eine Kultur des Lebens begründete, können wir begründet den Kampf gegen jedwede Todesproduktion aufnehmen: den Kampf gegen die milliardenschwere Rüs-tung und gegen die Todesstrategien des Aushungerns der Armen. Aber auch den Kampf gegen die Tötung des ungeborenen menschlichen Lebens und die Euthanasie, die sich hinter dem Begriff „aktive Sterbehilfe“ verbirgt.

„Ihr seid mit Christus auferweckt“, ruft uns Paulus im Kolosserbrief (3,1) zu. Ostern ändert alles, ist der tiefste „Brunnenpunkt“ (Alfred Delp), der uns alles in einem anderen Licht sehen läßt.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die österliche Kraft zum Aufstand gegen alles Todbringende in dieser Welt und solche Osteraugen, wie sie im Gedicht „Ostern in Piemont“ von Bern-hard Langenstein durchscheinen, die einen Neuanfang begründen:

In Piemont sagt man,

laufen die Menschen

beim ersten Osterläuten

zum Brunnen in die Mitte des Dorfes …

sie wollen Osteraugen bekommen.

Darum waschen sie die kalten,

die gierigen, die listigen,

die misstrauischen Blicke fort.

Sie spülen die Schleier der Angst weg.

Und das kalte Wasser, sagt man, schwemmt heraus den Dreck eines langen Jahres". +++

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