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20.01.06 - IM WORTLAUT

IHK-Empfang (2): Reden IHK-Präsident SORG und Dr. Patrick ADENAUER

Der Neujahrsempfang der Industrie- und Handwerkskammer Fulda Mitte Januar ist traditionell nicht nur ein wichtiger "Termin" im Kalender der regionalen Unternehmer, Kommunalpolitiker und Vertreter von Behörden, Parteien, Verbänden oder Institutionen. Dieser Abend ist daneben auch ein lohnender Treffpunkt für alle oben Genannten, kurzweiliger gesellschaftlicher Anlass und anregende "ökonomische Zeitansage" für alle wirtschaftlich Tätigen der Region. Der IHK-Präsident hält eine Rede, die sich stets sowohl der allgemeinwirtschaftlichen Situation widmet als auch Tendenzen der heimischen Entwicklung wiedergibt. Und auch bei den Gastrednern hat die IHK Fulda schon traditionell "ein gutes Händchen" und lädt interessante Persönlichkeiten ein, die beachtenswerte Referate halten.

Bei besonderen Gelegenheit bietet "osthessen-news" den Leserinnen und Lesern die Möglichkeit, Vorträge ungekürzt zu lesen: um sich so noch besser eine eigene Meinung zum Thema bilden zu können oder in den Genuss einer Rede zu kommen, auch wenn man selbst bei der Veranstaltung nicht anwesend sein konnte. In diesem Jahr kommt noch ein Punkt hinzu: der Andrang war so groß, dass viele Besucher über 100 Minuten stehen mussten - da kann die Aufmerksamkeit schon leiden. Hier können Sie im Sitzen die beiden Reden des IHK-Präsidenten Helmut Sorg und des Gastredners Dr. Patrick Adenauer nachlesen, IM WORTLAUT.

Rede des IHK Präsidenten Helmut Sorg zum Neujahrsempfang

Meine sehr gehrten Damen und Herren,

zum Neujahrsempfang 2006 der Industrie- und Handelskammer Fulda, heiße ich Sie herzlich willkommen. Ich freue mich sehr, mit Ihnen heute unsere langjährige Tradition fortsetzen zu können, um den Beginn eines neuen Jahres im Kreise unserer Mitglieder, zahlreicher Gäste und Freunde zu feiern. Ich danke Ihnen, dass Sie sich auch diesmal wieder in erfreulich stattlicher Zahl hier im Fürstensaal des Stadtschlosses eingefunden haben.

Ihre Anwesenheit, meine Damen und Herren, werten wir als Ihr Interesse an unseren Aktivitäten und darüber hinaus auch als Anerkennung der Arbeit der IHK. Dies betrachten wir als Ansporn und empfinden es geradezu als Verpflichtung, unsere Anstrengungen zum Wohle unserer heimischen Wirtschaft künftig noch weiter zu intensivieren.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen im Namen der Vollversammlung, des Präsidiums und der Geschäftsführung, aber auch ganz persönlich alles Gute für das neue Jahr, Glück und Erfolg, persönliches Wohlergehen, insbesondere Gesundheit, Schaffenskraft und nicht zuletzt Gottes Segen!

Wir freuen uns über alle, die unserer Einladung gefolgt sind: über die Anwesenheit der Abgeordneten unserer Parlamente, aller Mandatsträger, der Vertreter der Kirchen, der Bürgermeister der Gemeinden, der Behörden, der Schulen und aller Unternehmerinnen und Unternehmer. Sie alle, meine Damen und Herren, sind uns herzlich willkommen!

Sie sind sicher damit einverstanden, dass ich einige wenige unter Ihnen als Ehrengäste namentlich begrüße. Ich begrüße mit großer Freude den Gastredner unseres heutigen Abends, den Enkel des bedeutendsten deutschen Staatsmannes der Nachkriegszeit, des ersten deutschen Bundeskanzlers Dr. Konrad Adenauer, Herrn Dr. Patrick Adenauer. Dr. Adenauer leitet zusammen mit seinem Bruder das Kölner Unternehmen Bauwens und ist gleichzeitig Präsident der Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Unternehmer Deutschlands.

Wir danken Ihnen, dass Sie zu uns nach Fulda gekommen sind, wie Ihr verehrter Herr Großvater, der 1954 während des Bonifatiusjubiläums unsere Stadt besucht hat - die Älteren unter uns werden sich noch daran erinnern. Wir sind gespannt auf Ihre Stellungnahme zu aktuellen wirtschaftspolitischen und ordnungspolitischen, vor allem den Mittelstand betreffende Themen.

Ich begrüße sehr herzlich den ehemaligen Oberbürgermeister unserer Stadt, Herrn Staatsmininster Dr. Alois Rhiel, zusammen mit seiner lieben Frau. Gern erinnere ich mich, Dr. Rhiel an zahlreiche gemeinsame Aktivitäten und Initiativen, bei denen wir gemeinsam für die Belange der Wirtschaftsregion Fulda eingetreten sind.

Ich verweise insbesondere auf die Kämpfe, die wir Seite an Seite um die Verbesserung unserer Verkehrsinfrastruktur unter anderem auch mit dem hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium ausgefochten haben. Hierbei haben z. B. die A66, die Verbindung zwischen Fulda und Meiningen, sowie die Autobahnabfahrt Fulda Mitte eine herausragende Rolle gespielt. Was Wunder, Dr. Rhiel, dass wir die Hoffnung hegen, da Sie inzwischen an den Schalthebeln des hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministeriums sitzen, diese Forderungen in die Tat umzusetzen.

Im Übrigen verfolgen wir sehr aufmerksam Ihre Aktivitäten in Wiesbaden, vor allem auch die Auseinandersetzung mit den Energieversorgern. Energie gehört zu den Schlüsselthemen unserer Wirtschaft. Zur Sicherung des Industriestandorts Deutschland ist ein Energiemix vonnöten aus konventionellen Quellen, einschließlich der Kernenergie, sowie regenerativer Energiequellen.

Die Wirtschaft fordert eine wettbewerbsfähige, umweltschonende und vor allem eine langfristig kalkulierbare Energieversorgung, sowie die Minderung der Abgabelasten. Stabile Energiepreise setzen aber auch eine Minderung der preistreibenden staatlichen Abgabelasten voraus, wie vor allem der Ökosteuer oder die wettbewerbsgerechte Senkung der Netzentgelte.

Ich begrüße herzlich - zum letzten Mal in seiner jetzigen Funktion - den Landrat des Landkreises Fulda, Fritz Kramer und seine liebe Frau. Sie, Herr Landrat, haben mit der IHK stets eng und konstruktiv zusammengearbeitet, nicht zuletzt auch im Rahmen des Regionalen Standortmarketings. Dass diese Region inzwischen überregional als ein Standort mit Zukunft wahrgenommen wird, ist ganz wesentlich auch Ihr Verdienst. Dafür sind wir Ihnen sehr dankbar und freuen uns auf Ihr Wort, das Sie an uns richten werden. Herzlich Willkommen heiße ich auch Ihren Nachfolger im Amt, Herrn Bernd Woide.

Als zweiten Top-Aktivisten des Regionalen Standortmarketings heiße ich Herrn Oberbürgermeister Gerhard Möller herzlich willkommen. Ich freue mich auch, dass auch Sie, Frau Möller, heute erstmalig dabei sind Besten Dank, Herr Möller, dass wir auch in diesem Jahr unseren Neujahrsempfang wieder bei Ihnen hier im herrlichen Fürstensaal durchführen dürfen.

Ich begrüße die Damen und Herren Abgeordneten des Deutschen Bundestages und des Hessischen Landtages Herrn Michael Brand, Frau Sabine Waschke, Frau Margarete Ziegler-Raschdorf und Herrn Dr. Norbert Herr. Mit besonderer Freude begrüße ich unser langjähriges IHK Präsidiumsmitglied, Herrn Staatssekretär Dr. Walter Arnold und Herrn Regierungspräsidenten Lutz Klein.

Herzlich begrüße ich Herrn Kreistagsvorsitzenden Franz Ruprecht, Herrn Stadtverordnetenvorsteher Heinz Gellings, Frau Stadtbaurätin Cornelia Zuschke, sowie den Ehrenbürger und ehemaligen Oberbürgermeister unserer Stadt, Herrn Dr. Wolfgang Hamberger.

Ein herzliches Willkommen gilt auch dem neuen Hauptgeschäftsführer der IHK Frankfurt, Herrn Matthias Gräßle. Sehr gefreut habe ich mich über das Kommen unserer Kollegen aus dem Handwerk. Ich begrüße von der Handwerkskammer Kassel den Präsidenten Herrn Gerhard Repp, den Hauptgeschäftsführer Herrn Peter Göbel, sowie unseren Kreishandwerksmeister Herrn Claus Gerhardt.

Ich freue mich über die Anwesenheit des Präsident der FH Fulda, Herrn Professor Roland Schopf und ganz besonders über das Kommen von Günther und Anke Ederer. Herr Ederer ist Wirtschaftspublizist, Bestsellerautor und natürlich Sohn dieser Stadt.

Last but not least heiße ich herzlich willkommen die Vertreter der Medien. Ich begrüße Herrn Verleger Michael Schmitt, Herrn Chefredakteur Dr. Hermann-Josef Seggewiß, Herrn Michael Tillmann als Lokalchef der Fuldaer Zeitung, Frau Silvia Georg, Leiterin des HR-4 Studios und Herrn Martin Angelstein von Osthessen News.

In meinen Ausführungen möchte ich schwerpunktmäßig auf drei Themen eingehen, die für die Wirtschaft in diesem Jahr von größter Bedeutung sind. Zum einem möchte ich auf die aktuelle Wirtschaftslage in unserem Land, sowie die von der Wirtschaft eingeforderten Reformen eingehen, zum Zweiten mich mit dem Rahmenthema der IHK in diesem Jahr - Europa - beschäftigen. Ein dritter Punkt, der für die Wirtschaft von essentieller Bedeutung ist, betrifft das Thema Bildung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

es ist gut, ein neues Jahr mit Zuversicht und Hoffnung beginnen zu können. Und in der Tat lässt sich am Jahresbeginn 2006 eine zunehmend positive Grundstimmung in unserer Bevölkerung feststellen. Der Konjunktur-Optimismus im Lande nimmt zu.

Auch die Prognosen bezüglich des Wirtschaftswachstums gehen deutlich nach oben. Die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts wird vom Institut für Wirtschaftsforschung für 2006 auf 1,7% geschätzt. Die wichtigsten Impulse werden, wie schon in den vergangenen Jahren, vom Export ausgehen. Natürlich wird die prognostizierte Wachstumsrate der deutschen Wirtschaft im Jahre 2006 durch die angekündigte Mehrwertsteuererhöhung von 3% - Punkten in 2007 um einen gewissen Vorzieheffekt positiv beeinflusst. Auch die Fußballweltmeisterschaft in unserem Land wird hoffentlich positive wirtschaftliche Auswirkungen haben.

Unsere Unternehmen der Region teilen diesen Optimismus. In der neusten Konjunkturumfrage im Kammerbezirk Fulda steigt der Geschäftsklimaindex von 99,9 Punkten im letzten Quartal auf 112,9 Punkte im Januar diesen Jahres. Besonders positiv wird die wirtschaftliche Entwicklung von der heimischen Industrie eingestuft: 42% der Industriebetriebe rechnen mit einer günstigeren Geschäftslage, knapp 50% mit einer gleich bleibenden Entwicklung, lediglich 8,0% befürchten eine Verschlechterung (Vorquartal: über 20%).

Bei allen günstigen Aussichten für dieses Jahr dürfen wir uns jedoch auch nichts vormachen: Deutschland steht an einem Scheideweg: Ein „Weiter so“ mit nur kleinen Korrekturen kann allein wegen der Situation auf dem Arbeitsmarkt und der dramatischen Lage der Staatsfinanzen – die notwendige Wende der Wirtschaft nicht bewirken.

Die IHK`s fordern Reformen seit Jahren aufbauend auf einem Fundament, das Ludwig Erhard wie folgt skizziert hat: „Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge der Staat, dass ich dazu in der Lage bin.“

Aus dem Strauß der dringend notwendigen Reformen, möchte ich nur drei kurz aussprechen. Erstens: Die Unternehmen brauchen eine durchgreifende Steuerreform mit Senkung der Steuersätze und vor allem mit einer grundlegenden Vereinfachung der Ertragsbesteuerung. Ein effizientes Steuersystem, das Leistung belohnt. Bekanntlich haben wir in Deutschland das komplizierteste, undurchsichtigste Steuersystem der Welt. Nach einer Effizienz-Umfrage des World Economic Forums, belegte Deutschland von 104 Ländern, bei denen Erhebungen durchgeführt wurden, den letzten, nämlich den 104. Platz! Ein wenig schmeichelhaftes Ergebnis.

Zweitens: Der Abbau der aufgeblähten Bürokratie muss voran getrieben werden. Mehr als 5.000 Gesetze und Verordnungen mit mehr als 85.000 Einzelvorschriften lähmen die deutsche Wirtschaft in unerträglicher Weise. Sie beeinträchtigen die unternehmerische Kreativität und Gestaltungskraft.

Drittens: Die Unternehmen benötigen für den Abschluss tariflicher Vereinbarungen mehr Flexibilität als bisher. Ich bin sicher, Herr Dr. Adenauer wird auf den einen oder anderen Punkt eingehen.

Das Rahmenthema des deutschen Industrie- und Handelskammertages lautet in diesem Jahr Europa. Der Begriff „Europa“ wird, wie wir alle spüren, längst nicht mehr nur als Fortschritt oder gar als eine Vision für eine bessere Welt empfunden, wie das zweifellos einmal der Fall war, sondern ganz im Gegenteil als Belastung, oftmals geradezu als Bedrohung.

Für viele beschränkt sich heutzutage die Wahrnehmung Europas in erster Linie auf die Verlagerung von heimischen Produktionsstandorten in die neuen Partnerschaftsländer im Osten verbunden, mit dem Verlust zahlreicher Arbeitsplätze. Europäisierung und Globalisierung werden häufig als Gefahr wahrgenommen, die Öffnung der Grenzen kaum mehr als Fortschritt, sondern eher als Nachteil empfunden, vor allem hinsichtlich der Erhaltung der Arbeitsplätze.

In diesem Zusammenhang stimmt mich eine repräsentative Umfrage zur Selbstwahrnehmung der deutschen Jugend vom vergangenen Sommer sehr nachdenklich. Mehr als die Hälfte der deutschen Jugendlichen blickt skeptisch, ja pessimistisch in die Zukunft. In Gesprächen mit Gymnasiasten dieser Region habe ich das bestätigt gefunden, wobei die Sorge um die Wahl des künftigen Berufes im Vordergrund steht.

Wie kann man aber solchen Ängsten begegnen? Die Angst basiert häufig auf einem mangelndem Verständnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge. Bessere Informations- und auch Aufklärungsarbeit sind essentiell wichtig. Diese These vertritt auch der DIHK, indem er das Jahresmotto 2006 wie folgt beschreibt mit „Europa: Mehr Wissen, mehr Wettbewerb, mehr Wohlstand!“

Mauricio Rojas, ein schwedischer Professor mit chilenischer Herkunft hat in seinem Buch „Arbeit ohne Ende“ das Gerücht vom „Niedergang der Arbeit“ widerlegt. Wettbewerb und daraus resultierende fortwährende Rekonstruierung seien der einzige Weg, um sicher zu stellen, dass unsere Unternehmen auch morgen noch produktiv arbeiten und somit auch in der Lage sind Arbeitsplätze zu schaffen.

Er zeigt auf, dass die Erwerbstätigkeit in allen Wirtschaftsnationen - in Schwellenländern sowieso - ständig anwächst und dass unter dem Strich immer mehr anspruchsvolle Jobs neu entstehen als Billiglohnbeschäftigungen abgebaut werden. Die Verlagerung einfacher Arbeitsprozesse hat auch in unserem Lande dazu geführt, dass sich Forschung und industrielle Fertigung weiter entwickelt haben. Vor allem in den Bereichen der Informationstechnologie und vielfältigen anderen Dienstleistungen. Wer weiß schon, dass Deutschland Weltmarktführer im Bereich der Lichttechnologie mit jetzt schon einer Million Beschäftigten ist, mit weiter stark steigender Tendenz.

Aus diesen Überlegungen heraus sollten wir uns nicht nur die Frage stellen, wieviele Arbeitsplätze bei uns wohl noch durch Verlagerung ins Ausland wegfallen, sondern wieviele Arbeitsplätze im Zuge dieses Prozesses auch in unserem Lande neu geschaffen werden! Die Angst kann lähmen! Der österreichische Dramatiker Franz Werfel hat recht, wenn er sagt: „Kein Unglück ist in Wirklichkeit so groß wie unsere Angst.“

Wenn wir uns vor den Veränderungen, die die Globalisierung mit sich bringt, nur fürchten und uns von dieser Angst lähmen lassen, besteht die Gefahr, dass andere Länder ihre Produktion sowie ihre Marktpositionen auf unsere Kosten verbessern. Und immer wenn in einer Volkswirtschaft zu viel Angst vorhanden ist, wird nach staatlichem Schutz gerufen – und das ist natürlich hoch gefährlich. Gut geschützt, wird man am Ende den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit beklagen.

Ohne Angst, aber gut vorbereitet, sollten wir den Wettkampf am Weltmarkt aufnehmen. Dazu ist es notwendig, unser Wissen und unsere Bildung ständig zu vermehren. Damit wird Wissensvermehrung zur größten Herausforderung für unsere Unternehmen. Nur so sind wissenschaftliche und technologische Durchbrüche erzielbar, die dann neue Maschinen, Produkte und Dienstleistungen hervor bringen. Ganz im Sinne von Thomas Alva Edison, dem Erfinder der Glühbirne, der einmal forderte: "Erfindet alle zehn Tage eine kleine Sache und alle sechs Monate ein großes Ding".

Zu wenige Menschen realisieren bisher auch die großen Fortschritte, die durch die Globalisierung hinsichtlich der Steigerung des Wohlstands, erreicht worden sind. Nach Angaben der Weltbank ist die extreme Armut in den vergangenen 50 Jahren in der Welt von fast 50% auf 17% zurückgegangen. Ende des 20. Jahrhunderts hatten immerhin 3,5 Milliarden Menschen der Erde Zugang zu Erziehung und Gesundheitsversorgung.

Der Prozess der Globalisierung kann und darf nicht aufgehalten werden, denn er bringt immer mehr Menschen dieser Erde Vorteile. Wir sollten uns deshalb furchtlos dieser sicherlich herausfordernden Entwicklung stellen und die daraus resultierenden Chancen hinsichtlich Wissen, Wettbewerb und Wohlstand nutzen. Und um diesen Wettbewerb bestehen zu können, sind mutigere Reformen notwendig, die den Standort Deutschland nach vorne bringen und wir wieder Europas Nummer 1 werden.

