Archiv

- Bilder: Max Colin Heydenreich

30.12.05 - Fulda

"Schwarzes Gold" vom Zuchtstör aus Osthessen boomt nicht nur Silvester

Es soll Snobs geben, die Kaviar nur von goldenen Löffeln essen. "Solche Leute verstehen nicht viel von Kaviar", sagt Jörg-Michael Zamek, kaufmännischer Leiter und zuständig für den nationalen und internationalen Vertrieb bei der Firma Desietra in Fulda. Denn wie bei Hühnereiern auch verträgt sich Metall nicht mit dem hohen Eiweißgehalt, oxidiert und schmeckt scheußlich. "Kaviar genießen Sie von Perlmutt - oder, wenn nichts anderes vorhanden ist, vom schlichten Plastiklöffel, dann schmeckt er rein und arteigen". Jörg-Michael Zamek muss es wissen, denn er und Betriebsleiter Mesfin Belay sind Herr über tausende von Zucht-Stören, die das von Feinschmeckern in aller Welt begehrte "schwarze Gold" nicht im kaspischen Meer, sondern im Industriegebiet West bei Fulda produzieren. In einer Halle von insgesamt 8.000 Quadratmetern schwimmen in den offenen Bassins unzählige nach Größe sortierte Störe: von gerade geschlüpften Larven, über so genannte Fingerlinge und Jungtiere bis hin zu fast 2 Meter langen zentnerschweren Exemplaren. Der durchschnittliche Besatz an Stören in der osthessischen Aquakulturanlage wird mit einer "Biomasse" von ca. 120 bis 150 Tonnen angegeben. Der Eigentümer William F. Holst aus Precott, USA, der die Fuldaer Anlage vor drei Jahren übernommen hat züchtet hier sibirische und russische Störe in einem geschlossenen speziellen Indoor-Kreislaufsystem. Die Anlage mit eigenem Tiefbrunnen und eigener Kläranlage produziert in 14-tägigem Rhythmus frischen Kaviar - "naturrein" ohne Konservierungsmittel. Beides ist aus Verbrauchersicht der entscheidende Vorteil gegenüber dem Wildkaviar, der nur zweimal pro Jahr durch den Fang reifer Weibchen "geerntet" werden kann und mit dem Konservierungsstoff Borax versetzt oder pasteurisiert werden muss, um haltbar zu bleiben. Die Stör-Bestände im kaspischen Meer wurden durch Überfischung, Wasserverschmutzung und Wilderei solange dezimiert, bis schließlich strenge Artenschutz- und Ausfuhrauflagen dem Raubbau einen Riegel vorschoben, den Kaviar aber dadurch auch weiter verknappten. Ein Beluga-Weibchen braucht in der Natur fast 20 Jahre Wachstum, bis es geschlechtsreif wird. In der Zucht verringert sich diese "Wartezeit" um die Hälfte. "Wir gaukeln unseren Stören quasi ständig Urlaub in Wärme, bei Vollpension und ohne Stress vor. Deshalb wachsen sie schneller", erklärt Zamek das Zuchtphänomen in einer geschlossenen Indoor-Kreislaufanlage. Desietra legt dabei größten Wert auf eine artengerechte Störhaltung und verzichtet auf jeden Einsatz von Pharmaka oder Hormonen. Der in Fulda produzierte Kaviar Imperial und Superior wird "malossol" hergestellt, das heißt, nur soviel gesalzen wie es für die Haltbarkeit unbedingt notwendig ist. "Guter Kaviar von gezüchteten Stören ist selbst von Kennern weder in Konsistenz noch Geschmack von dem vom Wildstör zu unterscheiden", sagt Jörg-Michael Zamek. In 2005 produzierte Desietra rund 2.500 Kilogramm Kaviar und 35.000 Kilo Lebendfisch und Störfleisch, das zum Beispiel als geräuchertes Filet veredelt wird. Da der Stör ein Knochenfisch ist, hat er keine Gräten - ein weiterer Vorteil für die Verarbeitung des Störfleisches und für den Verbraucher, der die Produkte jedoch bis jetzt kaum kennt, denn das Angebot im Handel ist noch sehr begrenzt.Bei einem Exportanteil rund 50 Prozent und mit einem Jahresumsatz von mehr als 1,5 Millionen Euro beliefert Desietra Großkunden in Europa, den USA und Asien mit Kaviar, Fischfleisch und befruchteten Störeiern zur Aufzucht und leistet hierdurch auch seinen Beitrag zur Stabilisierung der gefährdeten Störbestände. Weil der Markt sehr vielversprechend und ausbaufähig sei, gibt Zamek dem Unternehmen mit zur Zeit 9 Mitarbeitern eine gute Zukunftsprognose: "Die Nachfrage ist größer als unsere derzeitigen Produktionsmöglichkeiten und wir kommen mit der Herstellung unseres Kaviars kaum hinterher." Erstaunlich bei dem Preis, denn Kaviar ist und bleibt ein elitäres Produkt. Die Fischeier-Delikatesse gilt bei vielen besonders zu Silvester als must - immerhin 3 Tonnen davon gehen beim Berliner Nobelkaufhaus KaDeWe jährlich über die Theke. 375 Euro kostet zur Zeit die 113-Gramm-Dose Beluga-Kaviar. Der Kenner trinkt Wodka oder Champagner dazu - und isst vom Perlmuttlöffel. (CARLA IHLE-BECKER).

EXTRA-INFO über "KAVIAR"Der Begriff Kaviar soll von einem iranischen Volksstamm stammen, der die zubereiteten Stör-Eier "Cahv-Jar", das heißt "Kuchen der Freude" nannte. Ausschließlich die gereinigten und gesalzenen Fischeier bestimmter Stör-Arten dürfen als Kaviar gehandelt werden. Die Bezeichnung "Deutscher Kaviar" meint wesentlich günstigere Fischeier von Seehase, der schwarz oder rot gefärbt wird. Es wird auch Forellen-Kaviar oder Lachs-Kaviar angeboten.Bei echtem Kaviar gibt es drei Qualitätsklassen. Sie werden nach der Störart benannt, von der sie stammen: Beluga, Ossietra und Sevruga. Der vom Beluga-Stör stammende Kaviar gilt als der feinste und teuerste, die Eier sind mit 3,5 Millimeter im Durchmesser am größten. Die Farbe ist hellgrau bis anthrazit, der Geschmack ist mild. Der ca. 2,3 bis 3,0 mm große Ossietra-Kaviar hat silbergraue bis schwarze Körner, häufig mit einem goldenen Schimmer und hat ein typisches Nuss-Aroma. Die Eier des Sevruga-Störs haben eine sehr dünne Schale, kommen in allen Grautönen vor und haben einen Durchmesser von zwei Millimeter. +++




Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön