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Das überklebte Plakat von Brand

...beispielsweise hier in Neuhof....

20.08.05 - Neuhof

UNGLAUBLICH! Zahlreiche Wahlplakate nachts mit Nazi-Plakaten überklebt

Unglaubliches ist in der vergangenen Nacht in westlichen Stadtteilen von Fulda, in der Kaligemeinde Neuhof, Petersberg und Künzell (Kreis Fulda) passiert: unbekannte Täter haben mindestens in 12 Fällen aufgestellte Wahlplakate und andere Plakathintergründe mit einem Plakat des Nazi-Verbrechers Rudolf Heß überklebt. In Neuhof waren heute Morgen Wahlwerbungen des heimischen CDU-Kandidaten Michael Brand in der Nähe des neuen Bürgerhauses und von der Parteichefin Angela Merkel "überklebt". Das Polizeipräsidium Fulda hat Ermittlungen begonnen. Michael Brand kündigte Strafanzeige an (s. Extra-Meldung)

Die verbotenen Darstellungen sind wahrscheinlich von Neonazis angebracht worden: "In den Herzen unvergessen" heißt es auf dem schwarzen Plakat mit einem Konterfei des Hitler-Stellvertreters. Außerdem ist eine entsprechende Internet-Adresse genannt. Hintergrund der kriminellen Aktionen sind offenbar Aktivitäten der Rechtsradikalen im Zusammenhang mit dem 17. August, dem Todestag von Rudolf Heß.

Wahlplakate von Parteien und andere Hintergründe seien - so Polizeipressesprecher Matthias Heim heute Mittag - "relativ wahllos" von den Tätern überklebt worden. Die illegale Verherrlichung des Hitler-Stellvertreters und verurteilten Verbrechers Rudolf Heß wurde unter anderem im Fuldaer Stadtteil Haimbach, in Petersberg und in Neuhof entdeckt.

In der Kali-Gemeinde stand heute Morgen zum Entsetzen einiger Bürger an der Straßenecke Zollweg/Hanauer Straße in der Nähe des neuen Bürgerhauses ein solches Plakat, das auf einen Plakatständer des CDU-Direktkandidaten für den Bundestag, Michael Brand, angebracht war. Auch ein überklebtes Merkel-Bild wurde entdeckt. Hnweise aus der Bevölkerung an die Polizei und Nachforschungen der Beamten ergaben, dass es sich jedoch nicht - wie zuerst vermutet - um gezielte Beschädigungen an CDU-Plakaten handelte.

Rudolf Heß ist im Lauf der vergangenen Jahrzehnte zu einer "Kultfigur für junge Neonazis" geworden. Jedes Jahr ziehen Verehrer dieses Mannes und Anhänger der NS-Ideologie ins oberfränkische Wunsiedel. Der Ort, in dem Rudolf Heß begraben ist, wurde zum "Wallfahrtsort" der Rechten - und nicht nur aus Deutschland. Insgesamt hatte Heß 46 Jahre in Haft verbracht, erst in England, nach 1945 in Deutschland, und in der ganzen Zeit nicht ein Wort der Reue geäußert. Sein legendäres Bekenntnis "ich bereue nichts" im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess ist zum Kampfruf der rechten Szene geworden.

Die Polizei hat die bisher in der Region Fulda an verschiedenen Stellen entdeckten Heß-Plakate - soweit es möglich war - sichergestellt. Bürger, die solche Darstellungen bemerken, sollten deren Standorte umgehend bei der Polizei melden. Juristisch erfüllen die Plakate wohl den Tatbestand der Volksverhetzung. Wenn bei ihrer Entfernung die "Träger", also die anderen, überklebten Plakate beschädigt werden, handelt es sich dann auch noch um Sachbeschädigung.