Damit komme ich zum dritten Schwerpunkt meiner Ausführungen: dem Thema Bildung: Heute gelingt es uns nur mit Mühe, für unsere jungen Leute, für unseren Nachwuchs, Lehrstellen zu finden. In einigen Jahren werden wir die gleiche Mühe haben, Auszubildende zu finden. In manchen Bundesländern wird sich die Anzahl der Schulabgänger mittelfristig halbieren. Ausbildung wird somit für den Fortbestand unserer Unternehmen immer bedeutungsvoller.

Sie wissen alle, wie stark sich unsere Kammer seit Jahren im Bereich der Ausbildung engagiert. Im abgelaufenem Jahr haben unsere IHK Mitgliedsbetriebe wiederum mehr Ausbildungs- und Praktikumsplätze angeboten als im Vorjahr. Genau waren es 1.032 Ausbildungsplätze, 30 mehr als im Vorjahr. Das ist bemerkenswert und ich danke allen Betrieben, die zu diesem erfreulichen Ergebnis beigetragen haben. Übrigens: Die Ausbildungsquote, das ist das Verhältnis zwischen Auszubildenden und Beschäftigten, der Unternehmen im Kammerbezirk liegt bei 7,1%. Das ist hessenweit das beste Ergebnis. Der Bund liegt nur bei 5,9%.

Bewusst kümmern wir uns seit Jahren auch intensiv um jene, denen das Lernen und damit der Einstieg ins Berufsleben schwer fällt. Mit den neuen Ausbildungsberufen, Fachkraft für Verkaufsvorbereitung und Fachkraft für Textil-Reinigung hat unsere IHK zusammen mit der Agentur für Arbeit und der Firma Grümel zwei deutschlandweit einmalige Ausbildungsberufe für diese Problemgruppen kreiert. Das ist für diese 30 jungen Menschen, die das Glück hatten, ohne Hauptschulabschluss eine Ausbildungsstelle zu erhalten, eine gute Perspektive, aber keinesfalls für die große Zahl derer, die außen vor bleiben.

15 bis 20 Prozent eines jeden Jahrgangs der Jugendlichen haben eklatante Schwächen im Rechnen, Lesen und Ausdrucksvermögen. Häufig fehlt es Ihnen auch an Disziplin, Fleiß und Pünktlichkeit, also an Werten, die in manchen Elternhäusern immer mehr als Sekundärtugenden betrachtet und sträflich vernachlässigt werden. Bei Kindern ausländischer Eltern kommen oft noch sprachliche Barrieren hinzu. Jugendliche mit solchen Qualifizierungsmängeln sind oftmals nicht ausbildungsfähig aber auch nicht ausbildungswillig und können von der Wirtschaft nur bedingt übernommen werden. Dass in diesem Umstand enormer sozialpolitischer Sprengstoff steckt, muss ich hier nicht ausführen. Denken Sie an die brennenden Vorstädte in Frankreich im vergangenen Jahr!

Vor diesem Hintergrund möchte ich auf ein Projekt des britischen Premierminister Tony Blair aufmerksam machen, der in England Zentren einrichten ließ, in denen problembelastete Kinder und Eltern gleichermaßen betreut werden. So will er langfristig die sozialen Probleme der britischen Gesellschaft zu lösen versuchen - und das nicht nur philantropisch motiviert, sondern mit ganz nüchternem Kalkül. Denn Investitionen im Eltern-Kind-Bereich fließen - so eine Projektstudie - mit einer Rendite von cirka 20 Prozent in die Volkswirtschaft zurück.

Ein ähnliches Projekt könnte ich mir auch in unserer Region vorstellen. Eine Vernetzung der Angebote von bestehenden Einrichtungen wie z. B. der Deutschen Familienschule mit Perspektiva oder Grümel und anderer Einrichtungen wären aus meiner Sicht ein durchaus überlegenswerter Schritt.

Diese drei von mir heute angesprochenen Schwerpunktthemen wirtschaftliche Lage, Europa und Bildung werden die Wirtschaft im Allgemeinen, aber auch uns an der IHK in diesem Jahr weiter beschäftigen.

Lassen Sie uns mit Optimismus in die Zukunft blicken und gemeinsam für die notwendigen Reformen kämpfen! Lassen Sie uns die Chancen der Globalisierung nutzen! Lassen Sie uns bei alldem auch unsere soziale Verantwortung, beispielsweise hinsichtlich der Jugendlichen mit Qualifizierungsmängel, wahrnehmen!

Meine Damen und Herren

Das Meinungsforschungsinstitut Emnid hat bundesweit ermittelt, ob und in welchem Maße die Unternehmer mit ihren Industrie- und Handelskammern zufrieden sind. 25 IHK´s – darunter auch wir - haben sich im Anschluss an diese allgemeine Befragung getraut, auch noch eine regionale Analyse in Auftrag zu geben. Über das Ergebnis haben wir uns gefreut. In sehr vielen Bereichen schneiden wir überdurchschnittlich gut ab, das heißt: Das Zufriedenheitsniveau ist erfreulich höher als im Bundesdurchschnitt. Man hält uns für verlässlich und vertrauenswürdig.

Dies ist nicht nur dem leistungsstarken hauptamtlichen Team unserer IHK zu verdanken, sondern auch unseren vielen ehrenamtlichen Helfern - über 700 sind es inzwischen! Allein im Jahre 2005 sind 82 ehrenamtliche Helfer hinzugekommen, die in vielfacher Hinsicht die Arbeit der IHK mittragen. Einen besseren Beweis für die Lebendigkeit und die Bedeutung unserer Kammer, als die ehrenamtliche Mitwirkung von so vielen Menschen, kann ich mir nicht vorstellen.

Für dieses großartige Engagement möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Insbesondere gilt mein Dank meinen Kollegen in der Vollversammlung und im Präsidium und hier den Vizepräsidenten Herrn Dr. Christian Gebhardt, Herrn Wolfgang Gutberlet, Herrn Bernd Juchheim und Herrn Wolfgang Wehner.

Meinen ausdrücklichen Dank möchte ich aber auch den hauptamtlichen Mitarbeitern für Ihre Leistungsbereitschaft und die exzellente Zusammenarbeit aussprechen. Hier insbesondere Herrn Hauptgeschäftsführer Stefan Schunck und Herrn Geschäftsführer Hermann Vogt.

Einen besonderen Beweis für Einsatz und Teamgeist werden Sie meine Damen und Herren z. B. heute Abend erleben, denn das IHK Team wird Sie unter der Leitung von Frau Magdalena Zyzik und Frau Ute Handwerk, ganz im Sinne unserer angestrebten Kundenzufriedenheit, bedienen. Hierfür sage ich dem gesamten Team Danke.

Ich komme nochmals auf die jüngste Konjunkturumfrage der Wirtschaft unserer Region zurück. Der überwiegende Teil unserer Unternehmen ist optimistisch und glaubt an die Zukunft unseres Landes und an die Zukunft unserer Region.

Wir wissen, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen im Kammerbezirk Fulda stimmen. Im Wettstreit der Regionen sind wir gut aufgestellt – denken wir nur an unsere zentrale Lage, das hervorragende Angebot qualifizierter Arbeitnehmer, an die Innovationskraft unsere Unternehmen und an die guten Bildungsmöglichkeiten der Region. All dies sollten wir als Chance begreifen und nutzen. Wir haben das vergangene Jahr gut bewältigt, und wir haben allen Grund, den Beginn des neuen zu feiern.

Dazu will auch die Kammer noch etwas beitragen. Die Vollversammlung der IHK hat in Ihrer vergangenen Sitzung eine Senkung des Umlagesatzes von 10% beschlossen. Zur Nachahmung empfohlen.

Ich wünsche uns allen die Kraft und die Kreativität, die wir brauchen, um noch besser zu werden, um mit mehr Wissen und Mut optimistisch in die Zukunft zu gehen. Alles Gute, Gesundheit und viel Erfolg für das Jahr 2006!

„Deutschland nach dem Regierungswechsel - Wir sind noch nicht am Ziel“ - Vortrag von Dr. Patrick Adenauer

Sehr geehrter Herr Präsident

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Sehr geehrter Herr Minister,

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

als Vertreter einer rheinischen katholischen Familie freue ich mich besonders, bei Ihnen in Fulda, dem Sitz der deutschen Bischofskonferenz, Gast sein zu dürfen, wenngleich ich meine, dass diese durchaus auch mal öfter in Köln, dem zweiten Rom des nordalpinen Raums, tagen könnte. Ich beglückwünsche Sie zu der Riege der tüchtigen Oberbürgermeister, die nach Ihrer Zeit in Fulda an anderen Stellen der Bundesrepublik erfolgreich gewirkt haben und dies zum Teil noch heute tun. Auch eine, leider etwas wehmütige Parallele zu meiner Heimatstadt.

Ich möchte den Jahresbeginn nutzen, mit Ihnen einen Blick auf die Lage der Nation zu werfen. Seit Herbst haben wir eine neue Bundesregierung - was für eine wissen wir noch nicht. Jedenfalls haben wir eine neue Kanzlerin! Was für eine, wissen wir auch noch nicht. Außenpolitisch hat sie bislang die Note 1 verdient. Aber kennen wir ihre wirtschaftspolitische Agenda schon? Überholt sie mit Mindest- und Kombilohn die SPD jetzt links, wie die Süddeutsche Zeitung in dieser Woche schreibt. Oder verbirgt sich hinter der wirtschaftspolitischen Unbestimmtheit dieser Tage eine besondere Taktik? Die Taktik etwa, Dinge, die man zwar vor der Wahl für richtig hielt, jetzt aber meint in der großen Koalition nicht durchsetzen zu können, gar nicht erst offen anzusprechen? Um sozusagen die Gemüter nicht unnötig zu erhitzen und dann anschließend sozusagen mit einer Politik der kleinen Schritte, und ausgestattet mit Richtlinienkompetenz dann doch das Eine oder Andere umzusetzen? Nun, ich komme später darauf zurück.

An einer Bewertung des Koalitionsvertrages der Großen Koalition spare ich. Das passt in die Zeit: Der Koalitionsvertrag ist eine Vereinbarung, jetzt einmal sparen zu wollen. Die alten und neuen Regierenden haben nämlich ein strukturelles Defizit auf Bundesebene von satten 65 Mrd. Euro entdeckt. Schade, dass sie so ein Loch plötzlich „entdeckt“ haben. Schade aber, dass sie nur etwas sparen wollen. Und sich an die großen Ausgabenposten im Bereich der Sozialtransfers, nicht heranwagen. Schade, dass das Gros der Haushaltskonsolidierung über Mehreinnahmen erreicht werden soll.

Für die Jahre ab 2007 sind die größten Steuererhöhungen seit Beginn der Bundesrepublik vorgesehen (Wir haben gelernt: Das arithmetische Mittel von Null und Zwei ist Drei). Da wird nicht gekleckert, da wird geklotzt.

Nur, wieder schade: Es wird nicht reichen, den Haushalt zu konsolidieren. Es wird womöglich nur dazu reichen, die Konjunktur abzuwürgen. Erhöhungen von Steuersätzen weichen die Menschen nämlich aus. So haben die drastisch erhöhten Steuersätze auf den Tabakkonsum im ersten Halbjahr 2005 absolut zu einem

niedrigerem Tabaksteueraufkommen geführt. Dass dies so ist, wissen wir nicht erst seit Arthur B. Laffer. Schon Jonathan Swift hat dieses Phänomen 1728 in seinem „Steuereinmaleins“ beschrieben. Laffer hat seine Kurve übrigens erstmalig in einem Washingtoner Restaurant auf einer Serviette skizziert. Machen Sie heute ruhig tüchtig Gebrauch von der Ihrigen. Wir schauen uns das nachher alles an.

Wir brauchen jetzt aber nicht über einzelne Maßnahmen zu sprechen, bevor wir nicht verstehen, in welcher Lage wir sind. Wie sieht sie aus? Noch vor wenigen Jahren klagte die deutsche Wirtschaft über schlechte Erträge und Basel II. Heute haben wir einen hohen Exportüberschuss, zunehmend erfolgreich international agierende Unternehmen aus Großindustrie und Mittelstand. Die Unternehmensgewinne steigen. Ausländische Investoren (Heuschrecken) sind nicht nur an den 450 Hidden Champions interessiert, sondern kaufen auch 100.000ende Wohnungen. Offensichtlich sind wir wettbewerbsfähig geworden. Deutschland ist en vogue.