In der Region Fulda ist der "Neonazi-Aufmarsch" auf dem Domplatz und der Marsch der Rechtsradikalen durch die Stadt vor 12 Jahren unvergessen. Auch diese Aktivitäten - die damals von überregional mitangereisten Polizeikräften sowie heimischer Polizei nach eigenen Angaben nicht verhindert werden konnten - hatten aus Anlass des Heß-Todestages stattgefunden. Darauf folgten nicht nur personelle Konsequenzen - unter anderem trat der damalige Innen-Staatssekretär Kulenkampff zurück - sondern auch eine politische und gesellschaftliche Diskussion, die letztlich zu Gesetzesnovellen, härterem juristischem Vorgehen gegen Neonazis und einer Änderung der Polizeitaktik führte.

ZUM HINTERGRUND 2005

Eine von Rechtsextremisten geplante Gedenkveranstaltung im bayerischen Wunsiedel zum Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß ist vor zehn Tagen verboten worden. Dies entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einer Eilentscheidung (AZ: 24 CS 05.2053), nachdem der Veranstalter Beschwerde gegen eine Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Bayreuths einlegte.

Möglich wurde diese Entscheidung durch die im März 2005 vom Bundestag beschlossene Ausweitung des Volksverhetzungs-Tatbestands. Strafbar macht sich nun gemäß § 130 Abs. 4 StGB, wer den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise stört, indem er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass bei der geplanten Veranstaltung genau gegen diese Strafvorschrift verstoßen werde.

Damit hat das vom Landratsamt Wunsiedel ausgesprochene Versammlungsverbot weiterhin Bestand. Der VGH stützte sich bei seiner Entscheidung auf eine erst seit März dieses Jahres geltende Strafvorschrift. Danach macht sich strafbar, wer den öffentlichen Frieden dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

Nach Ansicht des VGH-Senats erfüllt die geplante Veranstaltung diese Voraussetzungen. Das Gedenken an Rudolf Heß diene erkennbar nur dem Vorwand, "um in Wirklichkeit das Gedankengut des Nationalsozialismus zu verbreiten", heißt es in der Mitteilung des VGH (Az: 24CS05.2053). Die Veranstalter des Gedenkmarsches können gegen diese Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde einlegen. In den Vorjahren hatten die Gerichte den Aufmarsch der Rechtsextremisten unter Hinweis auf die Versammlungsfreiheit gestattet.

Heute "Tag der Demokratie"

Unabhängig vom bislang bestätigten Versammlungsverbot der Rechtsextremen gibt es am heutigen 20. August in Wunsiedel einen "Tag der Demokratie" mit zahlreichen Aktionen geben, teilte die Stadt am Mittwoch mit. So würden ein Film über die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz und eine Ausstellung über "Jüdische Kinder im Holocaust" gezeigt. Zu Diskussionsveranstaltungen mit den Bürgern haben sich zahlreiche Politiker angekündigt, darunter Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD), Grünen-Chefin Claudia Roth, SPD-Generalsekretär Uwe Benneter und der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Ludwig Stiegler.

Die Kirchen planen eine ökumenische Sternwallfahrt nach Wunsiedel. Auch die Fernsehmoderatoren Jürgen Fliege und Andreas Bönte haben ihr Kommen angekündigt. Der "Tag der Demokratie" endet mit einem Open- Air-Kino. Über 100 Bürger haben für den 20. August Aktionen gegen die Neonazis bei der Stadt angemeldet.

Der frühere Hitler-Stellvertreter Heß hatte am 17. August 1987 im alliierten Kriegsverbrecher-Gefängnis in Berlin im Alter von 93 Jahren Selbstmord begangen. Er wurde später in Wunsiedel beigesetzt. Seitdem wird er in der rechten Szene als Märtyrer verehrt. In den vergangenen Jahren kamen jeweils mehrere tausend Neonazis nach Wunsiedel.

Beckstein zufrieden

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) begrüßte das vom Verwaltungsgerichtshof bestätigte Verbot der geplanten Kundgebung zum Todestag von Rudolf Heß. "Damit zeichnet sich ab, dass das neue Versammlungsrecht eine wirksamere Grundlage bildet, die unsäglichen Aufmärsche der rechten Szene in Wunsiedel zu beenden", erklärte Beckstein in München. +++

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