Paradox ist aber, dass der deutsche Arbeitsmarkt von diesen Erfolgen unberührt bleibt. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze sinkt kontinuierlich. Deshalb werden die Sozialsysteme immer unbezahlbarer. Ihre Finanzierung wirkt weiter wie eine Steuer auf die verbleibende Arbeit. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, werden viele, hier nicht mehr rentable Arbeitsplätze vor allem am unteren Ende der Lohnskala ins Ausland verlagert, das so genannte Offshoring. Dieser Prozess wird weitergehen, kein Wunder, nach dem Zusammenbruch des Sozialismus nehmen weitere 25% der Weltbevölkerung an unserem Wirtschaftssystem teil und wollen von der Globalisierung profitieren. Ein Teufelskreis.

So klagen die nur in Deutschland tätigen Unternehmen und Handwerker über einen ruinösen Wettbewerb, 40.000 Pleiten sprechen da eine eigene Sprache. Die Investitionen in Deutschland verharren mit 3% des BIP auf Schlusslichtniveau - im weltweiten wie in europäischem Vergleich. Und die Investitionen dienen allenfalls

dem Ersatz, nicht jedoch der Erweiterung unserer Kapazitäten. Ohne Erweiterungsinvestitionen gibt es aber kein wirkliches volkswirtschaftliches Wachstum. Ein, anderthalb, zwei Prozent, alles nur kurzfristige konjunkturelle Schwankungen, kein selbst tragender Aufschwung. Ohne diesen gibt es aber keine neuen Arbeitsplätze erst recht nicht bei einem so unflexiblen Arbeitsmarkt. Hans-Werner Sinn nennt diese paradoxe Situation „das deutsche Rätsel“. Also wir habenuns doch festgefahren. Und jetzt eine Regierung, die laut Wählerwillen die eigentlichen Probleme nicht anpacken darf.

718 anno Domini. Deutschland war meines Wissens noch nicht Exportweltmeister. Es hatte auf jeden Fall auch noch keine Bundeskanzlerin. 718 also erhielt der Brite Bonifatius in Rom vom Papst den Auftrag, „bei den wilden Völkern Germaniens“, das christliche Evangelium zu verkünden. Gemeint waren damit die Bundesbürger in spe. Bonifatius nahm den Auftrag an. Er missionierte in Hessen, Thüringen und Franken

wilde Teutonen für das Christentum. Bis ihn dann ja bekanntlich Friesen, ich möchte nur am Rande hinzufügen: Friesen in den heutigen Niederlanden, erschlagen haben.

Warum interessiert uns diese Missionargestalt in unserem heutigen Kontext? Was hat Bonifatius gemacht, als er missionierend auf heidnische Stämme traf? Er ist hingegangen und hat bei diversen Stämmen eine heidnische ‚Donar-Eiche’ nach der anderen fällen lassen. Was passierte, wann immer eine Donar-Eiche gefällt wurde? Unsere heidnischen Landsleute dieser Gegend warteten ab: Ob sich Donar für die Zerstörung seiner Eiche rächen würde. Jener Donar aber reagierte seinerzeit nicht. Und war entzaubert. Aus Heiden wurden Christen. Donar war perdu. So geht das.

Welches sind die „Donar-Eichen“ unserer Tage? Beispiele:

* Die irrige Annahme, durch weniger Arbeit Arbeitsplätze schaffen zu können. Das Wirtschaftswunder war nur durch gute Produkte, unendlichen Fleiß und härteste Arbeit zu erreichen. Warum waren wir damals Globalisierungsgewinner? Weil unsere Lohnkosten unter denen unserer westlichen Nachbarn und der USA lagen. Schon seit 1970 liegen wir aber darüber, und dies bis heute und das immer noch deutlich. Seltsamer Weise ist auch seit 1970 die Arbeitslosigkeit in Deutschland quasi erst entstanden und hat in 3 Schüben seither dramatische Ausmaße angenommen.

* Die trügerischen, mit Krediten scheinfinanzierten Verheißungen des Wohlfahrtstaats. Die offen ausgewiesene Staatsverschuldung liegt in Deutschland heute bei rund 65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Mit den Pensionen und sonstigen Verpflichtungen liegen sie bei 300% des BIP. Eine

erdrückende Erblast für unsere Kinder.

* Die Götzen des Umlagesystems, die unter immensen Zuschüssen aus der Steuerkasse letztes Standvermögen zeigen. Wissen Sie, dass von den heute rund 250 Mrd. Euro Bundeshaushalt bereits etwa ein Drittel als Zuschüsse in die gesetzlichen Rentenkassen abfließt? Statt von einem Bundeshaushalt zu

sprechen könnten wir gut von einer „Rentenersatzkasse“ sprechen.

* Oder vergessen wir nicht die Goldenen Lämmer eines Staates, der jeden zweiten Euro selbst bewegen muss. Während die Einnahmen des Staates Jahr um Jahr wachsen, wachsen zugleich auch die Schuldenberge. Seltsam. Schauen wir doch einmal, was seit der ersten „Großen Koalition“ im Land

passiert ist. Betrachten wir die Staatseinnahmen, die einfach nicht ausreichen:

1970 77 Mrd. Euro

1980 187 Mrd. Euro

1990 290 Mrd. Euro

2005 450 Mrd. Euro

* Und da ist der Mythos „Umverteilung von unten nach oben“? Das Gegenteil ist richtig: Bei der Einkommensteuer leisten die oberen 10 % der (Besser-)Verdiener etwa 53 % des Steueraufkommens, die oberen 50 % der Steuerzahler leisten etwa 92 % des Aufkommens.

* Die nächste Donareiche ist das Märchen, dass „die Unternehmer“ in den letzten zehn Jahren vom Gesetzgeber verwöhnt worden sein sollen. Deshalb sollen sie jetzt auch endlich ihrer Verantwortung nachkommen und neue Arbeitsplätze schaffen. So hört man es in den Talkshows, so liest man es in den Zeitungen. So fordert es auch die neue, große Koalition. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, die Gesetzgebung der letzten Jahre zu bewerten. Das ist bei über 800 Gesetzen und Verordnungen allein der

letzten Legislaturperiode nicht einfach. Resultat ist: Wir Unternehmer wurden in den letzten Jahren vom Gesetzgeber nicht verwöhnt. Ich möchte das in aller Kürze an nur zwei Punkten festmachen: Am Steuerrecht und am Arbeitsrecht.

Zum Steuerrecht:

Seit 1997 darf die Vermögensteuer laut Bundesverfassungsgerichts nicht mehr erhoben werden. Richtig. Aber der Fiskus hat ebenfalls ab dem 1.1.1997 die Grunderwerbsteuer von 2 auf 3,5 Prozent nahezu verdoppelt und gleichzeitig die ErbSchSt erhöht. Sie sehen: Keine staatliche Wenigereinnahme ohne sofortige und vollständige Kompensation. So ging es 1998 weiter. Betrachten wir all die wohlklingenden Gesetze dieser Jahre wie das „Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002“, das „Steuersenkungsgesetz

2000“ oder auch das sog. “Steuervergünstigungsabbaugesetz“: Es zeigt sich, dass durch die hier jeweils eingefügten Verbreiterungen der Bemessungsgrundlage für viele Unternehmer die Steuerbelastung noch

erhöht wurde: Durch eine Fülle von „Gegenfinanzierungen“ kam es bei nahezu allen dieser „Steuerreformen“ zu tatsächlichen „Überfinanzierungen“.

Es ist nicht leicht, die seit 98 vorgenommenen steuertarifären Entlastungen einerseits und all die „Gegenfinanzierungen“ andererseits belastbar miteinander zu saldieren. Aber wir können die steuerliche Belastung aller Gewerbebetriebe von 1998 bis 2005 untersuchen. Dabei stelle ich hier auf Personenunternehmen ab, weil diese etwa 85 % der Unternehmen in Deutschland ausmachen. Das Aufkommen aus der Einkommensteuer (inklusive ‚Soli’) stieg für Gewerbe-Betriebe

von 30 Mrd. Euro in 1998

über 32,9 Mrd. Euro (2000)

und 34,7 Mrd. Euro (2002)

auf zuletzt 37,9 Mrd. Euro in 2005.

Das Gewerbesteueraufkommen im Jahr 1998 lag

bei 25,6 Mrd. Euro,

stieg bis 2000 auf 27 Mrd. Euro,

fiel dann 2001 ab,

erreichte in der Tat erst 2004 wieder ihr Niveau des Jahres 2000 von 27 Mrd. Euro,

um 2005 aber auf ein Allzeithoch von nunmehr 28 Mrd. Euro zu klettern.

Das sind zwar noch keine immensen Steigerungen. Aber es zeigt, dass es in den zurückliegenden Jahren selbst auch in der Gesamtschau zu keiner Senkung der steuerlichen Belastung für Unternehmer gekommen ist. Und deshalb auch daraus keine besonderen Impulse für Investitionen und Beschäftigung kommen konnten. Die Jahre von 1998 bis 2005 waren steuerpolitisch für uns Unternehmer durchaus keine „fetten Jahre“, obwohl uns die Rhetorik von Politik und Medien ebendieses weismachen will, und viele - auch Unternehmer - glauben es und fühlen sich schuldig.

Zum Arbeitsrecht:

Pars pro toto: Statt das Betriebsverfassungsrecht für Unternehmer einfacher zu machen, um Ihnen mehr Anreize für Einstellungen zu verschaffen, fuhr der Zug auf der anderen Seite aus dem Bahnhof hinaus: Die Mitteilungsrechte und andere Befugnisse der Betriebsräte wurden noch ausgeweitet. Die Kosten dafür wurden vom Gesetzgeber in kauf genommen. Neue Belange wie Umweltschutz wurden in der Betriebsverfassung verankert. Die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern wurde erweitert. Entspannt nahm

der Gesetzgeber zur Kenntnis, dass die Kosten eines Betriebsrates bei 500,- Euro pro Mitarbeiter pro Jahr liegen. (Freistellung, Schulung, Ausstattung und laufende Tätigkeit).

Es ist kein Verwöhnpaket für Unternehmer, wenn nach der Reform ab 200 Mitarbeitern (statt wie vorher ab 300) ein Betriebsratmitglied freizustellen ist. Und zwei Mitarbeiter sind nun ab einer Größe von 400 Mitarbeitern freizustellen. Das sind - echte Kosten. Und zwar für mittelständische Betriebe. Vor allem aber nerven neue Bürokratismen: ich finde es ja nicht schlecht, wenn ein Betriebsrat dem Arbeitgeber Vorschläge zur Sicherung und „Förderung der Beschäftigung machen kann. Aber Unternehmer müssen diese nun qua Gesetz beraten und ihren Befund schriftlich hinreichend begründen.

So etwas macht man unter zivilisierten Menschen doch sowieso: Man berät Vorschläge und begründet seine Entscheidung. Freilich: Manchmal mündlich. Mein Punkt ist: Wir hätten in den letzten Jahren weniger innerbetriebliche Regulierung von außen gebraucht und weniger Bürokratisierung von oben. So schafft man keinen Anreiz für Neueinstellungen. Und auch hier haben wir nichts von für uns „fetten Jahren“ bemerkt. Ich erinnere daran: In Bezug auf den Grad der wirtschaftlichen Freiheit auf dem Arbeitsmarkt verharrt Deutschland im „Report of Economic Freedom in the World“ auf Platz 94 von 95….

(Sie fragen sich, wie ich, wer auf Platz 95 ist? Keine Ahnung. Nord-Korea?)

Nur als kleine Anmerkung: Auch die erste Maßnahme von CDU und SPD, die sie Mitte des letzten Jahres, lange vor der Wahl, sozusagen im Vorgriff auf die später zu bildende Koalition, schnell zur Rettung der Rentenkassenliquidität umgesetzt haben, ist nicht unternehmensfreundlich. Wir dürfen dieses Jahr die

Sozialbeiträge 13 Mal zahlen. Das kostet bitter benötigte Liquidität. Versprochen wurde, den Rentenbeitragssatz im Gegenzug bei 19,5% zu halten. Jetzt haben wir 19,8%.

Zurück zum Bild von den „Donareichen“: All diese Lügengespinste der Barbaren müssen wir fällen, als ‚Missionare’ oder auch, uns mehr gemäß: als ‚Aufklärer’. Wer Deutschland wieder für Eigenverantwortung, für Optimismus und echtes Wirtschaftswachstum (nicht ein schuldenfinanziertes) gewinnen will, wer unser ‚verwildertes’ Deutschland in diesem Sinne missionieren will, muss an alle diese

heidnischen Eichen heran. Der braucht die Axt des Missionars. Paul Kirchof war übrigens ein solcher Missionar, leider hat er seine Friesen gefunden. Aber er hat ja auch nicht mit der Axt gearbeitet, sondern mit sanften Worten.

Trotzdem, wir müssen uns wieder klar werden, wo die wahren Kraftfelder Deutschlands liegen. Es geht nicht ohne den Mittelstand: Die Familienunternehmen, die dynamisch und flexibel sind. Und die das Gros der Arbeitnehmer beschäftigen. Indem sie Märkte bedienen. Sie haben einen langen Atem. Sie entwickeln nicht über Quartale, sondern über Generationen ihre Geschäftsfelder. Sie sind keine „Heuschrecken“. Wir bestellen das Feld und stellen die Bauern ein. Mit den Worten der Revolutionäre von 89 in Leipzig: “Wir sind die Wirtschaft“. Wir brauchen keine staatliche Unterstützung, wir wollen nur möglichst wenig behindert werden.

Die Verbündeten von Bonifatius, die wenigen anderen Nicht-Wilden, lebten seinerzeit in Dörfern oder in Klosteranlagen wie Fulda. Auch heute gibt es in Deutschland wieder kleine, leider nur kleine, Milieu-Inseln mit besonderen Menschen. Mit solchen, die verstehen, was Selbstverantwortung Gutes bewirken kann. Meine politische Heimat ist auch eine solche Insel: Eine solche „Insel“ umgeben von einer Wildnis voller staatsgläubiger und risikoscheuer Neo-Heiden sind die Familienunternehmer wie sie in der ASU zu finden sind. Die Familienunternehmen sind eine der wirklich tragenden Säulen unserer Volkswirtschaft. Zugleich sind sie vielleicht eine der letzten Brutstätten von freiheitlicher Gesinnung.

Es sind langfristig planende, fexibel reagierende und manchmal von einer einzelnen Persönlichkeit geführte Unternehmen. Oftmals „hidden champions“, können sie sich auf den zunehmend arbeitsteiligen Märkten der Weltwirtschaft bestens behaupten. Sie stellen das Gros der Arbeitsplätze in Deutschland. Und sie schultern das ganze Gemeinwesen. Dabei stehen gerade die alteingesessenen Familienunternehmen für jenen schlagkräftigen Mix aus ‚Vorsprung durch Innovation’ und ‚Innovation aus in der Vergangenheit gewonnenen Vorsprüngen’. Immer wieder neue Vorsprünge durch immer wieder neue Innovationen, die aufeinander aufbauen: Das ergibt über Jahrzehnte und Jahrhunderte gebildetes Sonder-Wissen. Es ist dieses frische Wissen aus altem Wissen. Diese Melange formt in unseren Unternehmen eine Aura, eine Atmosphäre der Leistungsfähigkeit, die immer wieder Familienmitglieder und Mitarbeiter in Bann schlägt. Sie formt einen Menschenschlag, der sich andernorts immer schwerer bildet. Einen spirit.

Das heißt für mich: Wer Deutschland wieder nach vorne bringen will, der muss sich bei diesen Menschen, den mittelständischen Unternehmern und ihren Mitarbeitern, Rat holen. Wer Zukunftsfähigkeit wieder herstellen will, der muss bei uns zuhören.

Eine Umfrage unter ASU-Unternehmern hat ergeben, dass folgende 6 Dinge als erstes zu leisten sind, damit es losgehen kann:

1. Vereinfachung des Steuersystems, wohlgemerkt Vereinfachung nicht Steuersenkung. Wir wissen auch, dass der Staat seine wichtigen auch sozialen Aufgaben finanzieren muss.

2. Liberalisierung des Kündigungsschutzes und

3. Gesetzliche Öffnungsklauseln für betriebliche Bündnisse im Tarifrecht. Beides Maßnahmen zur dringend benötigten Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Ohne solche Reformen werden die Arbeitslosen nicht von der Globalisierung profitieren.

4. Umfassender Subventionsabbau

5. Umfassender Bürokratieabbau

6. Senkung der Staatsquote

Wahrhaft, diese Forderungen haben wir und viele andere im Wahlkampf formuliert, im Regierungsprogramm finde ich jedoch allenfalls den Vorschlag für einen Bürokratie - TÜV und zum Glück den Abbau einiger Subventionen wieder. Einzelne Maßnahmen, die aber für sich alleine noch keine Ordnungspolitik im Sinne Ludwig Erhards ergeben. Der Staat fühlt sich weiterhin überall verantwortlich und versucht zu lenken und zu steuern. Damit ist er überfordert. Anmaßung von Wissen, hat F.A. von Hayek das genannt.

Ein Investitionsprogramm 25 Milliarden € über vier Jahre. Was soll das helfen? Die deutsche Einheit war das größte Investitionsprogramm der jüngeren Wirtschaftsgeschichte - Das Ergebnis kennen Sie - eine gigantische Staatsverschuldung und eine hohe Arbeitslosigkeit. Japan in den neunziger Jahren. Das gleiche Experiment. Das gleiche Ergebnis. Hier ein bisschen mehr Abschreibung, dort ein paar häusliche Reparaturen von der Steuer absetzen, statt es zu vereinfachen wird das Steuerrecht noch komplizierter - die Familienpolitik - noch ungeklärt.

Diese Ziellosigkeit und der fehlende Ordnungsrahmen können verhängnisvoll werden. Denn ein einmal in der Politik beschrittener Weg kann nicht beliebig verlassen werden, was jetzt falsch läuft, kann nicht mehr einfach korrigiert werden. Ziellosigkeit und mangelnde Nachhaltigkeit des wirtschaftspolitischen Handelns wird schnell zum Verhängnis, so erging es Gerhard Schröder schon nach 7 Jahren und auch Helmut Kohl wäre ohne das Sonderereignis Deutsche Einheit schon 1991 möglicherweise nicht mehr wieder gewählt worden. Seine großen außenpolitischen Leistungen werden von seinen ordnungspolitischen Fehlleistungen überschattet.

Die SZ schreibt: Die Halbwertzeit einer Politik des Augenblicks nimmt offensichtlich ab. Angela Merkel hat allen Grund gewarnt zu sein. Hoffentlich hat sie den Mut, trotz des Schicksals von Paul Kirchhof ein mutiger Missionar im Sinne Ludwig Erhards zu sein und die Axt in die Hand zu nehmen. Das Rot im Stadtwappen von Fulda zeugt vom Martyrium der Stadtpatronen und erinnert an Bonifatius. Auf lange Sicht haben sie aber Erfolg

gehabt und ihre Mission erfüllt. Und dies nicht nur, weil Fulda heute Sitz der deutschen Bischofskonferenz ist. Hoffen wir also, dass wir doch noch nicht verloren sind. Vielen Dank. +++

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